Wenn Gewalt mit Macht zuschlägt. Und mit Kontrolle.

Der Begriff Partnerschaftsgewalt schließt mehrere Gewaltformen ein: körperliche, sexualisierte, finanzielle und besonders auch psychische Gewalt. Insbesondere letztere ist von außen schwer erkennbar und kaum nachweisbar, spielt aber in der Partnerschaftsgewalt eine große Rolle. Doch mit der Trennung bröckelt die Fassade und Machtgefälle werden offen ausgelebt. Trennung macht Gewalt sichtbar.

Es wird deutlich, dass Gewalt nicht an der Haustür endet. Stattdessen wird mit umgangsrechtlichen Verfahren das Tor für noch mehr Gewalt geöffnet. Täter nutzen diesen Weg, um über lange Gerichtsprozesse mit ihren Ex-Partnerinnen wie "verbunden" zu bleiben und ihnen dabei maximal zu schaden.

Gewaltformen erkennen

Durch psychische Gewalt werden die Betroffenen herabgesetzt, beleidigt, gedemütigt, terrorisiert und bedroht. In der Regel geht es darum Kontrolle, Dominanz und Macht zu demonstrieren. Das Erleben psychischer Gewalt schwächt auch die Fähigkeit der Betroffenen, die Beziehung zu verlassen. Die Folgen sind Angst, Einschüchterung und soziale Isolation.

Besonders Mütter sind oft finanziell schlechter gestellt als ihre Partner. [2] Nicht zuletzt durch ungleiche Care-Arbeit. Die Ausübung finanzieller Kontrolle und der Einsatz ökonomischer Überlegenheit kann so zum Machtmittel werden. Dies kann zum Beispiel über die Verletzung der Unterhaltspflicht erfolgen. Finanzieller Machtmissbrauch und mangelnde Gleichstellung führen oft dazu, dass Frauen in gewaltvollen Beziehungen verbleiben, und zählt zu den strukturellen Komponenten der Partnerschaftsgewalt.[1]

Die Macht der Willkür

In 90 Prozent der Fälle von Partnerschaftsgewalt kommt es zur sogenannten Nachtrennungsgewalt. Die Trennung wird vom Gewalttäter als Kontrollverlust erlebt und kann für die Betroffenen sehr gefährlich werden. Im Kontext der Trennung ist das Risiko der Gewaltausübung erhöht, während die finanziellen und sozialen Ressourcen der betroffenen Frauen in Folge der Beziehung meist eingeschränkt sind.

Mütter sind besonders vulnerabel, da sie sich wegen der gemeinsamen Kinder ihrem Ex-Partner nie gänzlich entziehen können (Gutowski/Goodman 2022)[3]. Gewalttätige Väter nutzen das aus und wenden dabei ähnliche Strategien an wie die, die sie vor der Trennung eingesetzt haben. So werden Umgänge genutzt, um die Mütter zu unterminieren und zu kontrollieren. Zum Beispiel wird die Mutter vor den Kindern kritisiert und entwertet oder die Kinder werden ermutigt, sich gegenüber der Mutter ausfällig zu verhalten. Auch die Nichteinhaltung von Absprachen gehört zu den Strategien. Dabei entsteht für Mutter und Kind oft ein Gefühl der Unvorhersehbarkeit, während eine klare Abgrenzung vom Vater und Ex-Partner nicht möglich ist. Auch ein gemeinsames Sorgerecht kann vom Täter genutzt werden, um Kontrolle über das Leben der Mutter auszuüben, da ohne Einwilligung des Vaters keine Entscheidung möglich ist. 

Besonders belastend ist es für die Mutter, wenn das Kind vom Vater nicht gut behandelt wird oder sich beim Vater nicht wohl fühlt. Sie erleben die negativen Auswirkungen der Umgänge auf die psychische Gesundheit des Kindes mit, können aber ihr Kind nicht schützen (Barnett 2020 S. 43/44)[4]. Versucht die Mutter die für das Kind schädlichen Umgänge einzuschränken, kommt es in vielen Fällen zu gerichtlichen Verfahren, in denen der Vater sein Umgangsrecht einklagt, oder sogar versucht der Mutter das Sorgerecht zu entziehen.

