Strahlende Babyaugen blicken den hoffnungsvollen BetrachterInnen des Programms der „Kinderwunsch Tage“ entgegen und werben so für reproduktionsmedizinische Angebote. Auf der Homepage der Veranstaltung, die am 8. und 9. Oktober zum wiederholten Mal in Köln stattfindet, können sich Wunscheltern über die verschiedenen Optionen des Elternwerdens informieren, angelockt von perfekt inszenierten Familienbildern und einem Seminarangebot, das es in sich hat. [1]
Zwischen Information und Illegalität
Ein Baby um jeden Preis?! Nach diesem Motto scheint das Messeangebot der „Kinderwunsch Tage“ zusammengestellt worden sein und es spiegelt zugleich vermutlich die Überlegungen einiger Paare wider, bei denen es auf natürlichem Weg mit dem Nachwuchs nicht klappen will und die sich ermutigt von dem Versprechen des Veranstalters aus Großbritannien auf den Weg nach Köln machen, um sich umfangreich über die neuesten reproduktionsmedizinischen Errungenschaften informieren zu lassen – auch über Angebote, die in Deutschland illegal sind.
Nach außen hin bemüht sich die Messe um einen wissenschaftlichen Charakter und ein umfassendes Seminarangebot, bei dem ExpertInnen unter anderem zu Forschungsfortschritten der Krankheitsbilder Endometriose, PCOS und männlicher Unfruchtbarkeit zu Wort kommen. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch schnell deutlich, dass sich mehr als die Hälfte der geplanten Vorträge den Themen Leihmutterschaft und Eizellspende widmet. Denn auf der Messe präsentieren sich zahlreiche ausländische Kliniken, die hierzulande illegale Portfolios im Angebot haben und die „Kinderwunsch Tage“ in Deutschland als Werbeveranstaltung in eigener Sache nutzen – sachliche Informationen können BesucherInnen also nicht unbedingt erwarten. [2] Die deutsche Fruchtbarkeitsindustrie weiß davon und auch die Politik und die Justiz können die Augen vor den auffälligen Werbeaktionen der Messe nicht verschließen, schauen jedoch scheinbar lieber weg als denjenigen im Weg zu stehen, die eine Leihmutterschaft vermarkten, durchführen oder in Anspruch nehmen wollen. [3]
Aktuelle Lage in Deutschland
Das vertraglich vereinbarte Austragen von Kindern für Dritte ist in Deutschland und in vielen anderen europäischen Ländern verboten. Das Verbot bezieht sich auf die ärztliche Leistung, eine durch In-vitro-Fertilisation befruchtete Eizelle in die Gebärmutter einer anderen Frau zu implantieren und ist im Embryonenschutzgesetz verankert. Zudem ist in Deutschland die Eizellspende verboten, sowie nach dem Adoptionsvermittlungsgesetz auch die Vermittlung einer Leihmutter. So ist derzeit rechtlich immer diejenige Frau die Mutter, die das Kind ausgetragen hat, auch wenn es durch eine Eizellspende entstanden sein sollte. Diese Regelung wurde vom Gesetzgeber damit begründet, dass es in Deutschland - im Interesse des Kindes - keine gespaltene Mutterschaft geben soll.
Mit der neuen Ampel-Bundesregierung wurden zunehmend gesellschaftliche Forderungen und politische Bestrebungen lauter, die Gesetzeslage in Deutschland hinsichtlich der möglichen Legalisierung von altruistischer Leihmutterschaft und Eizellspende zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Bereits im Koalitionsvertrag wurde festgehalten, eine Kommission einzusetzen, die unter anderem diese Regelungen im Bereich der reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin prüfen soll. Es gibt politische Stimmen im Bundestag, die eine Überarbeitung des Embryonenschutzgesetzes und die Legalisierung der nicht-kommerziellen Leihmutterschaft in Deutschland befürworten. Oft wird hier der Vergleich zur Legalität der Organspende gezogen, außerdem geht es den FürsprecherInnen zufolge auch um eine Anpassung an die gesellschaftliche Realität. [4]
Im Fokus der Debatte steht dabei auch das fluorierende Auslandsgeschäft auf dem internationalen Markt für Leihmutterschaft, der somit zumindest nicht mehr von deutschen Paaren bedient werden würde. Denn als positive Konsequenz einer Legalisierung in Deutschland, wird der daraus folgende Schutz ausländischer Frauen angeführt, die ihre reproduktiven Fähigkeiten aus finanziellen Notlagen heraus anbieten und die durch die aktuelle Kommerzialisierung der Leihmutterschaft auf dem internationalen Markt ausgenutzt und gefährdet werden.
