„Die große Liebesfalle – Die Loverboy-Methode“

Menschenhandel ist ein unterschätztes Problem in Deutschland. Entgegen der häufigen Assoziation, dass viele der Betroffenen von Menschenhandel außerhalb von Deutschland geboren und aufgewachsen sind, besitzt die überwiegende Anzahl von Betroffenen die deutsche Staatsbürgerschaft. Ein Grenzübertritt ist folglich keine Voraussetzung und Menschenhandel geschieht nicht nur im Kontext von Migration und Flucht, sondern findet ebenfalls innerhalb Deutschlands statt. Eine Ausbeutungsform von Menschenhandel, bei der insbesondere Minderjährige Betroffene sind, ist Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung durch die sogenannte Loverboy-Methode.

Illustration zum Thema "Loverboys" - Eine Hand zerquetscht ein Herz, aus dem Münzen fallen
© Joanna Broda/Mona Kakanj

Die Loverboy-Methode

Loverboys, häufig junge (volljährige) Männer, sind Menschenhändler, die gezielt Mädchen und junge Frauen[1] ansprechen, um sie sexuell auszubeuten und um finanziell davon zu profitieren. Sie täuschen die große Liebe vor, machen den Betroffenen meist viele Komplimente und Geschenke und gehen eine manipulative, vorgetäuschte „Liebesbeziehung“ mit ihnen ein, um sie in ein Abhängigkeitsverhältnis zu bringen. Zu Beginn sorgen die Loverboys dafür, dass die Betroffenen weiter ihren geregelten Alltag nachgehen, damit das Umfeld nicht misstrauisch wird. Nach und nach isolieren die Loverboys die Mädchen und jungen Frauen von ihrem bekannten Umfeld, indem sie beispielsweise eine gemeinsame Wohnung mieten, sie nicht mehr alleine lassen oder viel Zeit von ihr in Anspruch nehmen, um die Betroffenen zuerst zur Prostitution zu zwingen und letztendlich in der Zwangsprostitution auszubeuten und zu kontrollieren.

Die Einnahmen behalten die Loverboys. Die Anwerbung findet in den meisten Fällen über die Sozialen Medien oder Chatforen von Onlinespielen statt. Die Loverboys lernen dadurch Hobbys, Interessen sowie die persönliche und familiäre Situation der Betroffenen kennen.[2] Es ist nicht ungewöhnlich, wenn Loverboys mehr als eine „Beziehung“ dieser Art mit verschiedenen Betroffenen gleichzeitig führen.

Wer sind die betroffenen Personen?

Zunächst ist es wichtig festzuhalten, dass nicht die eine „typische“ betroffene Person von Menschenhandel existiert. Betroffene können aus allen sozio-ökonomische Schichten, Bildungsständen und Ländern kommen.

Das „Bundeslagebild Menschenhandel und Ausbeutung 2022“ des Bundeskriminalamtes (BKA) zählte in den 156 geführten Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der kommerziellen sexuellen Ausbeutung 185 betroffene Minderjährige. 81,6 Prozent der betroffenen Minderjährigen waren weiblich, 17,8 Prozent männlich und 0,6% divers. Das Durchschnittsalter lag bei 15 Jahren. 71,9 Prozent der betroffenen Minderjährigen besaßen die deutsche Staatsangehörigkeit.

Laut den Bundeslagebildern des BKA nimmt die Zahl der Betroffenen von der Loverboy-Methode jährlich zu. 2022[3] gaben 19,1 Prozent der Betroffenen von Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung an, dass sie durch die Loverboy-Methode zur Prostitution gezwungen wurden. Wie viele Betroffene es tatsächlich sind, ist nicht nachvollziehbar, da sich einige auf Grund von Scham, Angst vor einer sozialen Abschottung, emotionalen Druck, Einschüchterung oder einer fehlenden Selbstreflexion, Betroffene zu sein, nicht zur Polizei oder einer Fachberatungsstelle für Betroffene von Menschenhandel gehen oder sich nicht dem eigenen Bekanntenkreis offenbaren[4]. Wichtig ist anzumerken, dass den Betroffenen keine Schuld trifft, da sie geglaubt haben, in einer Liebesbeziehung mit dem Menschenhändler/Loverboy zu sein, was die Strategie der Loverboys ist.

[1] Im Folgenden wird die weibliche Form von Betroffenen der Loverboy-Methode verwendet, da die Mehrheit der Betroffenen weiblich ist. Das schließt nicht aus, dass ebenfalls Jungen, Männer, Transpersonen und divers Betroffene der Loverboy-Methode sind.

[2] GRETA (2022). Online and technology-facilitated trafficking in human beings. Council of Europe:

[3]BKA 2022: https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/Menschenhandel/menschenhandelBundeslagebild2022.html?nn=27956

[4] BKA (2022). Menschenhandel und Ausbeutung. Bundeslagebild 2021. Bundeskriminalamt

Hilfe finden!

In jedem Bundesland gibt es mindestens eine Fachberatungsstelle für Betroffene von Menschenhandel, die Betroffene in ihren Bedürfnissen ganzheitlich, anonym, kostenlos, individuell und vertraulich beraten und unterstützen. Neben rechtlichen und psychosozialen Unterstützungsangeboten begleiten Fachberatungsstellen Betroffene auf ihrem Weg, zurück in die Gesellschaft zu finden, Selbstbestimmung zu fördern und Zukunftsperspektiven aufzubauen. Dabei stehen die Bedürfnisse, Wünsche und Rechte der Betroffenen immer an erster Stelle.

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