Ereignisse aus dem Jahr 2019

EU-Projekt „Gender ABC“

Projektarbeit zu „Gewalt und Kommunikation“. Foto: © TERRE DES FEMMESProjektarbeit zu „Gewalt und Kommunikation“. Foto: © TERRE DES FEMMESDas EU-Projekt Gender ABC (Start: September 2018) ist ein übergreifendes Bildungsprojekt für Berliner Schulen zu den Themen Gleichberechtigung, Menschen- und Kinderrechte, geschlechtsspezifische Gewalt und schädigende Praktiken. Ziel des zweijährigen Bildungsprogramm ist es, SchülerInnen im Alter von 6 bis 18 Jahren zu diesen Themen zu sensibilisieren, aufzuklären und ein Umdenken anzuregen. Es sollen Wahrnehmungsveränderungen der SchülerInnen bezüglich geschlechtsspezifischer Vorurteile und stereotyper Rollenbilder erreicht werden. Weiterhin sollen die SchülerInnen lernen, sich selbst für ihre Rechte einzusetzen und sich zu schützen. TERRE DES FEMMES (TDF) geht dazu mit zwei erfahrenen Pädagoginnen in die Schulen und arbeitet mithilfe künstlerischer Methoden (Theaterpädagogik, Malerei etc.) gemeinsam mit den Klassen an den oben erwähnten Themen.

Seit August geht TDF an die Schulen, das erste Mal zu Gast in einer Sekundarschule ist Gender ABC am 11. und 12. September 2019. Dort werden zwei Projekttage umgesetzt, in deren Mittelpunkt das Thema „Gewalt und Kommunikation“ steht. Ziel der Projekteinheit ist es, mit den SchülerInnen ein Verständnis dafür zu entwickeln, wo Gewalt beginnt und welche Dimensionen sie umfasst. Außerdem soll gemeinsam überlegt werden, welche Faktoren für eine gelungene Kommunikation ausschlaggebend sind. Dieses Ziel wird zudem mit der Thematisierung von gewaltfördernden Geschlechterstereotypen und Vorstellungen von Männlichkeit verknüpft.

Schulungen für Lehrkräfte und SchulsozialarbeiterInnen im Rahmen des EU-Projekts Gender ABC. Foto: © TERRE DES FEMMESSchulungen für Lehrkräfte und SchulsozialarbeiterInnen im Rahmen des EU-Projekts Gender ABC. Foto: © TERRE DES FEMMESIm Herbst 2019 finden zudem Schulungen für Lehrkräfte und SchulsozialarbeiterInnen in der TDF-Bundesgeschäftsstelle statt. Das Thema ist geschlechtsspezifische Gewalt, wobei die  Schwerpunkte auf die Themen Gewalt im Namen der Ehre, insbesondere Zwangs- und Frühverheiratung, sowie weibliche Genitalverstümmelung (female genital mutilation – FGM) gelegt werden.

Sowohl die Schulungen der Lehrkräfte und SchulsozialarbeiterInnen als auch die Arbeit in verschiedenen Berliner Schulen zeigen, wie bedeutsam und notwendig Projekte wie das Gender ABC sind.

Gedenkveranstaltung für Hatun Sürücü

Gedenken an Hatun Sürücü am Gedenkstein in Berlin-Tempelhof. Foto: © TERRE DES FEMMESGedenken an Hatun Sürücü am Gedenkstein in Berlin-Tempelhof. Foto: © TERRE DES FEMMESAm 7. Februar jährt sich der Todestag von Hatun Sürücü, die am 7. Februar 2005 von ihrem eigenen Bruder erschossen wurde, zum 14. Mal. Zu diesem Anlass lädt die Bürgermeisterin des Bezirks Tempelhof-Schöneberg, Angelika Schöttler (SPD), zu einer Gedenkveranstaltung mit Kranzniederlegung am Tatort in der Oberlandstraße ein.

Über 50 TeilnehmerInnen aus Politik, Projekten, Presse und der interessierten Öffentlichkeit erinnern an die mutige junge Frau. Sie wurde zu einer Symbolfigur für alle Mädchen und Frauen, die an patriarchaler Gewalt im Namen der Ehre und Unterdrückung aufgrund überholter Geschlechterrollen leiden. Vertreterinnen von TERRE DES FEMMES, darunter Vorstandsfrau Dr. Necla Kelek, machen auf die Verbreitung von „Ehren“-Morden anhand von Gedenkschildern aufmerksam. TDF veröffentlicht zudem die Ergebnisse einer Internetrecherche, wonach es 2018 deutschlandweit acht Mord(versuchs)fälle mit explizitem Ehrmotiv gab.

