Frühehen als eine Form der Zwangsverheiratung

Eine Frühehe (engl.: early bzw. child marriage) liegt laut UNICEF dann vor, wenn einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung noch nicht 18 Jahre alt ist. Dazu zählen auch informelle Eheschließungen und Verlobungen.

Folgen einer Frühehe

Frühehen bedeuten das Ende der Kindheit. Mädchen werden früh in die Rolle der Ehefrau und Mutter gedrängt. Mit einer Eheschließung endet zumeist die schulische Ausbildung, womit den Mädchen höhere Bildung und damit einhergehend bessere ökonomische Chancen und Unabhängigkeit verwehrt werden. Stattdessen geraten sie früh in eine starke finanzielle Abhängigkeit zu ihrem Ehemann. Auch bergen sehr frühe Schwangerschaften ein hohes gesundheitliches Risiko.

Zudem haben Frauen, die minderjährig verheiratet wurden, ein höheres Risiko, innerhalb ihrer Ehe von häuslicher/sexualisierter Gewalt betroffen zu sein. (1)

Die Gesetzeslage

In Deutschland ist es seit Juli 2017 verboten, Ehen mit Minderjährigen zu schließen. Ehen dürfen ausnahmslos erst ab 18 Jahren geschlossen werden. Das „Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen“ schließt damit auch informelle Trauungen oder Verlöbnisse mit ein.  Ehen, die bereits im Ausland mit Minderjährigen geschlossen worden sind, sind in Deutschland entweder nichtig (bei einer Heirat unter 16 Jahren) oder aufhebbar (bei einer Heirat mit 16 oder 17 Jahren).

Unterschiedliche Mindestheiratsalter weltweit

Ein gesetzliches Mindestheiratsalter von 18 Jahren ist ein wichtiger Schritt die schädliche Praxis zu beenden. Doch sind Mindestheiratsalter allein kein Garant dafür, dass minderjährige Eheschließungen verhindert werden. Zudem gibt es vielfach Ausnahmen – beispielsweise ist das Mindestheiratsalter für Mädchen in vielen Ländern niedriger als für Jungen. Oder eine Frühehe wird als begründet angesehen, wenn die Eltern zustimmen oder bereits eine Schwangerschaft vorliegt. Auch fehlt es häufig sowohl an staatlichen Institutionen, die eine Zuwiderhandlung ahnden als auch an Aufklärungskampagnen und Projekten, die tradierte Rollen- und Geschlechterbilder kritisch hinterfragen. Selbst in den USA gibt es derzeit (Stand 2025) noch Bundesstaaten, in denen das Mindestheiratsalter bei 15, 16 oder sogar bei 0 Jahren liegt. (2)

Mythos: „Nicht jede Frühehe ist automatisch schlecht. Die Mädchen sind früh ´abgesichert´. Der Ehemann versorgt und beschützt sie.“

TERRE DES FEMMES sieht Frühehen als eine Form der Zwangsverheiratung an. Auch wenn die Minderjährige der Eheschließung scheinbar zugestimmt hat, können Kinder und Jugendliche Folgen und Ausmaß einer verfrühten Eheschließung nicht einschätzen. Auch befinden sie sich in einem starken Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Eltern. Das Recht auf Selbstbestimmung und freie PartnerInnenwahl wird eingeschränkt bzw. ihnen verwehrt. 

Mit einer Frühehe werden Mädchen zudem früh in ein starkes Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Ehemann gebracht, sowohl in finanzieller als auch persönlicher Hinsicht. In streng patriarchalen Strukturen gelten Mädchen und Frauen als „Besitz“ des Ehemanns.

Die Folgen einer Frühehe währen somit ein Leben lang.

