Am 7. Juli begrüßte Bundesgeschäftsführerin Christa Stolle Heiner Geißler in den Tübinger Räumlichkeiten, der auf eine kurzfristige Einladung von TERRE DES FEMMES spontan reagierte, weil er am selben Abend an einer von den Grünen organisierten Podiumsdiskussion zum Thema Armut in Deutschland teilnahm. Zusammen mit seiner Büroleiterin Frau Rita Podelko reiste er etwas früher an, um sich ein Bild von der Frauenrechtsarbeit in Tübingen zu machen. Bei einer Führung durch die Räume in der Konrad-Adenauer-Straße wurden ihm die verschiedenen Geschäftsbereiche und die Mitarbeiterinnen vorgestellt.
v.l.n.r.: Irene Jung (TDF Filmfest), Christa Stolle (TDF-Geschäftsführerin), Heiner Geißler (CDU-Politiker), Susanne Fleischli (TDF-Praktikantin)
Während der anschließenden Gesprächsrunde bei Kaffee und Kuchen zeigte sich Geißler interessiert an aktuellen frauenpolitischen Themen. Als Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit in den Jahren von 1982 bis 1985 hatte er sich unter anderem für die Einführung des Erziehungsgeldes und des Erziehungsurlaubs eingesetzt. "Nach meiner und Rita Süßmuths Amtszeit," bedauerte er, "wurden die so genannten weichen Themen durch die Wiedervereinigung verdrängt. So auch die Frauenpolitik."
Dass Frauenthemen wieder in das öffentliche Bewusstsein rückten, geschah laut Geißler erst in den letzten sechs oder sieben Jahren. "Obwohl die Benachteiligung von Frauen die am weitesten verbreitete negative Diskriminierung ist, hat die Frauenbewegung aber leider an Schwung verloren," sagte er. "Ich habe schon immer betont, dass man nur dann etwas erreicht, wenn man Krach macht und Streit anfängt. Das ist mir heute alles ein bisschen zu ruhig."
Geschäftsführerin Christa Stolle gab daraufhin zu bedenken, dass bereits großartige Gesetze und Dokumente vorhanden sind, wie beispielsweise die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte oder das Gewaltschutzgesetz. "Es geht heute darum, sie auch umzusetzen, Verwaltungsvorschriften zu erlassen, die diese Gesetze spürbar machen. Das ist eben der stille, unspektakuläre Teil unserer Arbeit. Dann kommt natürlich hinzu, dass wir ein Thema nach dem anderen abhandeln müssen und irgendwann sind unsere Kapazitäten erschöpft."
Stolle wies außerdem darauf hin, dass die Arbeit von FrauenrechtlerInnen heutzutage oft darin besteht, das zu erhalten, was bereits erreicht wurde. Geißler stimmte überein: "Das Konservative im negativen Sinne hat sich verstärkt auf der Welt, vor allem unter dem Banner des Islam."
Besorgt zeigte sich Geißler auch über die liberale Gestaltung des Sorge- und Umgangsrechts für Männer, die häusliche Gewalt ausüben: "Da herrscht Richterrecht." Eine Referentin erwähnte diesbezüglich auch die Problematik, dass MitarbeiterInnen des Jugendamtes nicht geschützt werden und schwierige Fälle aus Angst vor Bedrohungen deshalb oft nicht sofort bearbeiten.
Abschließend bot Geißler TERRE DES FEMMES seine Unterstützung im politischen und journalistischen Bereich an. Bei der Eröffnungsfeier des TERRE DES FEMMES-Büros in Berlin am 25. September 2008 wird er eine Ansprache halten.