Momentan verbreitet sich in den sozialen Medien die Nachricht über den sogenannten „Ehren“-Mord an der 21-jährigen Palästinenserin Israa Ghrayeb wie ein Lauffeuer – im Westjordanland protestierten hunderte von Menschen und forderten einen besseren Schutz für Frauen.
Der „Ehren“-Mord an Israa Ghrayeb
Berichten zufolge hatte die junge Bloggerin in den sozialen Medien einen Beitrag veröffentlicht, der sie und einen Mann zeigte, der schon bei ihren Eltern um ihre Hand angehalten hatte.
Der Post soll die männlichen Verwandten ihrer Familie sehr verärgert haben. Ihrer Ansicht nach hatte Israa die sogenannte Familienehre beschmutzt, da der Beitrag sie mit dem Mann zeigte, bevor die Verlobung offiziell bekannt gegeben wurde. Ein Bruder, der in Kanada lebt, soll sogar extra wegen des Vorfalls ins Westjordanland eingereist sein.
Anfang August dann stürzte Israa aus dem zweiten Stock des Fensters der Wohnung ihrer Eltern. Ihre Familie erklärte, dass sie selbst aus dem Fenster sprang, weil sie „von Dämonen besessen“ sei. Offenbar stürzte sie aber nach Misshandlungen durch ihren Bruder und anderer Familienmitglieder, vielleicht aber auch, weil sie auf der Flucht gewesen war.
Im Krankenhaus sollte Israa dann an der Wirbelsäule operiert werden. Dort wurde sie, zu hören auf einer in den sozialen Medien verbreiteten Tonaufnahme, erneut von ihren Verwandten gewalttätig angegriffen. Später ließen diese die junge Frau vorzeitig aus dem Krankenhaus entlassen und holten sie zu sich nach Hause, wo Israa dann am 22. August verstarb. Laut der Familie erlag sie einem Herzinfarkt. An dieser Version der Geschehnisse gibt es jedoch starke Zweifel seitens der DemonstrantInnen, die davon ausgehen, dass sie an ihren von ihren Verwandten zugefügten Verletzungen erlag.
Kein Einzelfall
Israas Geschichte ist leider keineswegs ein Einzelfall. In stark patriarchalisch strukturierten Familien und Gesellschaften hängt die sogenannte Ehre der gesamten Familie oft vom „richtigen“ Verhalten der Mädchen und Frauen ab. Verstoßen sie gegen diese tief verankerten Prinzipien, indem sie zum Beispiel außereheliche Beziehungen zu einem Mann eingehen, „beschmutzen“ sie nach diesem Verständnis die sogenannte Familienehre. Um die beschädigte bzw. verlorene "Ehre" wiederherzustellen, wird von den Familienmitgliedern nicht selten Gewalt bis hin zum Mord ausgeübt.
Im vergangenen Jahr sollen bereits 18 palästinensische Frauen Opfer von „Ehren“-Morden“ geworden sein. In der ganzen Welt würden laut UN mindestens 5.000 solchen Morden zum Opfer fallen. TERRE DES FEMMES geht aber von einer weitaus höheren Dunkelziffer aus, da die Täter die Morde häufig als Unfall oder Suizid tarnen oder die Opfer zum Suizid drängen. Die Polizei recherchiert in diesen Fällen häufig nicht weiter und wendet Gesetze, sofern überhaupt vorhanden, nicht immer zugunsten der Frauen an.
„Ehren“-Morde in Deutschland
Auch in Deutschland sind „Ehren“-Morde ein Thema. Da Morde in Deutschland nicht nach dem Motiv erfasst werden, gibt es diesbezüglich keine genaue Statistik. TERRE DES FEMMES sind 8 Fälle (inklusiver Versuche) aus dem Zeitraum von 2018 bis Februar 2019 in Deutschland bekannt.
Laut der Studie des Bundeskriminalamtes „Ehrenmorde in Deutschland 1996-2005“, erfasst die Justiz jährlich etwa 12 „Ehren“-Morde in Deutschland. Auch hier geht man von einer weitaus höheren Dunkelziffer aus, nicht zuletzt, weil viele Frauen für die Tat ins Ausland verschleppt werden.
TERRE DES FEMMES setzt sich seit vielen Jahren durch Präventions- und Aufklärungsarbeit gegen Gewalt im Namen der Ehre ein.
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Stand: 09/2019