„Einmal mehr sind es nun vor allem die Afghaninnen, die die Folgen dieser gedankenlosen internationalen Politik ausbaden müssen.“ – Persönliche Rezension des Buches: „Die Afghaninnen: Spielball der Politik“ von Shikiba Babori

Shikiba Babori und Jana stehen zusammen für ein FotoTDF-Praktikantin Jana traf Shikiba Babori auf der Afghanistan-Konferenz der Alice-Schwarzer-Stiftung in der französischen Botschaft am 26. September 2022; © TERRE DES FEMMES.Mein Name ist Jana. Ich bin seit September 2022 Praktikantin im Referat für Internationale Zusammenarbeit bei TERRE DES FEMMES und habe das im Juli 2022 erschienene Buch „Die Afghaninnen: Spielball der Politik“ gelesen…

In dem Buch schildert die Autorin und Journalistin Shikiba Babori die jüngsten politischen Ereignisse in Afghanistan und thematisiert dabei die Rolle der Frauen in unterschiedlichen Lebensbereichen. Um diese einordnen zu können, wirft Babori zuerst ein Blick auf die afghanische Geschichte. Dabei wird deutlich, dass es neben vielen dunklen Jahren für die Frauenrechte auch einige liberale Phasen gab. So konnten afghanische Frauen unter der Herrschaft von Zahir Shah 1949 erstmals wählen. Unter sowjetischer Besatzung Ende der siebziger Jahre kam es trotz berechtigter Kritik an der „Fremdherrschaft“ zu staatlich geförderten Emanzipationsbewegungen.

Nach den „unerträglichsten Jahren“ zwischen 1992 und 2001 wurden die Entwicklungen ab 2001 international überwiegend als positiv, wenn nicht gar progressiv beschrieben. Babori betont in ihren Ausführungen aber, dass die Stärkung und Geltendmachung eigener Rechte, wie auch schon unter sowjetischer Besatzung, hauptsächlich Frauen in Großstädten vorbehalten waren. Denn urbane Zentren waren die Orte, an denen die internationale Gemeinschaft ihre Erfolge präsentieren konnte: Frauen, die ohne Burkas auf die Straßen gingen, Frauen, die die Universität besuchten oder als Richterinnen arbeiteten. Wie Wikileaks-Veröffentlichungen zeigen, wurden vor allem afghanische Frauen als Legitimation für den militärischen Einsatz der NATO in Afghanistan herangezogen, auch um z.B. europäische Partner ins Boot zu holen.

Babori geht in ihrem Buch ausführlich auf die rechtliche Situation von Frauen in Afghanistan ein. Diese orientierte sich in den meisten Phasen am islamischen Recht der Schari’a, traditionelle Stammesgesetze spielten aber auch immer eine große Rolle. Nur selten entsprachen die Rechte, die Frauen zugestanden wurden, international verbrieften Menschenrechten. Vielmehr waren sie daran ausgerichtet, was Männern vorteilhaft erschien.

Ein Aspekt, der mich besonders schockiert hat, war, dass Frauen im öffentlichen Leben keine eigenständige Identität zugestanden wird. In dem Kapitel „Als Mädchen in Afghanistan geboren – Gewalt bestimmt das tägliche Leben“ erklärt Babori, dass Neugeborene in der sechsten Nacht nach der Geburt ihren Namen erhalten, viele diesen jedoch nur bis zur Pubertät behalten dürfen. Danach bekommen sie einen Ersatznamen, mit dem sie anschließend innerhalb der Familie angesprochen werden. Außerhalb der Familie werden Frauen namentlich nicht eigenständig adressiert, sondern ausschließlich über ihre Beziehung zu Männern: so werden sie von der Tochter ihres Vaters oder der Schwester ihres Bruders zur Frau ihres Ehemannes und später zur Mutter ihres Sohnes. 2017 starteten Frauenrechtsaktivistinnen die wichtige Initiative #whereismyname - diese forderte, die Namen von Frauen in Afghanistan öffentlich zu verwenden -, bislang aber ohne Folgen für die Praxis.

Würde ich persönlich empfehlen, das Buch zu lesen? Auf jeden Fall! Die Reise durch die afghanische Geschichte und deren Bedeutung für Frauen bietet einen spannendenden, oft aber auch schockierenden Einblick, wie afghanische Frauen für die politischen Interessen der jeweiligen Machthaber im Land instrumentalisiert wurden. Die vielen persönlichen Kontakte und Erfahrungen, auf die die Autorin sich beziehen kann, schaffen eine greifbare Vorstellung der Lebensumstände vieler Afghaninnen. Lediglich die Kritik am NATO-Einsatz bleibt etwas pauschal und hätte für meinen Geschmack noch konkreter werden können.