Dokumentationsstelle

20 Jahre TERRE DES FEMMES – 20 Jahre Widerstand gegen Frauenrechtsverletzungen

„Leben heißt frei sein“ – unter dieses Motto stellt TERRE DES FEMMES (TDF) den internationalen Kongress, mit dem der 20. Geburtstag der Frauenrechtsorganisation begangen wird.

Ingrid Staehle und Benoîte Groult im Gespräch © Silke Helmerding

Mehr als 500 TeilnehmerInnen besuchen am 12. und 13. Oktober 2001 in Berlin die Jubiläumsveranstaltung, um den Vorträgen der Gäste – namhafte MenschenrechtlerInnen aus aller Welt – zu folgen und sich rege an den Diskussionen zu beteiligen.

Namensgebend für den Kongress ist der autobiographische Roman der französischen Autorin Benoîte Groult, die ebenfalls der Einladung von TDF nachgekommen ist.

Geschlechtsspezifische Gewalt im Fokus

Zu den Anwesenden zählen neben Groult u.a. auch Mary Collins von der European Women‘s Lobby (EWL), Hanna Beate Schöpp-Schilling, die CEDAW*-Sachverständige für Deutschland, Pinar Ilkkarkan von der türkischen Organisation Women for Women’s Human Rights und die feministische Autorin Charlotte Bunch.

Gemeinsam mit den anderen MitstreiterInnen für Frauenrechte werden sie sich in fünf Foren den unterschiedlichen Ausprägungen geschlechtsspezifischen Gewalt an Frauen widmen und nach Lösungsansätzen suchen. Das erste Forum geht Menschenrechtsverletzung an Frauen durch Tradition, Kultur und Religion nach. Konkrete Programme gegen Männergewalt stehen im Zentrum des zweiten Teils. Daran anknüpfend wird die geschlechtsspezifische Verfolgung, insbesondere frauenspezifische Fluchtgründe und sexualisierte Folter betrachtet. Ein weiteres Forum untersucht die Gewalt gegen Lesben und diskutiert die internationale Vernetzungsmöglichkeiten von Projekten im Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt.

An der Diskussion beteiligen sich auch die Leiterinnen von TDF-Kooperationsprojekten. So kann Bassilla Urasa Einblicke in die Arbeit gegen Genitalverstümmelung in Tansania bei NAFGEM (Network Against Female Genital Mutilation) geben.

Die afghnische Menschenrechtlerin Sima Samar meldet sich auf dem Kongress zu Wort
Die afghanische Menschenrechtlerin Sima Samar meldet sich zur Wort © Silke Helmerding

Sima Samar – die erste Frauenministerin Afghanistans kommt nach Berlin

Besonderer Gast ist Sima Samar, die es schafft, trotz der Wirren um den terroristischen Anschlag von 9/11 auf die Twin-Towers und den darauffolgenden Einmarsch der USA in Afghanistan, den Weg nach Berlin finden. Sie hatte den Mut, unter der Talibanherrschaft die Gesundheits- und Bildungsorganisation Shuhada für Frauen und Mädchen zu gründen. Die 1957 geborene Ärztin - sie wird die erste Frauenministerin Afghanistans sein und 2002 zur Leiterin der Unabhängigen Afghanischen Menschenrechtskommission ernannt werden – wusste eindrucksvoll über die Frauenrechtssituation in einem Land zu berichten, dem die momentane Aufmerksamkeit der Welt gehörte.

In dem patriarchalisch geprägten Land wurde in der 1964 verabschiedeten Verfassung den Frauen begrenzte Rechte zugestanden, die ihnen Zugang zu Politik, Bildung und Arbeitsmarkt ermöglichten. Diese, noch nicht gefestigten Rechte, wurden unter den Taliban wieder vollständig zunichtegemacht. Diesen desaströsen Folgen für Mädchen- und Frauenrechte unter den Taliban widmet sich Samar anschließend und analysiert dabei die Rolle der internationalen Organisationen, die die prekäre Situation der Frauen und Mädchen allzu gern durch kulturrelativistische Argumente verharmlosen.

Resolution für das Selbstbestimmungsrecht für die Frauen Afghanistans

Die Veranstaltung endet daher auch mit einer Resolution zur Situation der weiblichen Bevölkerung in Afghanistan. Weder Religion noch Tradition und Kultur dürfen Anlass zur Unterdrückung der Frau bieten. Neben einem Plädoyer für die Trennung von Religion und Staat, lautet der Kernappell: „Die TeilnehmerInnen des Kongresses stellen fest, dass ohne die Gleichberechtigung der Frauen in Afghanistan kein dauerhafter Friede möglich ist. Jede künftige Regierung muss Frauen gleichberechtigt beteiligen und Frauenrechte stärken. Die internationale Gemeinschaft wird aufgefordert, jede Unterstützung eines politischen Regimes an die Bedingungen der Umsetzung der Frauenrechte zu knüpfen.“[i]

In Anbetracht der erneuten Machtübernahme Afghanistans durch die Taliban hat diese Resolution 2021, zwanzig Jahre später, ihre Aktualität nicht verloren.

* CEDAW - Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW - Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women)

Stand: Oktober 2021
 

Publikation zum Kongress:
TERRE DES FEMMES e.V. – Menschenrechte für die Frau: „Leben heißt frei sein“ Internationaler Kongress für Frauen- und Menschenrechte. Dokumentation. 12.-13. Oktober 2001, Berlin,

[i] TERRE DES FEMMES e.V. – Menschenrechte für die Frau: „Leben heißt frei sein“ Internationaler Kongress für Frauen- und Menschenrechte. Dokumentation. 12.-13. Oktober 2001, Berlin, S. 166.

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