Sieben Mythen der Prostitution

In den Medien und der deutschen Öffentlichkeit kursieren eine Vielzahl von Annahmen und Mythen über Prostitution. Diese Mythen führen zu einem verzerrten Bild der Prostitution in Deutschland, denn sie haben kaum etwas mit der Lebensrealität der Frauen in der Prostitution zu tun. TERRE DES FEMMES entkräftet hier sieben dieser gängigen Mythen.

Mythos 1: Prostitution bedeutet die Verwirklichung der sexuellen Freiheit und sexuelle Selbstbestimmung der Frau

TERRE DES FEMMES e.V. setzt sich ausdrücklich für die sexuelle Freiheit und Selbstbestimmung von Frauen ein. Für sexuelle Selbstbestimmung zu kämpfen bedeutet jedoch nicht, dass das System der Prostitution als normal oder progressiv angesehen werden sollte. Bei Prostitution geht es nicht darum, mit wem Frauen Sex haben dürfen, sondern ob Männer sexuelle Handlungen mit Frauen kaufen dürfen.

Es geht bei der Prostitution nur um die sexuellen Wünsche der Sexkäufer, nicht um die Prostituierte und deren Sexualität. Die meisten Prostituierten empfinden ihre Tätigkeit nicht als Sex, sondern häufig als Missbrauch.[1] Sie versetzen sich währenddessen in einen mentalen Zustand, der ihre Empfindungen von dem Geschehen abkoppelt, um es überhaupt ertragen zu können  – in der Psychologie wird dieser Zustand Dissoziation genannt. Dieses mentale Abspalten wird zunächst bewusst von Prostituierten angewendet, um sich zu schützen, es kann jedoch zu langfristigen psychischen Problemen und einem gestörten Verhältnis zum Körper und der eigenen Sexualität führen.[2] Viele Frauen nehmen zudem Drogen, Alkohol oder Psychopharmaka, um ihre Tätigkeit als Prostituierte überhaupt ertragen zu können.[3]

Prostitution bedeutet keine sexuelle Freiheit. Es ist hingegen ein Menschenrecht, frei von Zwang, Diskriminierung und Gewalt über die eigene Sexualität zu bestimmen. Dieses Recht wird durch Prostitution nicht gefördert, sondern verhindert. TERRE DES FEMMES stellt sich klar gegen eine Kriminalisierung der Prostituierten. Wir fordern ein Sexkaufverbot welches sich an die Nachfrageseite wendet: die Sexkäufer.

[1] Gugel: Das Spannungsverhältnis zwischen Prostitutionsgesetz und Art. 3 II GG, 2010, S. 9.

[2] Farley: Prostitution and the Invisibility of Harm, 2003, S. 19-23.

[3] Honeyball: Bericht über sexuelle Ausbeutung und Prostitution, 2014, S.10.; Kraus: Prostitution, 2016, S. 4.

Mythos 2: Die Prostituierten machen das doch freiwillig

Das öffentliche Bild der Frauen in der Prostitution wird maßgeblich durch die Medien geprägt, da Prostitution meist sehr isoliert vom Rest der Gesellschaft stattfindet.[1] Da liegt es nahe, dass viele Menschen eher an eine selbstbewusste, deutsche Domina denken, die sich ihre „Kunden“ selbst aussucht, die von niemandem abhängig ist, und die Prostitution als tolle Arbeit ansieht. Dabei handelt es sich hier um eine extreme Minderheit unter den Prostituierten, die jedoch in den Medien sehr präsent sind. Unsichtbar bleiben dagegen die vielen Prostituierten aus dem Ausland, die wegen ihrer finanziellen Notlage keine andere Möglichkeit sehen, als in der Prostitution tätig zu sein.

