Auch im Jahr 2012 hat TERRE DES FEMMES im Bereich Gewalt im Namen der Ehre/ Zwangsheirat viel bewegt und angestoßen. Erfolgreiche Projekte wurden fortgeführt.
Mit Unterstützung des Ministeriums für Integration Baden-Württemberg führt TERRE DES FEMMES die erfolgreiche Reihe von Workshops für MitarbeiterInnen unterschiedlicher Behörden in Baden-Württemberg zum Thema Zwangsverheiratung/ Gewalt im Namen der Ehre fort. Die insgesamt zehn Workshops dienen einerseits der Vernetzung zwischen den Behörden und andererseits der Vermittlung von Hintergrundinformationen, damit die Situation der Betroffenen besser erkannt, verstanden und eingeordnet werden kann. Im Mittelpunkt der Workshops stehen konkrete Handlungsempfehlungen und Informationen zum kulturellen Kontext von Zwangsverheiratung und Gewalt im Namen der Ehre.
Von Mai bis Oktober führt TERRE DES FEMMES in Kooperation mit Fatma Bläser von Hennamond e.V. zehn eintägige Fortbildungen in Hessen für Lehrkräfte durch. Die vom Europäischen Integrationsfond finanzierten Fortbildungen mit dem Titel „Zwangsheirat - ein Thema für die Schule! - Hintergründe und Handlungsmöglichkeiten für Lehrkräfte" zeigen Gestaltungsmöglichkeiten auf, wie Lehrkräfte das Thema präventiv im Unterricht behandeln und Warnsignale ihrer SchülerInnen erkennen und bedarfsgerecht reagieren können.
Am 11. Oktober geht das neue Jugendportal zwangsheirat.de von TERRE DES FEMMES online. Die Seite richtet sich an Mädchen und Jungen unter 21 Jahren, die von Zwangsheirat betroffen oder bedroht sind und Hilfe suchen. Auf der Seite gibt es einen Blog-Bereich, wo erstmals von Zwangsheirat Betroffene über ihre Erfahrungen und ihre aktuelle Situation berichten. Zwei junge Frauen und ein Paar schreiben darüber, welche große Hürde es war, sich von ihrer Familie zu trennen, und wie sie jetzt versuchen, ein normales Leben mit einer neuen Identität zu führen. Die Seite soll Jugendliche, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, Mut machen. Betroffene können sich auf der Seite direkt an die E-Mail- und Chatberatung wenden. Zusätzlich wird eine Beratungsstellen-Landkarte angeboten, wo sich Hilfesuchende über Beratungsstellen in ihrer Nähe informieren können. Unter Fragen und Antworten gibt es einen Fragen- und Antwortenkatalog zu den Themen Zwangsverheiratung, Gefühle und Sexualität/ Jungfräulichkeit.
AufklebermotivEbenfalls am 11. Oktober findet in den Nordischen Botschaften Berlins die feierliche Preisverleihung des Kreativwettbewerbs „Zeig uns Deine SUPERHELDIN!“ statt. Anfang Mai ruft TERRE DES FEMMES bundesweit Jugendliche im Alter von 14 bis 21 Jahren auf, ihre eigenen Vorstellungen von einer selbstbewussten und starken Frau auf Papier zu bringen und ihre persönliche Superheldin zu kreieren. Ziel ist es, Lehrkräfte und Jugendliche für das Tabuthema Zwangsverheiratung zu sensibilisieren und zum Austausch mit Gleichaltrigen zu animieren. Gewinnerin ist die 16-jährige Sarah Melz aus Heidelberg mit ihrem Motiv und Slogan „Mein Herz gehört mir!“. Das Gewinnermotiv wird als Aufkleber in einer Auflage von insgesamt 250.000 Stück gedruckt und deutschlandweit an 455 Schulen (Gesamt-, Berufs-, Real- und Hauptschulen) verteilt. Durch den Hinweis auf das Jugendportal auf dem Aufkleber sorgt TERRE DES FEMMES dafür, dass Betroffene und Bedrohte über niedrigschwellige Hilfsangebote informiert werden.
Mahnwache zum Prozessende vor dem Landgericht Detmold. Foto ©: Sirin Öztürk
Im November 2011 wurde die erst 18-jährige Jesidin Arzu Özmen von ihrem Bruder Osman ermordet. Im Mai dieses Jahres wird das Urteil verkündet. TERRE DES FEMMES begleitet den Prozess, twittert live von der Urteilsverkündung und stellt Forderungen nach besserem Datenschutz. Der Bruder Osman Özmen erhält eine lebenslängliche Haftstrafe. Die weiteren vier Geschwister werden wegen Beihilfe zum Mord und Geiselnahme verurteilt. Der Richter spricht von einem sogenannten Ehrenmord. Das Tatmotiv des Mordes ist die verletzte Ehre der Familie gewesen. Die Familie konnte nicht akzeptieren, dass die junge Kurdin einen deutschen Freund hatte. Am 28. Januar 2013 beginnt der Prozess gegen Arzu Özmens Vater.
Mahnwache zum 7. Todestag von Hatun SürücüDer 7. Februar, der Todestag von der im Namen der Ehre ermordeten Hatun Sürüçü, ist seit 2006 ein wichtiger Aktionstag für TERRE DES FEMMES, um die Erinnerung an diese mutige und starke Frau wachzuhalten und gleichzeitig auf die immer noch bestehende Unterdrückung von Frauen im Namen der Ehre aufmerksam zu machen. TERRE DES FEMMES zeigt in Kooperation mit der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, Frau Petra Koch-Knöbel, den Dokumentarfilm „Verlorene Ehre – Der Irrweg der Familie Sürücü“ mit anschließender Diskussion mit den Regisseuren Matthias Deiß und Jo Goll. Um ein Zeichen und die Erinnerung an Hatun Sürüçü wachzuhalten setzt sich TERRE DES FEMMES weiterhin für eine Straßenbenennung nach ihr ein.
Pinar Selek, eine Frauenrechtsaktivistin aus der Türkei, wird vorgeworfen, 1998 einen Bombenanschlag auf einen Basar in Istanbul im Auftrag der PKK verübt zu haben. Sie wurde mehrere Jahre von der türkischen Justiz verfolgt und bereits in drei Prozessen freigesprochen. Trotzdem entscheidet der Richter im November, das Verfahren gegen sie neu aufzurollen, obwohl dasselbe Gericht sie im Jahre 2011 von den Vorwürfen freigesprochen hat. Schon im Juni startet TERRE DES FEMMES eine Eilaktion und fordert einen unwiderruflichen Freispruch für Pinar Selek. Zur Unterstützung soll ein Protestbrief an den türkischen Botschafter in Deutschland gesendet werden. Am 13. Dezember 2012 vertagt das Gericht den Fall erneut auf den 24. Januar 2013.
TERRE DES FEMMES hat ihren umfangreichen Forderungskatalog zum Thema Gewalt im Namen der Ehre/ Zwangsverheiratung komplett überarbeitet und an die aktuelle politische Entwicklung angepasst. Er kann hier als PDF-Datei abgerufen werden. Außerdem wird die Unterrichtsmappe zum Thema Zwangsheirat für Lehrkräfte überarbeitet und aktualisiert und ab Ende Januar 2013 als PDF-Datei verfügbar sein.