Ulrike Karner
Allah und der Regenbogen. Roman
In ihrem Erstlingsroman beschäftigt sich die Wiener Psychologin Ulrike Karner feinfühlig mit den Themen Homosexualität und Toleranz in der heutigen Gesellschaft. Ihr Schwerpunkt liegt dabei auf den Schwierigkeiten muslimischer Jugendlicher, die durch vermeintliche Andersartigkeit oder einen individuellen Freiheitswunsch, mit der Tradition ihrer Familien und ihrem Glauben in Konflikt geraten.
Die 17-jährige Ebru und ihr älterer Bruder Tarik leben mit ihren Eltern in einer provinziellen Kleinstadt nahe Wien. Ebru, einziges Kopftuch tragendes Mädchen der Gegend, führt das Leben einer Außenseiterin. Dieser Umstand ändert sich, nachdem sie die gleichaltrige Lena kennen lernt, die mit ihren beiden Müttern aus Wien in die ländliche Idylle zieht. Die “Schleiereule” und das “Lesbenkind”, wie die zwei von Gleichaltrigen genannt werden, sind bald unzertrennlich.
Als Ebru sich in Mona, die ältere Schwester eines Klassenkameraden, verliebt und mit ihr eine Liebesbeziehung beginnt, eskalieren die Konflikte - folgenreich für Ebru: In ihrem Kinderzimmer wird sie wochenlang isoliert, wie eine Gefangene gehalten. Allein mit ihren Gedanken und der Aussicht auf eine erzwungene Heirat fällt sie eine weitreichende Entscheidung.
Tagebucheinträge, SMS-Dialoge und Chat ziehen die Leser_innen ins Geschehen hinein, verleihen dem Roman Authentizität und Lebendigkeit. (Besprechung: Florine Arnoldi)
Ulrike Helmer, Sulzbach/Taunus, 2010, 347 Seiten, 19,95 Euro
Waris Dirie
Schwarze Frau, weißes Land
Die Waris Dirie Stiftung will besonders Unternehmerinnen fördern, die Arbeitsplätze von für Frauen schaffen. Schließlich appelliert sie an die Industrieländer, sich Afrika gegenüber partnerschaftlich und solidarisch zu verhalten, denn ihre persönliche Überzeugung ist, dass sich alle mit Liebe und Respekt begegnen sollen.
Droemer, München 2010, 344 Seiten, 19,95 Euro
Güner Yasemin Balci
ArabQueen oder der Geschmack der Freiheit
Die junge Mariam führt ein Leben im Schattendasein. Versuchte, aufgedeckte oder vermeindliche Grenzüberschreitungen, wie Schminken oder gar enganliegende Kleidung, werden im Familienkreis als Schande und Ehrlosigkeit verstanden. Die Bestrafung, meist in Form von Schlägen, folgt sofort. Die gewünschte Selbstbestimmung erscheint dem Mädchen unereichbar. Nachdem Mariam die deutsche Lena kennenlernt und sich mit ihr anfreundet, erahnt sie immer öfter den Geschmack der Freiheit.
Der Leidensdruck und die innere Zerissenheit des jungen Mädchens werden durch ständige Überwachung übermäßig. Als sie schließlich gegen ihren Willen heiraten soll, muss sich Mariam zwischen Flucht und dem sozialen Tod oder einem fremdbestimmten Leben entscheiden, das für ihre gewünschte Individualität keinen Platz bereithält.
Beindruckend ist dieses Buch, in dem sich die Autorin mit dem Schicksal junger Frauen solidarisiert, die den Mut aufbringen, den Start in ein neues Leben zu wagen.
Es ist ein gelungener Appell – ein literarisches Aufbegehren – wie sie es selbst nennt: Gegen Fremdbestimmung und für die Freiheit, selbst zu entscheiden. (Besprechung: Florine Arnoldi)
S. Fischer, Frankfurt am Main, 2010, 319 Seiten, 14,95 Euro
Isabella Kroth
Halbmondwahrheiten

Türkische Männer in Deutschland - Innenansichten einer geschlossenen Gesellschaft
Vor vier Jahren gründete der Psychologe Kazim Erdogan in Berlin-Neukölln die erste Selbsthilfegruppe für Männer, denen überholte Ehrvorstellungen und Rollenmuster zu schaffen machen. Seither treffen sich die Männer dort, um über ihre kaputten Ehen, über Sex, Liebe, Religion und Kindererziehung sprechen. Zwölf dieser Männer haben der Journalistin Isabella Kroth für ihr Buch Halbmondwahrheiten ihre Lebensgeschichten erzählt.
Zwölf Geschichten, die Einblicke in eine scheinbar unzugänglichen Gesellschaft ermöglichen.
Sie behandeln die ungelösten Probleme der Integration, etwa warum Ali auch nach 40 Jahren in Deutschland kaum Deutsch spricht, warum Ismet keine Chance hatte, sein Abitur zu machen, sondern als junges Familienoberhaupt schnell Geld verdienen musste. Warum Koray eine Frau aus der Türkei als Ehefrau akzeptiert, obwohl er sie kaum kennt. Wie Adem mit seiner neuen Aufgabe als alleinerziehender Vater umgeht. Und warum Ahmet als Importbräutigam nach Deutschland aufgebrochen ist.
“Hinter vielem, was wir verurteilen, steht Unsicherheit und vor allem Scham. Meine Protagonisten sind Multiplikatoren. Ich bin mir sicher: Wenn sich die Männer ändern, hilft das auch den Frauen” ist die Autorin in einem Interview in der Tageszeitung Die Welt überzeugt.
Diederich, München, 2010, 219 Seiten, 16,95 Euro