Vom Menschen zur Ware: Frauenhandel im 21. Jahrhundert
Frauen sind weltweit in besonderem Maße von Menschenhandel betroffen, insbesondere im Bereich sexueller Ausbeutung: Laut dem UNODC Global Report on Trafficking in Persons 2024 sind weltweit 61% der Betroffenen von Menschenhandel Mädchen und Frauen; in Deutschland sind 87% der Betroffenen von sexueller Ausbeutung weiblich. Dieser Frauenhandel ist eng verknüpft mit globalen Macht- und Ungleichheitsverhältnissen: Frauen aus wirtschaftlich, sozial und/oder ökologisch benachteiligten Lebensrealitäten geraten nicht nur durch Zwang oder Täuschung, sondern häufig auch aufgrund strukturell bedingter Perspektivlosigkeit in ausbeuterische Abhängigkeiten. Dabei handelt es sich nicht um Einzelfälle, sondern um Ausdruck eines globalen Systems geschlechtsspezifischer Gewalt, wirtschaftlicher Ausbeutung und patriarchaler Dominanz, das Frauenkörper zur Ware macht – und daraus Profit schlägt.
Wenn Menschen andere Menschen unter Zwang, Betrug und/oder Täuschung rekrutieren, um sie für ihre Zwecke auszubeuten, sprechen die Vereinten Nationen von Menschenhandel. Dieser Definition hat sich die EU angeschlossen, um den Straftatbestand Menschenhandel festzulegen. Deutschland hat diese EU-Gesetzgebung im Sommer 2016 in nationales Recht umgesetzt. Seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2021 machen sich in Deutschland auch KäuferInnen sexueller Handlungen strafbar, wenn sie diese trotz erkennbarer Zwangslage in Anspruch nehmen.
Formen von Frauenhandel:
Die Richtlinie 2011/36/EU (Anti-Menschenhandelsrichtlinie) definiert Menschenhandel als „Rekrutierung, Beförderung, Überstellung, Beherbergung oder Aufnahme von Personen“, durch Zwang, Betrug, Täuschung, Machtmissbrauch oder Ausnutzung von Verwundbarkeit zum Zweck der Ausbeutung, u.a sexuelle Ausbeutung, Zwangsarbeit, Sklaverei, Organentnahmen u.ij. Die Änderungsrichtlinie 2024/1712 (in Kraft seit 14. Juli 2024) erweitert diese Definition um Zwangsheirat, unrechtmäßige Adoption und Ausbeutung durch Leihmutterschaft. Des Weiteren wird normiert, dass die vorsätzliche Inanspruchnahme von aus Menschenhandel resultierenden Leistungen strafbewehrt ist. Zugleich erfolgte eine Verschärfung der Strafvorschriften im Zusammenhang mit digitaler Ausbeutung.
Während die EU-Richtlinie den Begriff Menschenhandel verwendet und die folgenden Definitionen für alle Geschlechter gelten, verwenden wir bewusst den Begriff Frauenhandel, um das geschlechtsspezifische Ausmaß dieser Gewalt sowie den besonderen Betroffenheitsgrad von Frauen sichtbar zu machen. Es existieren Definitionen hier nicht aufgeführter Ausbeutungsformen (z.B. unrechtmäßige Adoption, Organentnahme), welche in der EU-Richtlinie nachgelesen werden können.
Frauenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung meint Zwangsprostitution, pornografische Ausbeutung sowie sonstige Formen sexueller Dienstleistungen, zu denen die betroffene Person unter ausbeuterischen Bedingungen gezwungen oder genötigt wird.
Frauenhandel zum Zweck der Zwangsheirat bezeichnet eine Form des Menschenhandels, bei der Personen, insbesondere Frauen und Mädchen, unter Zwang, Täuschung oder Ausnutzung ihrer Verwundbarkeit in eine Ehe oder Partnerschaft gedrängt werden. Dies erfolgt ohne deren freiwillige Zustimmung und mit dem Ziel, die betroffenen Personen auszubeuten, z.B. durch erzwungene häusliche Arbeit, sexuelle Ausbeutung oder die Beschränkung ihrer Rechte und Freiheiten.