Viele Prostituierte waren beim Einstieg in die Prostitution noch nicht volljährig.[2] Als jetzt erwachsene Frauen wird ihnen jedoch eine freiwillige Tätigkeit in der Prostitution unterstellt. Bekannt ist ebenso, dass Missbrauch und Gewalterfahrung in der Kindheit, Obdachlosigkeit oder Drogen- und Alkoholmissbrauch das Risiko erhöhen, dass Frauen in die Prostitution geraten.[3]

Vor allem Migrantinnen aus ärmeren osteuropäischen Ländern (z.B. Bulgarien, Rumänien und Moldawien), oft aus benachteiligten Minderheiten (wie z.B. Roma oder türkische Minderheiten in Bulgarien) werden teilweise sogar von Familienmitgliedern dazu gebracht sich zu prostituieren oder sie selber sehen dies als einzige Möglichkeit, der Armut zu entkommen und die eigene Familie finanziell zu unterstützen.[4]

Die Bundesregierung räumt ein, dass es „eine soziale Realität [ist], dass viele Prostituierte sich in einer sozialen und psychischen Situation befinden, in der es fraglich ist, ob sie sich wirklich frei und autonom für oder gegen diese Tätigkeit entscheiden können.“[5] Trotzdem betrachtet das Prostitutionsgesetz, Prostituierte, die aus solchen Gründen in die Prostitution geraten, als freiwillige Prostituierte.[6] TERRE DES FEMMES sieht dies anders. Armutsprostitution ist keinesfalls „freiwillig.“

Die meisten Frauen in der Prostitution wollen, wenn überhaupt, nur eine gewisse Zeit in der Prostitution bleiben und die überwiegende Mehrheit würde gerne aussteigen.[7] Der Ausstieg aus der Prostitution gestaltet sich jedoch meist sehr schwierig: (Emotionale) Abhängigkeit zum Zuhälter/Bordellbetreiber, Drogen- oder Alkoholabhängigkeit, Traumatisierung, fehlende Perspektive außerhalb der Prostitution, oder ein mangelndes Selbstwertgefühl, sind einige der Gründe, die einen Ausstieg erschweren.[8] Dazu kommt ihre prekäre Situation in Deutschland: sie haben teilweise keine Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis, sprechen kein oder kaum deutsch, haben meist ein sehr niedriges Bildungsniveau, kennen das Land und ihre Rechte nicht. Von Freiwilligkeit kann hier nicht die Rede. Im System der Prostitution geht es um die sexuelle Ausbeutung von Frauen.

[1] Fondation Scelles: 4th Global Report,  2016, S. 34.
[2] Farley: Prostitution and the Invisibility of Harm, 2003, S.10f.; Jeffreys: Die industrialisierte Vagina, 2014, S. 39.; Schulze: Sexuelle Ausbeutung und Prostitution, 2014, S. 40. 
[3] Gugel: Das Spannungsverhältnis zwischen ProstG und Art. 3 II GG, 2010, S. 11; Wöller: Traumawiederholung und Reviktimisierung, 2005, S. 84.
[4] Honeyball: Bericht, S. 18.; Gugel: Das Spannungsverhältnis zwischen Prostitutionsgesetz und Art. 3 II GG, 2010, S. 10f.
[5] BMFSFJ: Bericht Auswirkungen ProstG, 2007, S. 10.
[6] Gugel: Das Spannungsverhältnis zwischen ProstG und Art. 3 II GG, 2010, S. 13.
[7] Farley: Prostitution and Trafficking in 9 Countries, 2003, S. 34; Honeyball: Bericht über sexuelle Ausbeutung und Prostitution, 2014, S. 14.
[8] BMFSFJ: Bericht Auswirkungen ProstG, 2007, S. 32f.; Honeyball: Bericht, 2014, S. 14.

