Foto: © auremar - fotolia.comAm 31.01.2014 endet das Projekt „Mädchen und Frauen vor Zwangsverheiratung schützen-Bildungschancen verbessern: Qualifizierung von Lehrkräften“. Im Zeitraum von einem Jahr führte TERRE DES FEMMES e.V. zehn Fortbildungen für Lehrkräfte, SchulsozialarbeiterInnen und MitarbeiterInnen von Behörden und Beratungsstellen zum Thema Zwangsheirat durch. Diese Fortbildungen wurden von der Kampagne „Mein Herz gehört mir“ begleitet, in dessen Rahmen Infostände, Workshops sowie Aufklärungsarbeit an Berliner Schulen stattfanden. Das Projekt wird durch den Europäischen Integrationsfond kofinanziert.
Hintergrund und Ziel des Projektes
Zwangsverheiratung ist eine Form von gravierender Gewalt und stellt eine schwere Menschenrechtsverletzung dar. Nach einer aktuellen Studie sind jährlich ca. 3440 Personen in Deutschland von Zwangsverheiratung bedroht oder betroffen, die Dunkelziffer wird auf ein Vielfaches höher geschätzt.
Gerade LehrerInnen und SchulsozialarbeiterInnen sind bei den zumeist 16-21-Jährigen Betroffenen erste und häufig auch einzige Ansprechpersonen, da die Schule oft der einzige Ort ist, wo sie nicht von der Familie kontrolliert werden.
Bei der täglichen Beratungsarbeit von TERRE DES FEMMES e. V. zeigt sich allerdings oft, dass Lehrkräfte und BehördenmitarbeiterInnen, die mit dem Thema Zwangsheirat konfrontiert werden, überfordert und verunsichert sind. Häufig wissen sie nicht, ob und wie sie handeln sollten und müssten. Dabei können fehlende Kenntnisse über die vorhandenen Hilfsangebote für die Betroffenen schwerwiegende Folgen haben.
Ziel des Projektes war es daher zum einen, den TeilnehmerInnen der Fortbildungen zu ermöglicht, Fälle von Zwangsheirat zu erkennen und bedarfsgerecht darauf zu reagieren. Zum anderen wurden im Rahmen der Kampagne: „Mein Herz gehört mir“ Berliner SchülerInnen direkt zum Thema Zwangsheirat aufgeklärt und ihnen konkrete Hilfe angeboten.
Fortbildungen zum Thema Zwangsheirat
Fortbildung zu Zwangsheirat im Rathaus Neukölln, Berlin.
Foto: © TERRE DES FEMMESAn zehn Terminen fanden die Fortbildungen zum Thema Zwangsheirat statt. TeilnehmerInnen kamen aus unterschiedlichen Berufsgruppen: Lehrkräfte, aber auch SchulsozialarbeiterInnen, BehördenmitarbeiterInnen und Fachkräfte aus Jugendeinrichtungen nahmen an den Veranstaltungen teil. Diese vielfältige Zusammensetzung wurde von den TeilnehmerInnen sehr positiv bewertet, da unterschiedlichste Erfahrungen und Sichtweisen ausgetauscht werden konnten.
Zusammen mit Papatya, der anonymen Kriseneinrichtung für Mädchen und junge Frauen mit Migrationshintergrund, und den HEROES, einem Projekt für junge Männer, die sich gegen Unterdrückung im Namen der Ehre einsetzen, realisierte TERRE DES FEMMES e.V. die Fortbildungen. Diese setzte sich aus zwei Blöcken zusammen, die jeweils an zwei Nachmittagen stattfanden. Der erste Block beschäftigte sich mit der Problematik Zwangsheirat/Gewalt im Namen der „Ehre“ auf der theoretischer Ebene, im zweiten Block wurde praxis- und lösungsorientiert zu der Thematik gearbeitet. Als Praxisbeispiele wurde die Arbeit von Papatya und den HEROES vorgestellt. Außerdem erarbeiteten die TeilnehmerInnen mithilfe von Rollenspielen und Praxisbeispielen mögliche Lösungsansätze und konkrete Hilfsangebote. Die TeilnehmerInnen bewerteten die Fortbildung als sehr positiv, besonders oft wurde angemerkt, dass die TeilnehmerInnen sich gut auf die Praxis vorbereitet fühlen und sie das Gefühl haben, das Gelernte im Notfall auch anwenden zu können. „Den 10-Punkte-Plan von Euch werde ich mir direkt über meinem Schreibtisch hängen, um im Notfall zu wissen, wie ich vorgehen kann“, gab eine Teilnehmerin Rückmeldung.