Zu den Täterstrategien zählen auch:    

  • die Ausübung körperlicher Gewalt und deren Androhung         
  • emotionaler Missbrauch 
  • Drohungen die Kinder zu entführen oder einzubehalten
  • die Untergrabung der Autorität der Mutter              
  • das Ausnutzen von Umgangsvereinbarungen zur Kontrolle der Mutter 
  • willkürliche Änderungen der Umgänge und damit keine Planbarkeit

Trotzdem lassen sich betroffene Mütter auf von ihnen als nicht sicher eingeschätzte Absprachen ein (z.B. begleitete Umgänge), weil sie Angst haben, dass es sonst zu umgangs- oder sorgerechtlichen Anordnungen kommt, die noch gefährlicher für sie und das Kind sind (Zeoli, Rivera, Sullivan, Kubiak 2014 in Barnett 2020). Oft spielt auch die Angst vor dem Verlust des Sorgerechts eine Rolle.

Mütter passen sich also an, sie unterwerfen sich zum Teil irrationalen Forderungen, weil sie ihr Kind nicht verlieren wollen und u.a. den Vorwurf der Bindungsintoleranz, den Kontakt zum Vater nicht zu fördern, fürchten.

Alles muss seine Ordnung haben: die alte Geschlechterordnung.

Leider erleben von Partnerschaftsgewalt betroffene Mütter bei Umgang- und Sorgerechtsangelegen-heiten auch von Seiten der Behörden und Gerichte Gewalt. Diese sogenannte institutionelle Gewalt stärkt durch geschaffene oder vorhandene Strukturen ungleiche Machtverhältnisse. Wie zum Beispiel die ungleichen Machtverhältnisse zwischen Mutter und Vater.

Im Kontext des Familienrechts erstreckt sich das Gewaltspektrum von geschlechtsspezifischer Diskriminierung gegen Mütter bis hin zur Missachtung ihrer Grundrechte. Konkret werden Väterrechte priorisiert, Gewalterfahrungen und Gewaltschutz missachtet, während Mütter und Väter von Behörden und Gerichten völlig ungleich behandelt werden. Dies ist in einen Kontext mangelnder Gleichstellung einzuordnen, von der besonders Mütter betroffen sind, während Väter nach wie vor nicht vollumfänglich ihren Pflichten nachkommen, aber vorgeben genau daran gehindert zu werden, u.a. durch angebliches Maternal Gatekeeping.

Dies misogyne Praxis im Umgang mit getrennten Müttern setzt sich fort durch das Einsetzen unwissenschaftlicher Konzepte wie die Eltern-Kind-Entfremdung, die symbiotische Mutter-Kind-Beziehung[5] oder Belastungseifer[6]. Mit diesen Vorwürfen können Väter Mütter erfolgreich diskreditieren. Bei den Betroffenen führt diese Gewaltform zu starker psychischer Belastung, der Schädigung des Kindeswohls, dem Verlust des Glaubens an den Rechtsstaat und ermöglicht gleichzeitig die fortgesetzte Gewaltausübung durch den Ex-Partner, zum Beispiel durch nicht sichere, gerichtlich angeordnete Umgänge.

Quellen

Barnett, Adrienne. 2020: „Domestic abuse and private law children cases- A literature review”, Ministry of Justice Analytical Series.Gutowski, Goodman. 2022: “Coercive Control in the Courtroom: the Legal Abuse Scale (LAS)“ in: Journal of Family Violence (2023) 38: 527-542.

[1] https://www.iff-hamburg.de/2024/03/07/finanzielle-gewalt-gegen-frauen-evidenzlage-ausbaufaehig-oekonomische-teilhabe-und-finanzielle-inklusion-als-schutzfaktoren/

[2] Mütter verdienen im ersten Jahr nach der Geburt eines Kindes 80 Prozent weniger als Väter und auch nach zehn Jahren liegt der Einkommensunterschied noch bei 60 Prozent. Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/finanzen/elternschaft-verstarkt-ungleichheit-mutter-verdienen-in-deutschland-bis-zu-80-prozent-weniger-als-vater-11463212.html

[3] Gutowski, Goodman. 2022: “Coercive Control in the Courtroom: the Legal Abuse Scale (LAS)“ in: Journal of Family Violence (2023) 38: 527-542

[4] Barnett, Adrienne. 2020: „Domestic abuse and private law children cases- A literature review”, Ministry of Justice Analytical Series.

[5] Zu enge Mutter-Kind Bindung

[6] Interpretation einer emotional vorgetragenen Aussage als Versuch der Verleumdung durch Gerichte

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