Mythos 3: Prostitution ist eine Arbeit wie jede andere

Heutzutage wird in der deutschen Politik und in den Medien vorwiegend von Prostitution als Arbeit gesprochen, zum Teil sogar von einer Arbeit wie jede andere. Der Begriff der „Sexarbeit“ bzw. „SexarbeiterInnen“ ist normalisiert geworden und suggeriert die Profanität der Prostitution.[1] Mit dem Konzept von „Sexarbeit“ soll die Handlungsfähigkeit der Prostituierten sowie deren „Arbeitsrechte“ unterstrichen werden.[2] Dabei handelt es sich bei Prostitution keineswegs um eine Tätigkeit wie jede andere.

er Alltag in der Prostitution ist selten selbstbestimmt.  Fast alle Prostituierte sind massivem Druck ausgesetzt und leiden unter verstärkten Ängsten: Angst vor Gewalt von Kunden, Zuhältern oder Bordellbetreibern, Angst davor schwanger oder krank zu werden, Angst vor der Ausweisung oder Abschiebung, Angst nicht genug Geld zu verdienen.[3] Und diese Ängste sind berechtigt. Ein Großteil der Prostituierten ist wiederholt psychischer und physischer Gewalt, Vergewaltigungen, und Erniedrigungen seitens der Zuhälter oder Sexkäufer ausgesetzt.[4]

Prostitution führt häufig zu zahlreichen, teils chronischen körperlichen Beschwerden und zu einem massivem Gebrauch von Alkohol, Drogen oder Psychopharmaka, um den Prostitutionsalltag ertragen zu können.[5] Dazu kommen psychische Probleme: Depressionen, Burnout und Traumata.[6] Bestehende Traumata aus der Vergangenheit – ein Großteil der Prostituierten hat schon als Kind oder Jugendliche Misshandlungen und sexuelle Gewalt erlebt[7] – werden bei der Prostitution wiederholt reinszeniert und verstärkt.[8] Der Alltag in der Prostitution ist für die meisten Frauen traumatisch. 68 % der Frauen in der Prostitution haben eine posttraumatische Belastungsstörung durch ihre Tätigkeit als Prostituierte, vergleichbar mit der Belastung von Kriegsveteranen oder Folteropfern.[9]

Bei Prostitution von einer „Arbeit wie jede andere“ oder überhaupt von „Arbeit“ zu sprechen ist angesichts der Realität in der Prostitution nicht angebracht. Arbeiterrechte oder Regulierung der Prostitution sind keine Lösung für die prekären Verhältnisse und Gewalt in der Prostitution. Das System der Prostitution ist von Gewalt an Frauen nicht zu trennen.

[1] Honeyball: Bericht, 2014, S. 9.; Fondation Scelles: 4th Global Report, 2016, S. 34.
[2] Fondation Scelles: 4th Global Report,  2016, S. 35-40.
[3] Kraus: Prostitution, 2016, S. 3.
[4] Farley: Prostitution and the Invisibility of Harm, 2003, S. 6; Gugel: Das Spannungsverhältnis zwischen ProstG und Art. 3 II GG, 2010, S. 57f.
[5] Heide: Stellungnahme zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes, 2016; Honeyball: Bericht, 2014, S. 10; Kraus: Prostitution, 2016, S. 4.
[6] Gugel: Das Spannungsverhältnis zwischen ProstG und Art. 3 II GG, 2010, S. 59.
[7] Farley: Prostitution and the Invisibility of Harm, 2003, S. 10; Gugel: Das Spannungsverhältnis zwischen ProstG und Art. 3 II GG, 2010, S. 11.
[8] Besser: Stellungnahme zum ProstituiertenschutzG,  2010; Wöller: Traumawiederholung und Reviktimisierung,  2005, S. 83-88.
[9] Farley: Prostitution and the Invisibility of Harm, 2003, S. 23.

Mythos 4: Prostitution verhindert Vergewaltigungen, Männer brauchen ein Ventil für ihre sexuellen Bedürfnisse.

