In Memoriam Arzu Özmen: TERRE DES FEMMES erinnert am achten Todestag der 2011 bei einem "Ehren"-Mord Getöteten

Mahnwache anlässlich des Gerichtsverfahrens 2012. © TERRE DES FEMMES Mahnwache anlässlich des Gerichtsverfahrens 2012. © TERRE DES FEMMES Emily Ostermann hätte in diesem Jahr ihren 26. Geburtstag gefeiert. Doch Arzu Özmen musste mit 18 Jahren sterben, weil sie einen Freund hatte, der nicht wie sie aus dem jesidischen Kulturkreis kam und damit ein "Nichtgläubiger" war.

Emily Ostermann, das war der Namen den sich Arzu für ihr neues Leben, frei von Angst vor und Unterdrückung durch ihre Familie, ausgesucht hatte. Doch dann kam alles anders. Bei ihrer Arbeit lernte sie einen 23-jährigen, russlanddeutschen Mann kennen und verliebte sich in ihn. Ihre Familie drängte sie dazu, die Verbindung zu beenden, was Arzu aber nicht tat. Fortan musste Arzu unter Misshandlungen und Bedrohungen ihrer Familie leiden. Schließlich floh sie ins Frauenhaus und beantragte eine neue Identität. 

Eines Abend verließ sie das Frauenhaus, um ihren Freund zu besuchen. An einer Tankstelle wurden sie von einem ihrer Brüder erkannt, der die beiden zur Wohnung des Freundes verfolgte. Er beriet sich mit der Familie, welche beschloss, dass die fünf Geschwister Arzu aus der Wohnung entführen sollten. Nach der gewaltsamen Verschleppung verständigte Arzus Freund sogleich die Polizei, doch die junge Frau war nicht mehr auffindbar.

Erst mehr als zwei Monate nach ihrer Entführung wurde ihr Leichnam auf einem Golfplatz in Schleswig-Holstein entdeckt. Arzu Özmen war am 01. November 2011 mit zwei Kopfschüssen von ihrem Bruder, mithilfe ihrer anderen vier Geschwister und unter der Leitung des Vaters, regelrecht hingerichtet worden.

Was hat sich seither entwickelt?

Leider ist das Thema der sogenannten Ehrenmorde noch immer kein vergangenes. Sie sind Symptome patriarchalischer und traditionell strukturierter Familien und bei weitem keine Einzelfälle. In diesen Familien gilt oft als einzige Möglichkeit, die sogenannte Familienehre nach „Fehlverhalten“ eines weiblichen Familienmitgliedes wiederherzustellen, der Mord an ihr oder auch ihrem Partner.

Immer wieder gelangen solche Fälle an die Öffentlichkeit, derzeit steht ein solcher Fall beispielsweise in Salzgitter vor Gericht. Ein 33-jähriger Syrer ist angeklagt, den irakischen Lebensgefährten seiner Schwester erschossen zu haben, wohl weil er dessen christlichen Glauben nicht tolerierte und seine Schwester sich vom islamischen Glauben abwandte. Nach einer Zeit der Drohungen und Einschüchterungen gegenüber der Schwester und ihrem Freund, verließ die Schwester ihre Familie. Dann lauerte der Tatverdächtige dem Iraker auf und tötete ihn mit fünf Schüssen. Vorher soll er ankündigt haben, seine "Ehre" retten zu wollen.

Was wird gegen Gewalt im Namen der Ehre getan?

TERRE DES FEMMES hat es sich zur unermüdlichen Aufgabe gemacht, gegen „Ehren“-Morde anzugehen. Dies beinhaltet zum Beispiel Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Für uns als Frauenrechtsorganisation ist wichtig, dass das Schicksal von Menschen, die sterben mussten, weil sie ihre persönliche Freiheit suchten, nicht in Vergessenheit gerät. Deshalb erinnern wir stellvertretend für alle Opfer von Taten, die durch Ehrmotive angetrieben wurden, jedes Jahr an Hatun Sürücu, Morsal Obeidi und Arzu Özmen.

Als Erfolg der Arbeit ist zu werten, dass es im öffentlichen Bewusstsein angekommen ist, dass „Ehren“-Morde nicht fernab passieren, sondern mitten in unserer Gesellschaft und wir eine Verantwortung haben, diese anzuprangern und gegen sie, mit allen Mitteln unseres Rechtsstaates, anzugehen.

Doch noch immer muss viel getan werden. TERRE DES FEMMES wird sich auch in Zukunft weiterhin entschieden gegen Gewalt im Namen der Ehre einsetzen. Konkret gehen wir dazu beispielsweise ab Mitte November bis Ende 2020 in Baden-Württemberg an 20 Schulen, um mit dem Theaterstück „Mein Leben. Meine Liebe. Meine Ehre?“ einen Dialog unter den SchülerInnen über die Themen Gleichberechtigung und Zwangsverheiratung anzustoßen.

Ein weiteres Schulprojekt findet derzeit auch in Berlin statt. Im Rahmen des EU-Projektes Gender ABC sensibilisieren wir SchülerInnen u.a. für das Thema geschlechtsspezifische Gewalt (insbesondere Female Genital Mutilation FGM und Früh- und Zwangsverheiratung).

Stand: 10/2019