Frauenhandel zur Ausbeutung der Leihmutterschaft: Frauen werden unter Zwang oder durch Täuschung genötigt, ein Kind auszutragen und dann abzugeben. TERRE DES FEMMES arbeitet zu Leih- bzw. Mietmutterschaft im Referat sexuelle und reproduktive Rechte.
Frauenhandel zum Zweck der Zwangsarbeit oder Ausbeutung der Arbeitskraft umfasst unter anderem die Ausbeutung in Bereichen wie Landwirtschaft, Bauwesen und Haushalt, wo die Betroffenen oft unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten und in der Regel keine freien Arbeitsrechte haben. Frauenhandel betrifft überwiegend Sektoren wie Haushalt und Pflege, in denen Frauen häufig unter prekären Bedingungen arbeiten, schlecht oder gar nicht entlohnt werden und physische wie psychische Gewalt erleben.
Zahlen, Daten, Fakten
Schätzungen über die Anzahl der Betroffenen von Menschenhandel basieren auf unterschiedlichen Annahmen und Quellen. Der Gobal Report on Trafficking in Persons 2024 zeigt einen deutlichen Anstieg der registrierten Betroffenen: Im Jahr 2022 wurden weltweit 69.627 Fälle von Menschenhandel erfasst, was einem Zuwachs von 25% im Vergleich zu 2019 entspricht⁴. Menschenhandel zum Zweck sexueller Ausbeutung und zum Zweck der Zwangsarbeit stellen die häufigsten Formen der Ausbeutung dar. Dabei machen Frauen und Mädchen mehr als 90 % der Betroffenen sexueller Ausbeutung aus, während Männer etwa 70 % der betroffenen Personen in Fällen von Zwangsarbeit ausmachen.
Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) schätzt 2021 global einen jährlichen Ertrag aus Menschenhandel von 236 Milliarde USD. Die ILO schätzt ferner, dass 2021 circa 50 Millionen Menschen weltweit von Menschenhandel betroffen waren, mehr als die Hälfte davon Frauen. 6,4 Millionen davon werden in Europa und Zentralasien ausgebeutet. Eurostat vermerkte 2022 10.093 Betroffene von Menschenhandel in der EU, davon 63% Mädchen und Frauen. 4.014 davon sind von sexueller Ausbeutung betroffen. In Deutschland zählte das Bundeskriminalamt (BKA) in abgeschlossenen Ermittlungsverfahren 2023 insgesamt 428 Betroffene von Menschenhandel zwecks sexueller Ausbeutung (407 davon weiblich, das entspricht 95,1%). Die meisten Fälle des Frauenhandels fallen in Deutschland in den Bereich der sexuellen Ausbeutung.
Aufgrund der vielgestaltigen Erscheinungsformen des Frauenhandels ist es schwierig, verlässliche Zahlen auf nationaler und internationaler Ebene zu ermitteln. Trotz der vorliegenden offiziellen Statistiken muss von einem erheblichen Dunkelfeld ausgegangen werden, wodurch das tatsächliche Ausmaß des Menschen- und Frauenhandels nach wie vor unklar bleibt. Das liegt unter anderem daran, dass ein Großteil der Betroffenen aus diversen Gründen (z.B. Angst vor TäterInnen, prekärer Aufenthaltsstatus oder mangelndes Vertrauen in staatliche Institutionen) keine Strafanzeige erstattet.
Im Jahr 2024 veröffentlichte der Bundesweite Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V. (KOK) einen Datenbericht, in dem insgesamt 702 dokumentierte Fälle von Menschenhandel aufgeführt werden. Der Bericht weist zudem darauf hin, dass 34% der betroffenen Personen im Alter von 22 bis 29 Jahren sind. ⁵
Hier gelangen Sie zu unseren politischen Forderungen im Bereich Frauenhandel.
Quellen:
²https://www.unodc.org/documents/data-and-analysis/glotip/2024/GLOTIP2024_BOOK.pdf
³https://eur-lex.europa.eu/eli/dir/2011/36/oj/eng
⁴https://eur-lex.europa.eu/eli/dir/2024/1712/oj/eng
⁷ https://www.unccd.int/sites/default/files/2023-06/DDD_2023%20Programme_12June.pdf