Die Annahme, dass Männer einen anderen bzw. stärkeren Sexualtrieb als Frauen haben, ist wissenschaftlich widerlegt.[1] Diese trotzdem weit verbreitete Annahme des starken männlichen Sexualtriebs geht einher mit einer stereotypisierenden und zutiefst sexistischen Vorstellung von Sexualität, bei der Frauen ihre Sexualität nicht auszuleben brauchen, gleichzeitig aber sexuell verfügbar sein sollen.[2] Aus dem angeblich vorhandenen, starken männlichen Sexualtrieb ein Recht auf Prostituierte abzuleiten, bedeutet, dass sich bestimmte Frauen zu opfern haben – u.a. ihre eigene Sexualität unterdrücken müssen – damit Männer ihre Lust ausleben können.

Das Argument der angeblichen Prävention von Vergewaltigungen basiert auf der Annahme, dass ein besonders verletzlicher Teil der Gesellschaft – Frauen in der Prostitution – dafür herhalten muss, damit andere Frauen nicht vergewaltigt werden. Der Mythos, dass Prostitution Vergewaltigungen vorbeugt, suggeriert zudem, dass Prostituierte nicht vergewaltigt werden können. Dabei sind gerade Prostituierte einer extrem hohen Gefahr ausgesetzt vergewaltigt zu werden – von Zuhältern und Sexkäufern gleichermaßen. Studien in mehreren Ländern kommen zu dem Ergebnis, dass ca. 60-75 % der befragten Prostituierten einmal oder mehrmals vergewaltigt worden sind.[3]

Der Mythos, dass Prostitution Vergewaltigungen verhindert, basiert auf mehreren widerlegten, sexistischen und zutiefst problematischen Annahmen. Wir haben alle ein Recht auf unsere Sexualität, aber davon leitet sich kein Recht auf Sex mit anderen ab. Kein noch so hoher Sexualtrieb kann ein Argument sein, um ein ausbeuterisches System zu dulden, dass in der Realität die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen unterwandert. Der Sexkäufer kauft Sex, aber es geht genauso um Macht über Frauen. Dies spiegelt sich im frauenverachtenden Frauenbild der Sexkäufer wieder, wie sogenannte „Freierforen“ zeigen.


[1] Conley: Women, Men, and the Bedroom, 2011, S. 296-300.
[2] Kraus: Prostitution, 2016, S. 7f.
[3] Farley: Bad for the Body, Bad for the Heart, 2004, S. 1094f.

Mythos 5: Prostituierte verdienen viel Geld

Die meisten Frauen in der Prostitution verdienen nicht viel Geld. Zwischen 10 und 40 Euro pro Sexkäufer verdient eine Frau auf dem Straßenstrich und im Bordell, bei extrem hohen „Mietkosten“ von täglich 120 bis 180 Euro für Bordellwohnungen, Wohnwagen oder Zimmern in Bordellen.[1]  Wegen der hohen Konkurrenz sind die Prostituierte immer mehr Druck ausgesetzt und können den Sexkäufern oft keine Grenzen setzten, so dass sie auch gefährliche und erniedrigende Praktiken in Kauf nehmen müssen.[2]

Einen hohen Teil ihrer Einkünfte müssen Prostituierte an Zuhälter abgeben.[3] Das restliche Geld wird meist an die Familie in der Heimat geschickt oder für Alkohol, Medikamente, oder Drogen ausgegeben.[4]

Selbst wenn Prostituierte viel Geld verdienen würden, wäre es trotzdem zutiefst problematisch, Existenzsicherung um den Preis von Erniedrigung, Missbrauch und Gewalt als Emanzipation oder gar Empowerment anzupreisen. TERRE DES FEMMES sieht Prostitution zur Existenzsicherung als Zwang an. Es ist ein Anzeichen für wirtschaftliche Ungleichheit, eine fehlende Gleichstellung der Geschlechter und ein unzulängliches soziales Netz in Deutschland, dass Frauen sich gezwungen sehen zur Existenzsicherung in der Prostitution tätig zu sein. Daher fordert TERRE DES FEMMES dringend die Einrichtung von Ausstiegsprogrammen für Prostituierte.

