Die Heirat gegen den eigenen Willen

Wenn mindestens einer der Eheleute durch die Ausübung von Gewalt oder durch Drohungen zum Eingehen einer formellen oder informellen (also durch eine religiöse oder soziale Zeremonie geschlossenen) Ehe gezwungen wird, sprechen wir von einer Zwangsverheiratung.

"Mein Herz gehört mir" - ein TERRE DES FEMMES Video gegen Zwangsheirat

Eine mögliche Weigerung einer der Eheleute hat entweder kein Gehör gefunden oder der/die Betroffene hat es nicht gewagt, sich zu widersetzen. Auch die Bedrohung der Betroffenen mit existentiellen finanziellen Konsequenzenkann zu einer Zwangsverheiratung führen.

Eine Zwangsehe liegt dann vor, wenn sich Personen aufgrund von Sanktionen aus ihrem Umfeld, insbesondere der Familie, dazu gezwungen sehen, eine bereits geschlossene Ehe gegen den eigenen Willen aufrecht zu erhalten. Personen, die sich nicht trennen dürfen, leben in einer Zwangsehe, auch dann, wenn die Ehe ursprünglich freiwillig geschlossen wurde.

Die Gründe für eine Zwangsverheiratung

Die Gründe, die zu einer Zwangsverheiratung führen können, sind vielfältig. Zu ihnen gehören die Wahrung der sog. Familienehre, gesellschaftliche Normen, Traditionen, „Jungfräulichkeitskult“, Armut, aufenthaltsrechtliche Aspekte oder auch das Bestreben der Eltern, den Sohn oder die Tochter „wieder auf den richtigen Weg“ zu führen. Zu Letzterem kann daher auch (eine vermutete) Homosexualität zählen.

Gesetzeslage

In fast allen Ländern der Welt ist eine Zwangsverheiratung gegen das Gesetz. Auch in Deutschland ist Zwangsheirat nach § 237 StGB ein eigener Straftatbestand und wird mit einer Freiheitsstrafe  bis zu fünf Jahren bestraft. Gleichermaßen werden Heiratsverschleppungen ins Ausland bestraft, auch wenn es dann nicht zu einer Zwangsheirat kommt. Allein der Versuch ist strafbar.
Unabhängig vom lokalem Recht ist eine Zwangsverheiratung auch im Ausland strafbar, wenn der Täter zur Tatzeit Deutscher ist oder wenn die Tat sich gegen eine Person richtet, die zur Zeit der Tat ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat.

Situation in Deutschland

Im Jahr 2011 wurde (die bislang einzige) bundesweite  Studie – unter der Mitarbeit von TERRE DES FEMMES – zum Thema „Zwangsverheiratung in Deutschland" veröffentlicht. Für das Untersuchungsjahr 2008 wurden damals in Deutschland 3.443 Personen erfasst, die sich bezüglich einer angedrohten oder bereits vollzogenen Zwangsverheiratung beraten ließen - 93% von ihnen Mädchen und Frauen. Ein knappes Drittel der Betroffenen war minderjährig. Die größte Gruppe der von Zwangsverheiratung Bedrohten oder Betroffenen war 18-21 Jahre alt (40%). Die Dunkelziffer ist als hoch einzuschätzen.

Im Mai 2022 führte TERRE DES FEMMES eine eigene, nicht repräsentative Umfrage unter Lehrkräften und SchulsozialarbeiterInnen durch. Insgesamt wurden 1.847 Fälle (inkl. Verdachtsfälle) von angedrohten oder vollzogenen Früh- und Zwangsverheiratungen an deutschen Schulen durch teilnehmende Lehrkräfte bzw. SchulsozialarbeiterInnen angegeben.
Hier finden Sie die vollständige Auswertung der Umfrage.

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