Was bei dieser Argumentation oft vergessen wird, ist, dass neben der kommerziellen Leihmutterschaft auch die scheinbar vertretbare Legalisierung der Leihmutterschaft aus „Nächstenliebe“ weitreichende negative Folgen hat.
Denn:
· Sowohl bei der altruistischen wie auch der kommerziellen Leihmutterschaft, wird das Kind zum Gegenstand eines Vertrags gemacht
· Die austragende Mutter wird zu einer “Miet-Gebärmutter“ degradiert, darum verwendet TERRE DES FEMMES unter anderem auch den Begriff „Mietmutter“
· Der Körper der Leihmutter wird zu einem Gegenstand von Ausbeutung für die Bedürfnisse anderer
· Es handelt sich um eine Form von Kinderhandel
· Aufgrund ungleicher Machtverhältnisse und sozialem Druck bleibt fraglich, inwieweit auch bei der altruistischen Leihmutterschaft von einer freien Entscheidung gesprochen werden kann
· Das Austragen eines Kindes mit fremdem genetischem Material ist mit höheren gesundheitlichen Risiken verbunden, wie häufigere Frühgeburten und
Geburtskomplikationen
· Leihmütter tragen die Risiken von Schwangerschaft und Geburt allein
Internationale Lage
Ein Blick auf das boomende internationale Geschäft mit Leihmüttern zeigt deutlich, unter welchen Umständen Frauen eine Leihmutterschaft durchführen und wer die Verliererinnen dieses vermeintlichen Fortschritts der Reproduktionsmöglichkeiten sind.
Für viele westliche Paare führt der Kinderwunsch nach Südafrika, Georgien, Griechenland oder in die Ukraine. Die Umsätze des medizinischen Angebots wachsen dort stetig, in diesen Ländern gibt es genügend Frauen, die sich aus finanzieller Not auf die Ausbeutung als Mietmutter einlassen und dabei ihre eigene Gesundheit gefährden. Auch Russland und die USA sind weitere beliebte Länder für Leihmutterschaften. [5] Allerdings sind die Kosten der Dienstleistung hier mehr als doppelt so hoch verglichen mit dem Angebot von 40.000 bis 70.000 Euro in der Ukraine, wo die Leihmutter zudem keine Möglichkeit hat das Kind zu behalten. Für Bestelleltern aus Europa war die Ukraine geografisch außerdem bislang gut zu erreichen, die Gesetze sind sehr liberal und es gibt nur eine geringe staatliche Überwachung. Rund ein Viertel der weltweiten kommerziellen Leihmutter-Industrie entfällt auf die Ukraine, etwa 2000 Kinder werden dort jährlich von Leihmüttern geboren.
Erst Corona dann der Krieg – Leihmütter in der Ukraine sind besonders betroffen
Katastrophen wie die Corona-Pandemie oder aktuell der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine zeigen jedoch die vielen Schattenseiten des Geschäfts auf, welches auch ohne Pandemie und Krieg auf Kinderhandel und der kapitalistischen Ausbeutung weiblicher Reproduktionsorgane basiert. Zugriff haben diejenigen, die genügend Geld besitzen. Zugleich lassen sich für die Agenturen im Anbieterland mit dem Geschäft der Leihmutterschaft hohe Summen erwirtschaften.
Vor allem durch die Covid-19 Pandemie wurde das Scheinwerferlicht auch von Deutschland aus auf die Ukraine als Leihmutter-Hotspot gelenkt. So geriet für viele Menschen zum ersten Mal auch das Schicksal von Kindern, die durch eine Leihmutter ausgetragen werden, in den Blick. [6] Im Frühjahr 2020 gelangte eine Meldung in die Tagesschau, die aufdeckte, dass aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen in der Ukraine mehr als 100 Neugeborene in einer Klinik wochenlang darauf warteten, von ihren Eltern abgeholt zu werden. Die Leihmütter, die sie neun Monate ausgetragen und geboren hatten, waren gemäß ihren Verträgen jetzt nicht mehr für sie zuständig. Doch die Paare, die viel Geld für Agenturen, medizinische Behandlungen und die Mietmutter ausgegeben hatten, konnten die Kinder aufgrund der geschlossenen Flughäfen nicht in Empfang nehmen.