[1] Kraus: Prostitution, 2016, S. 3.; Heide: Stellungnahme zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes, 2016.
[2] Gugel: Das Spannungsverhältnis zwischen ProstG und Art. 3 II GG, 2010, S.56f.
[3] Schulze: Sexuelle Ausbeutung und Prostitution, 2014, S. 6; Gugel: Das Spannungsverhältnis zwischen ProstG und Art. 3 II GG, 2010, S. 61f.
[4] Heide: Stellungnahme zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes, 2016.

Mythos 6: Sexkäufer können doch auch nette Männer sein

Viele Menschen stellen sich Sexkäufer als sexuell frustrierte, isolierte Männer vor, die in keiner Beziehung sind und keinen Kontakt zu anderen Frauen haben. Oder aber es herrscht das Bild des „netten Sexkäufers“, der den Frauen etwas Gutes tut, sie aus der Armut befreit und potentielle Opfer von Menschenhandel aufdecken kann. Die Realität sieht anders aus.

Schon 26,9% der Männer in Deutschland haben mindestens einmal in ihrem Leben für Sex gezahlt [1]. Viel ist zu Sexkäufern in Deutschland nicht bekannt. Internationale Studien zeigen, dass ca. die Hälfte der Sexkäufer in einer festen Beziehung ist, alle Altersklassen zwischen ca. 18 und 80 Jahren vertreten sind, mit einem Altersdurchschnitt von ca. 38 Jahren. Die Sexkäufer gehören allen sozialen Klassen und politischen Richtungen an.[2] Zudem scheint die Tendenz zu immer jüngeren Sexkäufern zu gehen. Eine spanische Studie stellte fest, dass immer mehr junge Männer Prostitution als Freizeitunterhaltung ansehen und Frauen und Mädchen als Sexspielzeuge betrachten.[3]

78% der Frauen in der Prostitution geben an, Angst vor der Gewalt von Sexkäufern zu haben, 95% erfuhren sexuelle Belästigung, 80-90% verbalen Missbrauch und soziale Geringschätzung, 60-75% wurden in der Prostitution vergewaltigt.[4] Die Hälfte der Sexkäufer geben zu, dass viele Frauen sehr wahrscheinlich zur Prostitution gezwungen werden, was sie aber nicht davon abhält, sondern teilweise sogar darin bestärkte, Sex zu kaufen.[5] Hinweise auf Betroffene von Frauenhandel kommen nur in wenigen Fällen von Sexkäufern.

Es passiert, dass Unternehmen besondere Vertragsabschlüsse in Bordellen feiern oder Bewerber für höhere Managementposten beweisen müssen, dass Bordellbesuche im Arbeitskontext für sie in Ordnung sind.[6] Dieses Beispiel zeigt wie die Normalisierung von Sexkauf in unserer Gesellschaft nicht nur ein sexistisches Frauenbild fördert, sondern auch de facto geschlechterdiskriminierend wirkt.[7] Prostitution hat nicht nur mit den Frauen in der Prostitution und den Sexkäufern zu tun, sondern mit Geschlechterverhältnissen in der Gesellschaft ganz allgemein. Das geht uns alle etwas an.

 

[1] https://de.statista.com/infografik/28711/anteil-der-maenner-die-bereits-fuer-sex-bezahlt-haben/
[2] Farley: Men who buy sex, 2009, S. 9., Gerheim: Die Produktion des Freiers, 2012; Comisión para la Investigación de Tratos a Mujeres (CIMTM): El cliente de prostitución (ES), 2008.
[3] CIMTM: El cliente de prostitución (ES), 2008, S. 13/ 17.
[4] Farley: Bad for the Body, Bad for the Heart, 2004, S. 1095.
[5] Farley: Men who buy sex, 2009, S. 15f.; Cauduro: Prostitution and Human Trafficking, 2009, S. 230-233.
[6] Augsburger Allgemeine: Manager feiern: das Schienenkartell im Nobel-Bordell, 12.09.2012; Augsburger Allgemeine: Wüstenrot-Vertreter feiern im Bordell, 12.12.2011.
[7] Gugel: Das Spannungsverhältnis zwischen ProstG und Art. 3 II GG, 2010, S. 206.

