Upskirting: Legale Übergriffe auf Frauen in Deutschland

Foto: © Tarzhanova - Depositphotos.comFoto: © Tarzhanova - Depositphotos.comDer Juni 2019 war der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Kein Wunder, dass Frauen bei der Hitze lieber Kleid und Rock statt langer Hose tragen. Doch manch einer nutzt das schamlos aus. Auf dem Konzert, im Supermarkt, auf der Rolltreppe oder in der Bahn. Im Zeitalter der Smartphones kann es jeder Frau jederzeit passieren, ohne dass sie es bemerkt: Upskirting.

Darunter versteht man das heimliche und voyeuristische Fotografieren oder Filmen unter den Rock oder das Kleid einer Person. Betroffene sind dabei meistens Frauen. Die sogenannten „Upskirts“ landen schnell im Internet, auf Pornoseiten oder anderen Plattformen und werden dort weiterverbreitet. Auf vielen dieser Fotos und Videos sind die Betroffenen identifizierbar. Das Gegenstück zum Upskirting nennt sich Downblousing, also das heimliche Fotografieren und Filmen in den Ausschnitt.

In Deutschland handelt es sich dabei um legale Übergriffe auf Frauen in der Öffentlichkeit! TERRE DES FEMMES – Menschenrechte für die Frau e.V. fragt: Wie kann das sein?

Keine Straftat in Deutschland

Tatsächlich ist Upskirting in Deutschland nach derzeitiger Rechtslage keine Straftat, sondern lediglich eine Ordnungswidrigkeit – aber auch nur dann, wenn sich Dritte dadurch belästigt fühlen. Die Belästigung der Betroffenen selbst ist dabei unerheblich!

Der Täter macht sich erst durch die Verbreitung der Aufnahmen strafbar oder wenn die Aufnahmen in privaten und geschlossenen Räumen gemacht werden (bspw. in der eigenen Wohnung oder einer Umkleidekabine). Für den öffentlichen Raum gibt es keine Regelung. Durch den fehlenden Straftatbestand ist es dem Opfer nicht einmal möglich, die Tat bei der Polizei zu melden – auch nicht als sexuelle Belästigung, denn dafür müsste der Täter die Betroffene körperlich berühren.

Die Rechtslage in Deutschland ist unübersichtlich und absolut unzulänglich.

In England sieht das seit diesem Jahr anders aus. Dort wurde im Frühjahr ein Gesetz verabschiedet, nach dem Upskirting-Tätern bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe, sowie die Registrierung als Sexualstraftäter droht. Auslöser hierfür war die Kampagne einer jungen Engländerin, welche selbst Betroffene von Upskirting geworden war.

Auch in Frankreich, Belgien, Finnland, Schottland, Australien, Neuseeland, Indien und Teilen der USA wird diese Form der Übergriffigkeit längst bestraft. Es wird Zeit, dass Deutschland endlich nachzieht!

Sexuelle Belästigung und digitale Gewalt gegen Frauen

Dieser Meinung ist auch der Deutsche Juristinnenbund e.V., dessen Präsidentin Prof. Dr. Maria Wersig betont: „Diese Fotos sind nur die Spitze des Eisbergs.“ Da die Aufnahmen oft über das Internet weiterverbreitet werden, handelt es sich nicht nur um sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum, sondern auch um digitale Gewalt gegen Frauen, erklärt Prof. Dr. Wersig und ergänzt: „Die Debatte ist überfällig!“

Upskirting greift massiv in das Persönlichkeitsrecht und in die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers ein, verletzt die Menschenwürde der Betroffenen und ist eine eindeutige Form der sexualisierten Gewalt

Es ist die Aufgabe des deutschen Gesetzgebers Upskirting und andere Formen des Spannens, sowie der sexualisierten Ausbeutung und Belästigung von Frauen unter Strafe zu stellen und den Schutz von Frauen zu gewährleisten.