Die Situation für Leihmütter und deren Babys hat sich in der Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskriegs Ende Februar 2022 noch weiter zugespitzt. So dürfen schwangere Leihmütter aufgrund ihrer Verträge, die speziell für die Ukraine und deren Landesgrenzen gelten, das unter Angriff stehende Land nicht verlassen. Sie müssen in der Ukraine bleiben oder zumindest bis zur 28. Schwangerschaftswoche in das Land zurückkehren, um in Bunkern auf die Geburt des Kindes zu warten. [7] Nach der Geburt werden sie ohne weitere medizinische Versorgung sich selbst überlassen und müssen die sicheren Bunker schnell wieder verlassen, denn diese bleiben den Babys und ihren Pflegerinnen vorbehalten, welche die Kinder auf unbestimmte Zeit nach der Geburt so gut es geht versorgen, bis die jeweiligen Wunscheltern sie abholen können. Zur Zeit des Krieges kann das mehrere Wochen dauern, da sich nicht alle Paare trauen in das Kriegsgebiet zu reisen. Selbst wenn die Wunscheltern den Weg in das Land antreten, fehlen häufig die notwendigen Dokumente für die Kinder, die aufgrund des Krieges von den zuständigen Behörden nicht rechtzeitig für die Ausreise ausgestellt werden können. [8]
Genau diese Seite der tragischen Geschichten aus der Ukraine wurde in den letzten Monaten besonders von den Medien beleuchtet: das Leid der Bestelleltern, die für ihre Ware in den Bäuchen der Frauen bezahlen und durch Pandemie und Krieg keinen Zugriff auf sie haben. Es wurde kaum berichtet über die schwangeren Frauen, die das Kriegsgebiet nicht verlassen wollen oder können, weil sie eigene Familien haben, um die sie sich kümmern müssen und weil sie in angrenzenden europäischen Ländern, in denen kommerzielle Leihmutterschaft verboten ist, die rechtlichen Mütter der Kinder wären. Oder über die schlechte medizinische Versorgung und die fehlende Begleitung der Leihmütter während und nach ihren Schwangerschaften in Isolation und zwischen Bombenangriffen. Wo blieb die Kritik an den Gesellschaftssystemen der Länder, die es reichen Menschen ermöglichen, Frauen in solch prekären Lebenslagen auszubeuten? In diese Kategorie fällt auch die deutsche Regierung mit einer aktuellen Gesetzgebung, die es kinderlosen Paaren erleichtert, Leihmütter im Ausland zu beauftragen, da in Deutschland lediglich die VermittlerInnen und behandelnden ÄrztInnen, nicht aber die Wunscheltern bestraft werden.
Die vergessenen Frauen hinter Kinderwunschgeschichten
Auf dem weltweiten Markt der Leihmutterschaft werden schwangere Frauen von wohlhabenden Paaren symbolisch unsichtbar gemacht. Häufig werden sowohl die austragende Frau wie auch das Kind juristisch objektiviert und so zu Handelswaren reduziert. Wer zeigt die Perspektive der austragenden Frauen in den Kinderwunschgeschichten? Im Rahmen der Dokumentation „Can we see the baby bump please?“, die über die Leihmutter-Industrie in Indien berichtet, bevor das Land die Gesetzeslage zur kommerziellen Leihmutterschaft im Jahr 2018 verschärfte, äußert sich eine Mietmutter zu ihrer Erfahrung während der Schwangerschaft mit den Worten: „Leihmütter geben all ihre Rechte für neun Monate ab und werden so zu Unsichtbaren“. [9]
Unsichtbare sind nicht gleichberechtigt und können nicht selbstbestimmt handeln. Denn es hat nichts mit Gleichberechtigung zu tun, wenn im globalen Norden versichert wird, alle Personen hätten ein Recht auf ein leibliches Kind und dürften ihre Machtposition dafür ausnutzen, vulnerable Frauen für den eigenen Kinderwunsch zu objektifizieren und auszubeuten.
Neben den ihnen abgesprochenen Rechten entstehen durch die Leihmutterschaft auch gesundheitliche und psychische Belastungen für die schwangeren Frauen, für ihre PartnerInnen aber unter Umständen auch für ihre anderen leiblichen Kinder. Eine komplette emotionale Abkapselung der Frauen von ihrem Körper ist für viele kaum möglich, hinzukommt, dass einige sich auch mit den Wunscheltern über die Schwangerschaft sehr verbunden fühlen und mit enttäuschten Erwartungen an eine bestehend bleibende Beziehung zurückgelassen werden, sobald das Kind übergeben wird. Oftmals wird von den ausländischen Eltern nicht realisiert, wie groß die emotionale Nähe zum leiblichen Kind ist, wenn die Leihmutter selbst auch die Eizelle gespendet hat. Aber auch Frauen, die ausschließlich als Brutkasten fungieren sollen, können enge Bindungen zu den Kindern entwickeln, die sie neun Monate in sich tragen. Durch den aktuell verstärkten Blick auf die Leihmutterschafts-Industrie in der Ukraine sollte die Problematik der fehlenden Perspektive von Leihmüttern mehr als deutlich geworden sein.