Mythos 7: Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt und wird es immer geben

Die Hebamme arbeitet im ältesten Gewerbe der Welt – nicht die Prostituierte.

Es gibt zahlreiche Kulturen, in denen Prostitution lange unbekannt war.[1] Bei denjenigen Kulturen, in denen es kommerzielle Prostitution im Laufe der Geschichte gab, handelte es sich immer um ein zutiefst geschlechtsspezifisches, diskriminierendes Phänomen, das die weibliche Sexualität reglementieren sollte. Gestützt wurde kommerzielle Prostitution immer durch eine Doppelmoral, die Prostituierte ächtete, während der Sexkäufer als ehrbar galt.[2]

Selbst wenn es Prostitution „schon immer“ gegeben hätte, so macht dies das System der Prostitution nicht unproblematisch oder notwendig. Über Sklaverei, die Todesstrafe oder Kinderarbeit wurde auch gesagt, dass sie unvermeidbar seien. Auch heute noch gibt es alle diese Phänomene in verschiedenen Teilen der Welt, doch das bedeutet nicht, dass dies akzeptabel ist. Bei Prostitution sieht es ähnlich aus. Auch wenn man nicht alle Prostitution verhindern kann, bedeutet dies nicht, dass wir als Gesellschaft uns deswegen einreden sollten, dass es Prostitution geben muss.

Die Nachfrage nach käuflichem Sex variiert stark in unterschiedlichen Ländern; es wird geschätzt, dass in England 7% der Männer, in Spanien 27-39% der Männer und in Thailand 75% der Männer zu Prostituierten gehen.[3] In Deutschland gehen laut einer aktuellen Studie ca. 8% der Männer zu Prostituierten.[4] Die Nachfrage nach Sex ist daher kulturell geprägt und lässt sich somit vorrangig auf bestehende Erziehungsformen und Normen zurückführen. In Schweden wurde 1999 das Sexkaufverbot eingeführt. Es kam in Folge des Gesetzes zu einem klaren Normenwandel in der Gesellschaft, so dass mittlerweile 79% der schwedischen Frauen und 60% der schwedischen Männer den Sexkauf ablehnen.[5]  TERRE DES FEMMES sieht einen solchen Normenwandel als notwendigen Schritt zur Gleichstellung der Geschlechter in Deutschland an. Wir fordern daher die Einführung des Sexkaufverbots in Deutschland mit gleichzeitigen Ausstiegsprogrammen für Prostituierte.

[1] Nor: La Prostitution, 2001, S. 13.
[2] Gugel: Das Spannungsverhältnis zwischen ProstG und Art. 3 II GG, 2010, S. 35.
[3] ProCon: Percentage of Men (by Country) Who Paid for Sex at Least Once: The Johns Chart, 2011.
[4] Haversath et al.: Sexualverhalten in Deutschland, 2017, S. 548.
[5] Kuosmanen: Tio år med lagen (SWE), 2008, S. 362.

Literatur

Besser, Lutz: Stellungnahme von Lutz Besser, Arzt, Kinder- und Jugendpsychiater und Traumaexperte, zur Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen. 04.06.2016.

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.): Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz _ ProstG), 2007.

Cauduro, Andrea et al.: Prostitution and Human Trafficking. Focus on Clients. Springer Verlag, New York 2009.

Conley, Terri D. et. al.: Women, Men, and the Bedroom: Methodological and Conceptual Insights That Narrow, Reframe, and Elminate Gender Differences in Sexuality. In: Current Directions in Psychological Science, 2011, Vol. 20, No. 5, S. 296-300.

