Kaum Gewaltschutz im Umgangs- und Sorgerecht

Wenn Paare mit Kindern sich trennen, sich zur Umgangsregelung untereinander aber nicht einvernehmlich einigen können, werden Jugendämter und Familiengerichte hinzugezogen. Bei diesen Prozessen lassen sich patriarchale Strukturen erkennen, die gewaltbetroffene Frauen systematisch ausliefern und es erlauben, dass gewaltausübende Väter auf institutionellem Weg auch nach der Trennung Kontrolle über ihre Ex-Partnerin erlangen.

Jedes Jahr werden in Deutschland vor Familiengerichten im Kontext von Trennungen etwa 148.600 Fälle verhandelt.[i]Dabei geht es vor allem darum, umgangs- oder sorgerechtliche Fragen zu entscheiden. Meist soll eine einvernehmliche Lösung zwischen Müttern und Vätern zum Umgang mit den gemeinsamen Kindern gefunden werden. Mütter und Väter, denen das Wohl ihrer Kinder am Herzen liegt und die beide weiter einen festen Platz im Leben des Kindes möchten. Leider ist das jedoch nicht immer der Fall. Denn Trennungen können problematisch sein, in manchen Fällen sogar gefährlich. Vor allem für Frauen.

Häusliche Gewalt nach der Trennung

Bei jeder zehnten Trennung kommt es zu sogenannter Nachtrennungsgewalt, also Gewalt gegen die Frau und/oder das Kind durch den Ex-Partner. Frauen mit Kindern sind überdurchschnittlich stark betroffen: 41 Prozent aller Mütter, die im Trennungskontext Gewalt erfahren, wurden während der Umgangszeiten oder in Übergabesituationen vom Kindsvater angegriffen. Hier zeigt sich, wie gefährdet gewaltbetroffene Mütter durch die Umgänge gewalttätiger Väter sind. Häufig, aber nicht immer, geht der Nachtrennungsgewalt eine gewaltvolle Beziehung voraus.[ii] Kam es bereits während der Beziehung zu häuslicher Gewalt, wird in 90 Prozent der Fälle Nachtrennungsgewalt ausgeübt (Barnett 2020, S. 20).

In einer ersten bundesweiten Umfrage zum Thema „Nachtrennungsgewalt und institutionelle Gewalt bei Gewaltbetroffenheit in Umgangs- und Sorgerechtsangelegenheiten“ geht TERRE DES FEMMES den Fragen nach Machtgefällen in Partnerschaften mit Kindern nach und den Auswirkungen dieser Machtgefälle auf Mütter und Kinder nach einer Trennung.

Quellen

[i] Hammer, Wolfgang (2022), „Familienrecht in Deutschland – Eine Bestandsaufnahme“, S.13.

[ii] Susanne Nothhafft (2009), „Sorge- und Umgangsrecht bei häuslicher Gewalt in der frühen Kindheit: Von der Notwendigkeit, den Gewaltschutz im Familiensystem zu synchronisieren“, S. 134., verfügbar unter: https://www.fruehehilfen.de/fileadmin/user_upload/fruehehilfen.de/pdf/Fruehe_Hilfen_Haeusliche_Gewalt.pdf

[i] R. Thiara und C. Harrison (2016), " Sicherheit statt Entschuldigung: Schlüsselfragen der Forschung zu Kinderkontakten und häuslicher Gewalt", Women's Aid, verfügbar unter: www.womensaid.org.uk/wp-content/uploads/2016/01/FINAL-Safe-not-sorry-FOR-WEB-JAN-2016.pdf. S. 15.[2] https://www.merkur.de/lokales/ebersberg/weltfrauentag-gewalt-jugendamt-recht-frau-straftat-ebersberg-landratsamt-gerechtigkeit-92130453.html

[ii] Asha Hedayati, "Statt auf die Täter schauen wir auf das Verhalten der Frau", ZEITmagazin online, verfügbar unter: https://www.zeit.de/zeit-magazin/familie/2023-09/asha-hedayati-gewalt-frauen-emanzipation-politik/seite-2

Weitere Quellen:

Barnett, Adrienne. 2020: „Domestic abuse and private law children cases- A literature review”, Ministry of Justice Analytical Series.

https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/nrv-haeusliche-gewalt-neue-richtervereinigung-fordert-aenderungen-im-umgangsrecht, eingesehen am 10. Oktober 2023

https://www.frauenhauskoordinierung.de/arbeitsfelder/umgangsrecht-und-gewaltschutz

Hammer, Wolfgang. 2022: „"Familienrecht in Deutschland- Eine Bestandsaufnahme".

https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/kindeswohl-sorgerecht-streit-polizei-100.html

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