Wer sind die Community TrainerInnen
Im Fokus des EU-Projekts „CHAIN“ steht die Verbindung der Prävention von weiblicher Genitalverstümmelung (female genital mutilation – FGM) und Früh-/Zwangsverheiratung (early/forced marriage – EFM), zwei Formen geschlechtsspezifischer Gewalt. Hier werden sowohl Präventions- als auch Interventionsstrategien neu bzw. weiter entwickelt und implementiert. Das langfristige Ziel ist die Abschaffung dieser Praktiken.
Um dieses Ziel zu erreichen, fokussiert das Projekt verschiedene Bereiche: Zum einen werden im Rahmen eines Modellprojekts gemeinsam mit den relevanten Stakeholdern lokale Interventionsmodelle für Fälle von FGM und EFM entwickelt, verabschiedet und veröffentlicht. Diese können angepasst und in anderen Regionen ebenfalls implementiert werden. Die Interventionsketten gewährleisten ein interdisziplinäres und koordiniertes Fallmanagement, um Mädchen und Frauen effektiv zu schützen. Ein weiterer Projektbaustein ist es, eine großangelegte Awareness-Kampagne zu veranstalten, um sowohl die Öffentlichkeit aber vor allem auch betroffene Communitys zu sensibilisieren.
Voraussetzung und Kern der gesamten Projektarbeit ist die enge Zusammenarbeit mit den Communitys. So sind VertreterInnen der Communitys in alle Prozesse involviert und Community Empowerment ist ein weiterer Projektbaustein und Hauptfokus. Dies umfasst unter anderem die Ausbildung von Community TrainerInnen (capacity building). Die Community TrainerInnen haben bereits im Rahmen der Vorgängerprojekte eine Grundausbildung als MultiplikatorInnen absolviert, auf der das neue Schulungsprogramm aufbaut. Dieses qualifiziert die TrainerInnen sowohl für die Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit in den Communitys als auch für die Fortbildung von Fachkräften aus dem sozialen, pädagogischen und medizinischen Bereich.
Der Gedanke dahinter ist, dass die MultiplikatorInnen bereits aktive Mitglieder ihrer Community sind und dementsprechend sowohl der Zugang zu als auch das Vertrauen seitens ihrer Community schon besteht. Vor diesem Hintergrund können die Community TrainerInnen effektiv in ihrer Community arbeiten und potenzielle kulturelle und linguistische Barrieren überwinden. Außerdem sind sie ExpertInnen für die Begründungsmuster und Praktiken ihrer Community und können so zielgruppenspezifisch aufklären.
Bei der Auswahl der Community TrainerInnen wurde darauf geachtet, Frauen und Männer verschiedener Altersstufen (mindestens 18 Jahre) und unterschiedlicher Herkunft zu engagieren. Sie alle sind in ihrem sozialen Umfeld gut vernetzt, um möglichst viele Community-Mitglieder erreichen zu können, und bringen eine hohe Motivation für die Abschaffung von geschlechtsspezifischer Gewalt mit. Neben den sprachlichen Fähigkeiten und einer guten Präsentations- und Kommunikationskompetenz gab es keine speziellen beruflichen Voraussetzungen an die Community TrainerInnen, sodass die Gruppe der TrainerInnen eine große Bandbreite an professionellen und privaten Fähigkeiten mitbringt.
Insgesamt wurden 35 MultiplikatorInnen ausgewählt, die die Ausbildung zum Community Trainer/zur Community Trainerin absolvieren und anschließend einerseits innerhalb ihrer Communitys aufklären und andererseits Fachkräfte schulen werden.
Ausbildung und Aufgaben der Community TrainerInnen
Die MultiplikatorInnen absolvieren ein sechsmonatiges Ausbildungsprogramm, das sie als Community TrainerInnen qualifiziert. Im Rahmen der Ausbildung werden unterschiedliche Aspekte von weiblicher Genitalverstümmelung und Früh-/Zwangsverheiratung betrachtet und diskutiert, Geschlechterrollen und -stereotype reflektiert sowie gemeinsam Interventionsstrategien entwickelt. Auch werden praktische Fähigkeiten wie Präsentationstechniken und Kommunikationskompetenzen gestärkt.
Themen wie Selbstfürsorge und Re- und Sekundärtraumatisierung sind ebenfalls Bestandteil der Ausbildung, um die Communitys auf die herausfordernde Arbeit vorzubereiten. Auch im Anschluss an die Ausbildung werden die Community TrainerInnen im Rahmen von regelmäßigen Empowerment Meetings begleitet, beraten und unterstützt.
Im Anschluss an die sechsmonatige Ausbildung beginnen die Community TrainerInnen mit der Arbeit im Feld und klären innerhalb ihrer Communitys zu geschlechtsspezifischer Gewalt auf. Hierbei steht die Sensibilisierung von führenden Personen der Communitys, sog. „Community Leader“, im Vordergrund. Dies meint zum Beispiel traditionelle oder religiöse Autoritätspersonen wie Imame oder Pastoren, die einen großen Einfluss in der jeweiligen Community besitzen und eine besonders große Reichweite haben, wenn diese als MultiplikatorInnen gegen FGM und EFM gewonnen werden können.
Gleichzeitig setzen die Community TrainerInnen aber auch die in den Vorgängerprojekten begonnene Aufklärungsarbeit in der Breite ihrer Communitys fort, das heißt sie führen Aufklärungs- und Sensibilisierungsaktivitäten für unterschiedliche Zielgruppen durch, so genannte „behaviour change activities“. Durch diese Aktivitäten brechen sie das Tabu rund um die Themen weibliche Genitalverstümmelung und Früh-/Zwangsverheiratung, initiieren einen Dialog und stoßen so ein Umdenken an. Mittelfristig soll so eine ablehnende Haltung gegenüber diesen Praktiken etabliert werden, was langfristig deren Abschaffung zur Folge hat.
Außerdem führen die Community TrainerInnen Fortbildungen für unterschiedliche Fachkräfte, die in Kontakt mit betroffenen oder gefährdeten Mädchen und Frauen sind, durch. Dies umfasst unter anderem SozialarbeiterInnen, LehrerInnen, ErzieherInnen, Hebammen, KinderärztInnen, GynäkologInnen, PolizistInnen, JuristInnen und viele weitere Personen.
Inhalte der Fortbildungen sind Grundlagenwissen zu den Praktiken FGM und EFM; physische, psychische und soziale Folgen für Betroffene; rechtliche Rahmenbedingungen und Asyl; sowie Handlungsempfehlungen und praktische Anleitungen für einen sensiblen Umgang mit Betroffenen und Interventionsstrategien für einen effektiven Mädchenschutz in Gefährdungsfällen.
Sie haben Interesse an der Arbeit der Community TrainerInnen oder an einer Fortbildung? Dann kontaktieren Sie die Projektkoordinatorin unter fgm-eu@frauenrechte.de