Schultheaterprojekt „Mein Leben. Meine Liebe. Meine Ehre“

Merjem Basar, Tobias Gerstner und Canan Kir vor den SchülerInnen der Philipp-Matthäus-Hahn Schule in Balingen. Foto: © TERRE DES FEMMESMerjem Basar, Tobias Gerstner und Canan Kir vor den SchülerInnen der Philipp-Matthäus-Hahn Schule in Balingen. Foto: © TERRE DES FEMMESDurch eine Förderung des Ministeriums für Soziales und Integration Baden-Württemberg können bis Ende 2020 erneut 20 kostenfreie Aufführungen des Stücks „Mein Leben. Meine Liebe. Meine Ehre?“ in Schulen stattfinden. Bereits 2014 und 2015 wurde das Theaterstück an 30 Schulen in Baden-Württemberg mit großem Erfolg gezeigt. Die ersten zehn Aufführungen finden im Zeitraum November 2019 bis Mitte Februar 2020 statt. Ende November startet das Projektteam mit der ersten Aufführung in der Philipp-Matthäus-Hahn-Schule in Balingen. TDF realisiert das Theaterprojekt zusammen mit der mobilen Theaterbühne „Mensch: Theater!“ und der Beratungsstelle YASEMIN aus Stuttgart.

Bereits während des eigentlichen Stücks wird über die einzelnen Szenen zum Teil heftig diskutiert. Im Anschluss werden einzelne Fragen vertieft in Workshops mit den SchülerInnen reflektiert und besprochen - manche Gruppen spielen die Szenen nach.

„Was mir gut gefallen hat, dass es um die Ehre und den Stolz einer Frau geht“, meint z.B. eine Schülerin nach der Aufführung. „Ich finde, wir sollten weiter im Unterricht darüber sprechen, dass die Ehre einer Frau anders bewertet wird, als die eines Mannes.“

Frühehen: Bundesweite Abfrage bei zuständigen Behörden

Frühehen rauben die Kindheit und haben lebenslange negative Folgen für die Betroffenen. Foto: © gabipott/photocaseFrühehen rauben die Kindheit und haben lebenslange negative Folgen für die Betroffenen.
Foto: © gabipott/photocase
Wie im Vorjahr führt das Referat im Sommer (Juni – August) eine Umfrage durch, wie viele Eheaufhebungen es seit Inkrafttreten des „Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen“ im Juli 2017 gab, und veröffentlich dazu eine Pressemitteilung. Das Ergebnis: Insgesamt wurden seit Inkrafttreten des Gesetzes im Juli 2017 813 Fälle von Ehen mit Minderjährigen gemeldet, jedoch wurde bisher nur in 10 Fällen eine Ehe aufgehoben. In den meisten Bundesländern werden keine Statistiken erhoben oder bearbeitete Fälle zentral registriert, daher ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Für viele MitarbeiterInnen von Behörden scheinen außerdem Verfahrenswege unklar zu sein, die Vorgehensweise ist sehr unterschiedlich.

TDF beginnt im November 2019 mit den Vorbereitungen eines Fachtags „Zwei Jahre Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen“, der eine erste Evaluierung des Gesetzes vornehmen sowie Fachkräften eine Austauschplattform bieten soll. Dieser Fachtag, der für den 16. März 2020 im Roten Rathaus Berlin geplant ist, wird aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt werden.

Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu einer Vorlage des Bundesgerichtshofs, ob die pauschale Nichtigkeit von Eheschließungen unter 16 Jahren verfassungswidrig ist, wird 2019 nicht getroffen. Es ist damit zu rechnen, dass diese Entscheidung im ersten Halbjahr 2020 getroffen wird.

Lobby- und Pressearbeit

Der Berliner Arbeitskreis gegen Zwangsverheiratung, in dem TDF Mitglied ist, hat im Vorfeld der Sommerferien wieder einen Infobrief an die Schulen verschickt und auf die Gefahr einer Ferienverheiratung hingewiesen. Daraufhin gibt es verstärkte Presseanfragen an TDF.

TDF-Referentin Myria Böhmecke nimmt im August als Expertin an einer Anhörung im Abgeordnetenhaus Berlin zur Prävention von Zwangsverheiratung teil und führt im Nachhinein viele Lobbygespräche dazu.