Aufgrund der vielen möglichen ethischen, rechtlichen, medizinischen und psychologischen Folgen ist die Leihmutterschaft die umstrittenste Methode in der Reproduktionsmedizin. [10] Deshalb fordert TERRE DES FEMMES bereits seit 2020, dass die Leihmutterschaft in Deutschland in keiner Form legalisiert wird. Auch das Europäische Parlament hat in einem Entschluss vom 5. Mai 2022 zu den Auswirkungen des Krieges gegen die Ukraine auf Frauen betont, dass Leihmütter besonders gefährdet sind, und hat die Praxis der Leihmutterschaft, durch die Frauen weltweit dem Risiko einer Ausbeutung ausgesetzt sind, stark verurteilt. Das EU-Parlament stellt mit seinem Entschluss erneut fest, dass sexuelle Ausbeutung zum Zwecke der Leihmutterschaft und Fortpflanzung inakzeptabel ist und eine Verletzung der Menschenwürde und der Menschenrechte darstellt. [11] Die Anerkennung von einer Vielfalt an Familienmodellen ist dennoch möglich, hier sollten alternative Wege der Elternschaft mehr Menschen zugänglich gemacht werden.
[1] Vgl. Kinderwunschtage - Programm, https://www.kinderwunsch-tage.de/ (abgerufen am 24. 07. 2022)
[2] Vgl. WirtschaftsWoche: Ein Baby um jeden Preis?, 17.02.2017, https://www.wiwo.de/technologie/forschung/kinderwunsch-messe-ein-baby-um-jeden-preis/19406018.html (abgerufen am 26.07.2022)
[3] Vgl. Deutschlandfunk: Kinderwunsch-Messe in Berlin, 20.02.2017, https://www.deutschlandfunk.de/kinderwunsch-messe-in-berlin-zwischen-aufklaerung-und-100.html (aufgerufen am 27.07.2022)
[4] Vgl. Welt: Organspende erlaubt, Leihmutterschaft nicht – „Eklatanter Widerspruch“, 06.04.2021, https://www.welt.de/politik/deutschland/article228964093/FDP-zu-Leihmutterschaft-Frauen-muessen-das-Recht-dazu-haben.html (abgerufen am 28.07.2022)
[5] Vgl. RP Online: In welchen Ländern wird die Leihmutterschaft im Jahr 2021 zugelassen sein?, https://rp-online.de/advertorial/in-welchen-laendern-wird-die-leihmutterschaft-im-jahr-2021-zugelassen-sein_aid-63444101 (abgerufen am 28.07.2022)
[6] Vgl. Kontext Wochenzeitung: Bunker-Babys für Egoisten, 06.04.2022, https://rp-online.de/advertorial/in-welchen-laendern-wird-die-leihmutterschaft-im-jahr-2021-zugelassen-sein_aid-63444101 (abgerufen am 28.07.2022)
[7] Vgl. Neue Zürcher Zeitung: Babys im Luftschutzkeller: Der Krieg in der Ukraine wirft ein Schlaglicht auf das Geschäft mit der Leihmutterschaft, 19.04.2022, https://www.nzz.ch/wirtschaft/babys-im-luftschutzkeller-der-krieg-in-der-ukraine-wirft-ein-neues-licht-auf-das-schattendasein-der-leihmutterschaft-ld.1676256 (abgerufen am 27.07.2022)
[8] Vgl. Tagesschau: Im Krieg geboren, im Keller gestrandet, 11.04.2022, https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ukraine-leihmuetter-kinder-101.html (abgerufen am 27.07.2022)
[9] Vgl. Spiegel Panorama: Gebärmutter zu vermieten, 08.12.2012, https://www.spiegel.de/panorama/leihmuettern-in-indien-kinderlose-paare-lassen-babys-von-frauen-austragen-a-869348.html (abgerufen am 28.07.2022)
[10] Vgl. Babygest: Auswirkungen, Folgen und die Risiken der Leihmutterschaft, 21.10.2019, https://babygest.com/de/risiken-einer-leihmutterschaft/ (abgerufen am 28.07.2022)
[11] Vgl. Europäisches Parlament: Entschließung des Europäischen Parlaments vom 5. Mai 2022 zu den Auswirkungen des Krieges gegen die Ukraine auf Frauen, https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2022-0206_DE.html (abgerufen am 1.8.2022)