„Betroffene haben ein Recht auf Schutz“ – Deutsche Kinderhilfe

Auch viele junge Mädchen sind von Upskirting betroffen. Nach Auffassung der Deutschen Kinderhilfe – Die ständige Kindervertretung e.V. müssen Minderjährige umfassend über ihre Persönlichkeitsrechte und körperliche Selbstbestimmung aufgeklärt werden. Mädchen sollen lernen, dass sie selbst über ihren Körper bestimmen können und sie niemand ungefragt berühren oder Fotoaufnahmen von ihnen erstellen darf. Daran knüpft sich der adäquate Umgang mit Vorfällen von Upskirting an. Beschwerden von Betroffenen müssen ernst genommen und ein solches Verhalten sanktioniert werden. Die heimliche Aufnahme des Intimbereichs ist ein massiver Eingriff in die Privatsphäre, der einfach nur demütigend ist. Upskirting zu bagatellisieren oder die Schuld gar den Betroffenen zuzuweisen, nimmt ihnen ihre Würde und ist völlig inakzeptabel. Eine solche Reaktion verstärkt das Gefühl der Hilflosigkeit des Mädchens und stuft das Verhalten des Täters als legitim ein. Dabei haben Betroffene ein Recht auf Schutz vor jeder Art von sexuellen Übergriffen.
„Es muss deutlich werden, dass es sich bei Upskirting auf keinen Fall um einen Kavaliersdelikt handelt. Als erster wichtiger Schritt sollte Upskirting daher als neuer Straftatbestand eingeführt werden“, fordert Rainer Becker, Vorstandsvorsitzender der ständigen Kindervertretung.  

Petition „Verbietet #Upskirting in Deutschland!“

Bisher wird sexuelle Belästigung in Deutschland immer noch nicht ernst genug genommen – politisch, gesellschaftlich und juristisch.

Das wollten Hanna Seidel (selbst Betroffene von Upskirting) und Ida Marie Sassenberg nicht länger hinnehmen. Die zwei Frauen aus München haben im Frühjahr auf change.org die Petition „Verbietet #Upskirting in Deutschland!“ gestartet und bereits über 80.000 Unterschriften gesammelt! Ihr Ziel: Upskirting soll landesweit strafbar sein.

TERRE DES FEMMES unterstützt die Forderungen dieser starken Frauen und bedankt sich für ihr Engagement und ihren Einsatz!

Auch die Bundesländer Bayern, NRW, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein unterstützen mittlerweile die Petition und sprechen sich offen gegen Upskirting aus. Ein entsprechender Gesetzesentwurf für die Bundesratsinitiative ist in Arbeit.

„Wir leben in einem freien Land und bei uns muss sich Frau nicht überlegen müssen, was Sie anzieht um bestimmten Formen sexueller Belästigung nicht ausgesetzt zu sein!“ so Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf (CDU), nach seinem Treffen mit den Initiatorinnen der Petition vergangene Woche.

Der politische Rückenwind lässt hoffen, dass konkrete Taten und Änderungen folgen!

Was könnt ihr gegen Upskirting unternehmen?

Setzt die Regierung weiter unter Druck und unterstütz die Petition auf change.org!

Seid aufmerksam und zeigt Zivilcourage!

Upskirting erfolgt in öffentlichen Räumen, wie zum Beispiel in der Bahn oder im Supermarkt. Da es jedoch heimlich gemacht wird, bekommen die betroffenen Frauen meistens gar nicht mit, was da gerade passiert. Wenn ihr bemerkt, dass jemand einer Frau ungefragt unter den Rock fotografiert, dann helft der Betroffenen und sprecht den Täter direkt darauf an. Fordert, dass die Fotos oder Videos sofort gelöscht werden! Frauen müssen zusammenhalten.

TERRE DES FEMMES begrüßt die öffentliche Diskussion dieses wichtigen Themas und fordert das Justizministerium dazu auf, endlich aktiv zu werden und sich klar zu positionieren.

Wir fordern:

NEIN zu sexueller Belästigung!

NEIN zu sexualisierter Gewalt!

NEIN zu Upskirting!

 

Stand: 08/2019