Comisión para la Investigación de Tratos a Mujeres (CIMTM): El cliente de prostitución – de invisible a responsable. Madrid 2008.

Farley, Melissa et. al: Prostitution and Trafficking in 9 Countries: An Update on Violence and Posttraumatic Stress Disorder. In: Journal of Trauma Practice, The Hawoth Maltreatment & Trauma Press, Vol. 2, No. 3/4, 2003, S. 33-74.

Farley, Melissa: Prostitution and the Invisibility of Harm. In: Women & Therapy, Jg. 26, Heft 3/4, 2003, S. 247-280.

Farley, Melissa: „Bad for the Body, Bad for the Heart“: Prostitution Harms Women Even if Legalized or Decriminalized. In: Violence Against Women, Vol. 10, No. 10, Oktober 2004, S.1087- 1117.

Farley, Melissa: Men who buy sex. Who they buy and what they know. Prostitution Research & Education, San Francisco 2009.

Fondation Scelles/ Charpenel Yves (unter Leitung von): 4th Global Report. Prostitution. Exploitation, Persecution, Repression. Economica Ed., Paris 2016.

Gerheim, Udo: Die Produktion des Freiers. Macht im Feld der Prostitution. Eine soziologische Studie. transcript Verlag, Bielefeld 2012.

Gugel, Rahel: Das Spannungsverhältnis zwischen Prostitutionsgesetz und Art. 3 II Grundgesetz – eine rechtspolitische Untersuchung. Universität Bremen, Fachbereich Rechtswissenschaft, 2010.

Haversath, Julia et al.: Sexualverhalten in Deutschland. Ergebnisse einer repräsentativen Befragung. In: Deutsches Ärzteblatt, Jg. 114, Heft 33-34, August 2017, S. 545-550.

Heide, Wolfgang: Stellungnahme von Wolfgang Heide, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe, zur öffentlichen Anhörung zur 
„Regulierung des Prostitutionsgewerbes“ im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Gesundheit im Deutschen Bundestag am 06. Juni 2016.

Heilmann et. al: The Making of Sexual Violence: How Does a Boy Grow Up to Commit Rape? Evidence from five IMAGES Countires. International Center for Research on Women (ICRW), Promundo, Washington, DC 2014.

Honeyball, Mary: Bericht über sexuelle Ausbeutung und Prostitution und deren Auswirkungen auf die Gleichstellung der Geschlechter. Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter des Europäischen Parlaments, 2014.

Jeffreys, Sheila: Die industrialisierte Vagina. Die politische Ökonomie des globalen Sexhandels. Marta Press Verlag Jana Reich, 1. Auflage, Hamburg 2014.

Kraus, Ingeborg: Prostitution. Es gibt kein Recht auf Sex. In: raum & zeit Newsletter. Dezember 2016.

Kuosmanen, Jari: Tio År med Lagen. Om Förhållningssätt till och Erfarenheter av Prostitution i Sverige. In: Holmström, Charlotta/Skilbrei, May-Len (Hrsg.): Prostitution i Norden: Forskningsrapport. Nordiska ministerrådet, København 2008, S. 357-381.

Nor, Malika: La Prostitution. Idées Reçues, numéro 14, Le Cavalier Bleu Editions, Paris 2001.

ProCon: Percentage of Men (by Country) Who Paid for Sex at Least Once: The Johns Chart, 2011.

Schulze, Erika: Sexuelle Ausbeutung und Prostitution und die Auswirkungen auf die Gleichstellung der Geschlechter. Studie für den FEMM-Ausschuss des Europäischen Parlaments, Brüssel 2014.

Wöller, Wolfgang: Traumawiederholung und Reviktimisierung nach körperlicher und sexueller Traumatisierung. In: Fortschritte der Neurologie Psychiatrie, Jg. 73, Heft 2, Georg Thieme Verlag Stuttgart, New York 2005, S. 83-90.

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