Häusliche Gewalt ein allgegenwärtiges, wie auch übersehenes Problem

Häusliche Gewalt ist die häufigste Ursache von Verletzungen bei Frauen: häufiger als Verkehrsunfälle und Krebs zusammengenommen. Für Frauen ist das Risiko, durch einen Beziehungspartner Gewalt zu erfahren, weitaus höher als von einem Fremden tätlich angegriffen zu werden. Bildung, Einkommen, Alter und Religionszugehörigkeit sind dabei völlig bedeutungslos.

Szene einer Aufführung des Spielwerktheaters gegen häusliche Gewalt
© Serap Altinisik

Mit dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt von 2011, auch als Istanbul-Konvention bezeichnet, wurde unter anderem eine international anerkannte, einheitliche Definition von häuslicher Gewalt geschaffen. Laut Art. 3 bezeichnet der Begriff häusliche Gewalt alle Handlungen körperlicher, sexueller, psychischer oder wirtschaftlicher Gewalt, die innerhalb von Familie, Haushalt und/oder ehemaliger oder derzeitiger Partnerschaft vorkommen. Dies ist unabhängig vom Wohnsitz des Täters. Am 01. Februar 2018 ist die Istanbul-Konvention in Deutschland in Kraft getreten.

Häusliche Gewalt umfasst unterschiedliche Gewaltformen, Gewaltmuster und auch Beziehungskonstellationen. Die beiden häufigsten Ausprägungen von häuslicher Gewalt bestehen jedoch in der Gewalt zwischen derzeitigen oder ehemaligen BeziehungspartnerInnen und der generationsübergreifenden Gewalt, die meist zwischen Eltern und Kindern vorkommt. Insgesamt sind Frauen in deutlich höherem Maße von häuslicher Gewalt betroffen als Männer.

2020 gab es laut Statistik des Bundeskriminalamts (BKA) 148.031 Betroffene von Partnerschaftsgewalt – 80,5% davon sind Frauen. Dabei ist zu bedenken, dass diese Zahlen lediglich die polizeilich erfassten Fälle widerspiegeln, die Dunkelziffer ist erheblich größer.

Ursachen häuslicher Gewalt

Häusliche Gewalt ist immer ein Mittel, um Kontrolle über die Partnerin zu erlangen und den eigenen Willen sowie einen Machtanspruch durchzusetzen. Der gewaltvolle Versuch der Demonstration männlicher Überlegenheit und daraus resultierenden Besitzansprüche gegenüber der Partnerin, kann als Konsequenz patriarchaler Traditionen in unserer Gesellschaft verstanden werden, die bis heute eine strukturelle Machtasymmetrie zwischen den Geschlechtern bewirken.

Ein einheitliches Bild von Ursachen und Risikofaktoren für häusliche Gewalt gibt es nicht. Sie ist stattdessen immer ein Resultat einer Vielzahl an Faktoren, die sich gegenseitig beeinflussen. Das Auftreten von Partnerschaftsgewalt kann durch Umstände wie ein geringes Einkommen oder Arbeitslosigkeit, sowie weitere situative und individuelle Risikofaktoren begünstigt werden. Im Allgemeinen lässt sich die Ausübung von häuslicher Gewalt aber nicht durch einzelne Ursachen und Auslöser wie Stress, individuelle psychopathologische Besonderheiten, Alkohol- und Drogenkonsum oder durch allgemeine Konflikte in einer Beziehung erklären. Es ist fast immer ein Zusammenspiel verschiedenster Faktoren, welches in häusliche Gewalt resultiert. Dennoch können Auslöser wie Eifersucht oder sexuelle Ansprüche eine große Rolle in der Entstehung gewalttätiger Situationen spielen.

Formen und Ausmaße

In der Istanbul Konvention wird der Begriff häusliche Gewalt verwendet, um „alle Handlungen körperlicher, sexueller, psychischer oder wirtschaftlicher Gewalt, die innerhalb der Familie oder des Haushalts oder zwischen früheren oder derzeitigen Eheleuten der Partnerinnen beziehungsweise Partnern vorkommen, unabhängig davon, ob der Täter beziehungsweise die Täterin denselben Wohnsitz wie das Opfer hat oder hatte“.

Häusliche Gewalt bezeichnet also nicht nur den Akt physischer Gewalt zwischen Mitgliedern eines Haushaltes, sondern geht weit darüber hinaus. Physische Gewalt ist nur eine Facette eines vielschichtigen Verhaltensmusters, das Kontrolle und Machtausübung zum Ziel hat.

