Foto: © TERRE DES FEMMES
Am 20.10.2019 haben Désirée Birri und Laureen Hinz vom CONNECT-Team die Patinnen des gleichnamigen Integrationsprojektes in die TERRE DES FEMMES-Geschäftsstelle eingeladen. Die Schulung zum Thema „Traumasensibler Umgang mit geflüchteten Frauen“ wurde von Cathy Kopp, Sozialpädagogin und selbst CONNECT-Patin, durchgeführt.
„Der Begriff Trauma (griech.: Wunde) lässt sich bildhaft als eine ‚seelische Verletzung‘ verstehen, zu der es bei einer Überforderung der psychischen Schutzmechanismen durch ein traumatisierendes Erlebnis kommen kann.“ So definiert die Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie den Begriff.
Nicht jedes traumatische Erlebnis verursacht eine Traumatisierung. Traumatogene Reaktionen nach dem Ereignis sind zunächst als normale Reaktion auf ein anormales Erlebnis zu sehen. Bewältigungsmöglichkeiten werden unter anderem beeinflusst durch den Traumatypen, das Alter, die aktuelle Lebenssituation, die Resilienz, das Umfeld und die potenzielle zeitnahe Hilfe. Ein Drittel der Betroffenen integriert das Trauma ins Leben, kann also (gut) damit leben. Weitere 33 Prozent brauchen Unterstützung in Form von FreundInnen und Verwandten; ein Drittel benötigt psychologische Unterstützung.
Tipps für die Patenschaft
Foto: © TERRE DES FEMMESNachdem Trauma-Ursachen im Herkunftsland, auf dem Fluchtweg, aber auch im Aufnahmeland erörtert wurden, ging es vor allem um die Fragen: Was kann ich als Patin tun? Wie kann ich meine Tandempartnerin bei Symptomen unterstützen? Wie lassen sich traumatische Erfahrungen vermeiden?
Wenn die Tandempartnerin von Schlafstörungen berichtet, kann man gezielt nachfragen: „Wann hast du das letzte Mal gut geschlafen? Was hast du an diesem Tag gemacht?“ Damit die Beziehung auf Augenhöhe bleibt, kann die Patin auch von ihren Einschlaftipps berichten: „Mir hilft es, wenn ich...“ Ob Entspannungsübungen, Bewegung an der frischen Luft oder auch Hilfsmittel wie Schlafbrille, Ohrstöpsel, Lavendelöl oder Hopfentee, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Bei einer ärztlichen Behandlung kann die Patin ihre Tandempartnerin zum Termin begleiten und zum Verständnis beitragen, wenn sie beispielsweise die Einnahme von Medikamenten erklärt. Insgesamt hilft es, Dinge in den richtigen Rahmen zu rücken, indem man zum Beispiel die hiesige Gesellschaft, ihre Regeln und Einrichtungen erklärt und dadurch (unbegründete) Ängste nimmt. Auf diese Weise kann Sicherheit vermittelt werden: Was ist die Rolle der Polizei? Was sind die Aufgaben der Security in den Unterkünften? Welche Rechte habe ich in Deutschland?
Sollte die Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) noch bevorstehen, ist die Vorbereitung darauf essenziell. So können Risikofaktoren wie Stress und Retraumatisierung bei der Anhörung minimiert werden. Eine Anhörungsvorbereitung bietet unter anderem die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Berlin-Mitte. Diese können Patin und Tandempartnerin gemeinsam aufsuchen. Es ist gut zu wissen, dass man verlangen kann, dass eine Person gleichen Geschlechts die Anhörung durchführt und dolmetscht. Auch gibt es sogenannte Sonderbeauftragte. Das sind speziell geschulte EntscheiderInnen, die für Anhörungsverfahren bei besonders schutzbedürftigen Personengruppen eingesetzt werden. Dazu gehören unbegleitete Minderjährige, Folteropfer, traumatisierte Personen und geschlechtsspezifisch Verfolgte sowie Opfer von Menschenhandel.
Ablenkung durch Reizeinflüsse, wie lautes Klatschen, Düfte oder das Essen von Scharfem wie Chilischoten, kann bei einer Panikattacke helfen. Ein Raumwechsel kann ebenfalls hilfreich sein, um die Person ins Hier und Jetzt zurückzuholen. Aber auch Tatsachen („Du bist in Deutschland. Du bist in Berlin.“) und Fragen („Was hörst du? Was siehst du?“) lassen sich hierfür nutzen.
Bei Antriebslosigkeit oder häufigen Absagen von Treffen ist es hilfreich, die Tandempartnerin zu Hause abzuholen und gemeinsam nach Ressourcen zu suchen. Was mag sie? Was macht sie gerne? Was tut ihr gut?
Mit Embodiment ist die Wechselwirkung zwischen Körper und Psyche gemeint. Entsprechende Übungen bringen Körper, Gefühle und Gedanken in hilfreiche Bewegung, mit dem Ziel, Belastung und Trauma und die Erinnerung daran abzuschütteln. Die Übungen funktionieren mit einem abwechselnden Rechts-Links-Muster. Das wird als bilaterales Stimulieren bezeichnet, was sich bei der Traumabehandlung bewährt hat. Dadurch soll im Gehirn wieder ein geordneter Rhythmus entstehen. Die Übungen können gemeinsam gemacht oder der Tandempartnerin gezeigt werden.
Grenzen definieren und wahren
Foto: © TERRE DES FEMMES Dennoch: Als Patin kann man da sein, unterstützend wirkend, aber die Aktion muss von der Tandempartnerin ausgehen. Geduld und Zutrauen sind wichtig, damit die Tandempartnerin ihre eigene Wirksamkeit erfahren kann. Hilfe zur Selbsthilfe sollte die Maxime sein. Es gibt außerdem Symptome wie Suchtverhalten, für die eine professionelle (Drogen-)Beratung unausweichlich ist.
Zu guter Letzt ging es in der Schulung deshalb um persönliche Grenzen in der Begleitung von traumatisierten Frauen. Die Grenzen sollte die Patin möglichst vor Beginn der Patenschaft definieren, damit sie eine klare Haltung hat. Aufgaben benennen und einen zeitlichen Rahmen für die Patenschaft setzen, helfen ebenfalls, die eigene Gesundheit zu wahren und so langfristig unterstützend wirken zu können. Denn nur wem es selbst gut geht, kann anderen helfen.
Stand: 11/2019