Kampagne „Mein Herz gehört mir“
Aufkleber/Postkarte zur Aktion 'Mein Herz gehört mir'.
© TERRE DES FEMMESNeben der Sensibilisierung von Lehrkräften und anderen Berufsgruppen, die mit potentiell Betroffenen in Kontakt kommen bzw. arbeiten, realisierte TERRE DES FEMMES e.V. die Kampagne „Mein Herz gehört mir“, eine Aktion gegen Zwangsheirat an Berliner Schulen. Ziel der Aktion war es, SchülerInnen für das Thema Zwangsverheiratung zu sensibilisieren und aufzuklären. Außerdem konnten sich Betroffene SchülerInnen über Hilfsangebote informieren und sich direkt beraten lassen.
Im Rahmen der Aktion wurden verschiedene Maßnahmen durchgeführt:
Aufklärungsarbeit in den Schulen: Infostände und Workshops
TERRE DES FEMMES-Infostand an einer Schule.
Foto: © TERRE DES FEMMESVertreterinnen von TERRE DES FEMMES gingen in Berliner Schulen und klärten SchülerInnen zu dem Thema Zwangsheirat auf. Dabei wurden Aufkleber und Armbänder mit dem Aufdruck „Mein Herz gehört mir“ verteilt. Besonders letztere stellten sich als besonders beliebt heraus: viele Schülerinnen und Schüler nahmen gleich mehrere Armbänder für ihre FreundInnen und Geschwister mit. Die Verteilung erfolgte zum einen, um anhand dieses niedrigschwelligen Angebotes mit den Jugendlichen ins Gespräch zu kommen und einen ersten Kontakt aufzubauen. Zum anderen wollten wir den Jugendlichen etwas „in die Hand geben“, was nachwirkt. Symbolisch steht das Armband für die Zustimmung zur selbstbestimmten Partnerwahl.
TERRE DES FEMMES e.V. führte außerdem Workshops mit SchülerInnengruppen durch und organisierten Infostände.
Von Zwangsheirat bedrohte oder betroffene SchülerInnen konnten durch die Aktionen an Berliner Schulen zum einen über Hilfsmöglichkeiten aufgeklärt werden, zum anderen durch die Solidarität der MitschülerInnen („auch die anderen tragen das Armband, sie sind auch gegen Zwangsheirat“) den Mut fassen, sich zur Wehr zu setzen und Hilfe zu holen.
Aktionspaket zum Thema „Zwangsheirat“
Das „Aktionspaket zum Thema Zwangsheirat“ wurde an Berliner Lehrkräfte und SchulsozialarbeiterInnen geschickt, welches Aufkleber, Armbänder und Poster mit dem Aufdruck „Mein Herz gehört mir“, sowie wichtige Tipps und Ideen zur Aufklärungs- und Präventionsarbeit innerhalb des Unterrichts enthielt.
Sprechstunden für Lehrkräfte und SchulsozialarbeiterInnen
Lehrkräfte und SchulsozialarbeiterInnen konnten sich bei TERRE DES FEMMES e. V. kostenlos in einer extra eingerichteten Sprechstunde beraten lassen. Die Beratung konnte auf Anfrage auch vor Ort stattfinden. Weiterhin wurde das Angebot einer kostenlosen Supervision eingerichtet.
Das sehr positive Feedback der TeilnehmerInnen an den Fortbildungen und Workshops, aber auch die positiven Reaktionen der SchülerInnen der besuchten Schulen zeigen, dass die Projektziele erreicht werden konnten. Gerade die Aufklärungsarbeit in den Schulen hat aber auch gezeigt, dass bezüglich des Themas Zwangsheirat nach wie vor ein sehr großer Handlungsbedarf besteht und auch weiterhin Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit dringend notwendig ist. TERRE DES FEMMES wird daher auch im Jahr 2014 einen Hauptschwerpunkt auf das Thema Zwangsheirat setzen und weiterhin Aufklärungsarbeit sowie konkrete Hilfestellung für Betroffene leisten.