Es gibt verschiedene Ausprägungen der Gewalt:

  •  Physische Gewalt: Ohrfeigen, Faustschläge, Tritte, Stöße, Würgen, Fesseln, Angriffe mit Waffen aller Art oder mit Gegenständen, Morddrohungen und Mord.
  •  Psychische Gewalt: Drohungen, sich selbst, der Partnerin, oder den Kindern etwas anzutun. Drohen, die Kinder wegzunehmen. Beleidigungen, Demütigungen, Manipulationen, Stalking, Erpressung, Mobbing.
  • Sexualisierte Gewalt: Nötigung, Vergewaltigung oder Zwangsprostitution.
  • Soziale Gewalt: Die Isolation des Opfers von Familie und Freundeskreis, die Kontrolle der Kontakte, Verbot von Kontakten, Einsperren.
  • Finanzielle Gewalt: Arbeitsverbote oder Arbeitszwang, alleiniger Kontrolle der Finanzen durch den Täter und somit das Erzeugen von finanzieller Abhängigkeit.
  • Digitale Gewalt: Cyberstalking, Kontrolle von Social Media, Revenge Porn, Ausspähen von Daten, Ortung und digitale Überwachung.

Physische und viele Formen psychischer Gewalt sind strafbar. Dazu zählt zum Beispiel die einfache Körperverletzung (§223 StGB), Stalking (§238 StGB), eine große Bandbreite an sexualisierten Übergriffen (§174 - §177 StGB) und teilweise seelische, also psychische Gewalt (§225 StGB). Dabei macht das Strafrecht keinen Unterschied, ob die Taten in oder außerhalb einer Partnerschaft passieren. Viele Straftaten werden jedoch gar nicht erst zur Anzeige gebracht, wodurch das eigentliche Ausmaß an häuslicher Gewalt die jährlich steigenden offiziellen Zahlen weit überschreiten.

Folgen

Die Folgen häuslicher Gewalt sind fatal. Sie sind sowohl akut als auch langfristig, und physischer und psychischer Natur. Neben den unmittelbaren physischen Verletzungen sind Betroffene häuslicher Gewalt langfristig traumatisiert. Auch soziale und psychosoziale Folgen von häuslicher Gewalt, die zum Beispiel mit der sozialen Isolation von Betroffenen und einer Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit im Erwerbleben einhergehen können, sind nicht zu unterschätzen.

Häusliche Gewalt findet im eigenen zuhause statt, aber dort bleibt sie nicht. Häusliche Gewalt verursacht nicht nur physisches und psychisches Leid für die Betroffenen, sondern sie ist ein gesamtgesellschaftliches Problem.

So entstehen durch häusliche Gewalt außerdem hohe gesellschaftliche und wirtschaftliche Kosten, etwa durch Polizeieinsätze oder die Finanzierung von Unterstützungsangeboten für Betroffene, sowie Folgekosten durch den potenziellen Verlust an Arbeitspotenzial. Kosten, denen kein Geldwert gegenübergestellt werden kann, entstehen z.B. durch einen Verlust an Lebensqualität aufgrund von physischem und psychischem Leid, Schmerzen und Angst.

Hier einige Zahlen zu den möglichen Folgen:

  • Die monetären Kosten von häuslicher Gewalt gegen Frauen werden auf insgesamt 53 Milliarden Euro jährlich geschätzt.
  • 2020 wurden laut polizeilicher Kriminalstatistik 139 Frauen in Deutschland durch Partnerschaftsgewalt getötet.
  • Etwa jede fünfte Frau in Deutschland hat in ihrem Erwachsenenleben mindestens einmal körperliche Verletzungen infolge von Gewalt erlitten.
  •  Jede vierte Frau (25%) war einer RKI-Studie zufolge mindestens einmal von körperlicher und/oder sexueller Gewalt durch einen (Ex-)Beziehungspartner betroffen.
  •  23% der Frauen, die von Partnerschaftsgewalt betroffen waren, berichten von einem erstmaligen Auftreten der Gewalt im Kontext einer Schwangerschaft und/oder der Geburt des ersten Kindes.
  •  29% der Frauen, die einen Suizidversuch unternehmen, waren vorher Opfer von Gewalt geworden, 37% der Frauen mit Gewalterfahrungen leiden unter Depressionen, 46% unter Angst- und Panikattacken und 45% unter posttraumatischen Belastungsstörungen.*
  •  Von Gewalt betroffene Frauen haben ein deutlich erhöhtes Risiko an Depressionen zu erkranken. Umgekehrt ist auch das Risiko Gewalt in einer Partnerschaft zu erleben bei depressiven Frauen doppelt so hoch. Eine falsche oder zu späte Behandlung kann zu chronischen Beschwerden führen, die sich über Jahre hinweg erstrecken und im schlimmsten Fall zum Suizid führen.

* MASCHEWSKY-SCHNEIDER, Ulrike/ HELLBERND, Hildegard et al. (2004): Häusliche Gewalt gegen Frauen: Gesundheitliche Versorgung. Das S.I.G.N.A.L.- Interventionsprogramm. Handbuch für die Praxis, Wissenschaftlicher Bericht, Berlin.

 

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