Am 1. Juli 2017 trat in Deutschland das Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) in Kraft.
Erstmalig wurden damit rechtliche Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für den Schutz von Prostituierten sowie für den Betrieb von Prostitutionsstätten geschaffen. Das Gesetz sieht unter anderem eine Anmeldepflicht und regelmäßige Gesundheitsvorsorgen für Prostituierte, eine Erlaubnispflicht für das Prostitutionsgewerbe, eine Kondompflicht und ein Werbeverbot vor. Damit sollen Betroffene in Deutschland sowohl vor Gewalt als auch vor Zwangsprostitution und sexueller Ausbeutung geschützt werden.
Die geplante Evaluation des Gesetzes nach fünf Jahren wird im kommenden Jahr 2022 beginnen und soll bis 2025 vorliegen. TERRE DES FEMMES zieht eine Zwischenbilanz - diese ist ernüchternd.
Fest steht, dass sich die Maßnahmen von 2017 als unzureichend erwiesen haben, um die Lage der Prostituierten hierzulande deutlich zu verbessern.
Ende 2020 waren laut Statistischem Bundesamt (Destatis) nur rund 24.900 Prostituierte nach dem ProstSchG gültig angemeldet, 38% weniger als im Vorjahr. Dies sollte jedoch nicht als ein Rückgang der Prostitution in Deutschland missinterpretiert werden. Nach wie vor mangelt es an Beratungsangeboten, flächendeckenden Ausstiegsprogrammen für Betroffene und geschultem Fachpersonal.
Die Covid-19 Pandemie hat die Situation der Prostituierten in Deutschland zusätzlich verschärft. Etliche waren von der finanziellen Unterstützung des Staates ausgenommen. Aufgrund der bundesweiten Schließung der Bordelle und den daraus resultierenden finanziellen Nöten gerieten viele Betroffene in die Obdachlosigkeit und waren plötzlich mittellos. Nothilfefonds für Prostituierte gab es nur sehr wenige und nur ein Bruchteil von ihnen konnte Sozialhilfe beantragen. Um die eigene Existenz zu sichern, mussten sie sich erhöhter Risiken aussetzen, indem einige ihrer Tätigkeit illegal nachgingen und bei staatlichen Kontrollen mit hohen Bußgeldern belastet wurden. Die Gesetzeslockerung, die Prostituierten während der Pandemie erlaubte in Bordellen zu übernachten, bewertet TERRE DES FEMMES sehr kritisch, da es das bestehende Abhängigkeitsverhältnis der Betroffenen vom Bordellbetreiber zusätzlich verstärkt.
Die vergangenen vier Jahre belegen, dass das ProstSchG sein Ziel eindeutig verfehlt hat und seitens der Regierung nicht ausreichende Maßnahmen ergriffen wurden. Sexuelle Ausbeutung findet weiterhin tagtäglich statt. Für die Ursachenbekämpfung ist es deshalb unabdingbar, die Nachfrage nach käuflichem Sex zu reduzieren und den Sexkäufer durch die Einführung des Sexkaufverbots angemessen zur Verantwortung zu ziehen. Dies sieht auch das Nordische Modell vor, für dessen Implementierung sich TERRE DES FEMMES seit vielen Jahren nachdrücklich einsetzt. Die Entkriminalisierung von Prostituierten und ein breites Angebot an staatlich finanzierten Beratungs- und Ausstiegsprogrammen sind zwingend erforderlich, um Betroffene zu schützen und nachhaltig gegen sexuelle Ausbeutung vorzugehen.
Diesbezüglich gibt es positive Entwicklungen auf Bundesebene zu verzeichnen:
Kurz vor der parlamentarischen Sommerpause wurde im Bundestag eine Gesetzesverschärfung beschlossen, die vorsieht, dass Sexkäufer, die sexuelle Dienstleistungen trotz einer offensichtlichen Zwangslage der Prostituierten in Anspruch nehmen, mit einer Haftstrafe von bis zu drei Jahren belegt werden können.
Auch das Bundesfamilienministerium hat den dringenden Handlungsbedarf erkannt und im Januar 2021 der Förderung von Modellprojekten „zur Unterstützung des Umstiegs aus der Prostitution“ für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren zugesagt.
Dieses Modellvorhaben knüpft unter anderem an die Erkenntnis gem. BMFSFJ und Süddeutscher Zeitung an, dass laut Bundesländern und Fachberatungsstellen einige Prostituierte die erzwungene Auszeit in der Corona-Krise dazu nutzten, die bisher ausgeübte Tätigkeit kritisch zu hinterfragen und neuen beruflichen Wegen nun offener gegenüberstehen. Das Gesamtprojekt soll wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden und zu einer Verbesserung des Unterstützungsangebotes führen.
Stand 07/2021