Mehr als 5 Kinderrechtsverletzungen auf einmal

Mit einer Frühehe gehen auch vielfältige Kinderrechtsverletzungen einher. Zu diesen gehören:

  • Artikel 3 der Kinderrechtskonvention: Wohl des Kindes

Grund: Eine Frühehe hat vor allem für Mädchen viele negative Folgen, die ein Leben lang währen können. Frühehen zementieren patriarchale Strukturen und ein traditionelles Rollenbild, in dem Frauen dem Mann tendenziell untergeordnet sind und nicht die gleichen Rechte haben. Dies geht einher mit einer starken Kontrolle ihrer Sexualität, dem höheren Risiko minderjähriger und häufiger Schwangerschaften sowie die Gefahr einer lebenslangen finanziellen Abhängigkeit vom Ehemann – um nur einige mögliche Folgen zu nennen.

  • Artikel 11 der Kinderrechtskonvention: Schutz vor Entführung

Grund: Viele Zwangsverheiratungen finden im Ausland statt.(3) Oft werden den Mädchen die Pässe und Kommunikationsmöglichkeiten genommen und sie müssen fortan bei ihren „Schwiegereltern“ leben. Eine Rückkehr nach Deutschland ist sehr schwer möglich.

  • Artikel 12 und 13 der Kinderrechtskonvention: Berücksichtigung des Kindeswillens und Recht auf freie Meinungsäußerung

Grund: Minderjährige, die in frühe Ehen gezwungen werden, haben oft nicht die Möglichkeit, selbst über ihre Zukunft zu entscheiden. Selbst wenn sie einer PartnerInnenwahl scheinbar zustimmen, stehen sie in einem starken Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Eltern und möglicherweise unter hohem Druck des sozialen Umfelds. Ein anderer Lebensentwurf wurde zumeist weder vorgelebt noch ermöglicht. Eigene Träume und Ziele zu verfolgen, die dem traditionellen Rollenbild widersprechen, wird zumeist kein Raum gegeben.

  • Artikel 16 der Kinderrechtskonvention: Recht auf Privatsphäre

Grund: Minderjährige, die verheiratet werden, wachsen meist streng kontrolliert auf. Besonders Mädchen werden in ihrer freien Entfaltung stark eingeschränkt. Häufig dürfen sie nicht einmal freundschaftlichen Kontakt zu Jungen haben, weil allein dies ihrem Ruf schaden könnte.

  • Artikel 19 und 34 der Kinderrechtskonvention: Schutz vor Gewalt und sexuellem Missbrauch

Grund: Frauen, die minderjährig verheiratet wurden, haben ein höheres Risiko, innerhalb ihrer Ehe von häuslicher/sexualisierter Gewalt betroffen zu sein. (4)

  • Artikel 28 der Kinderrechtskonvention: Recht auf Bildung

Grund: 87% der verheirateten Mädchen zwischen 15 und 17 Jahre gehen nicht mehr zur Schule. (5)

  • Artikel 31 der Kinderrechtskonvention: Recht auf Freizeit und Spiel

Grund: Die Minderjährigen werden früh in die Rolle der Erwachsenen gedrängt. Mädchen müssen sich zumeist um Haushalt, „Ehemann“ und potenziell eigene Kinder kümmern; Jungen ihre Familie ernähren.

(1) Kidman, Rachel: “Child marriage and intimate partner violence: a comparative study of 34 countries”, in: International Journal of Epidemiology (46:2), S. 662–675, 2016.

(2) Unchained at last: “Child Marriage in the U.S. / Youngest Marriage Age Allowed”, online unter: https://www.unchainedatlast.org/child-marriage-in-the-u-s/. Letzter Abruf 05.03.2025.

(3) Die letzte bundesweite Studie zu Zwangsheirat in Deutschland ergab, dass 52% der Zwangsverheiratungen im Ausland stattfanden oder für dort geplant waren – und dies betraf sowohl im Ausland als auch in Deutschland geborene Personen. Zudem befürchteten 43% der Personen, die sich im Vorfeld Beratung suchten, mit einer Verheiratung dazu gezwungen zu werden, dauerhaft im Ausland zu leben, s. Mirbach, Thomas/ Schaak, Torsten/ Triebl, Katrin: Zwangsverheiratung in Deutschland: Anzahl und Analyse von Beratungsfällen, Opladen 2011, S. 100/101. Eine aktuellere Umfrage für Berlin stellte einen noch stärkeren Auslandsbezug her. Demnach fanden 88% der Zwangsverheiratungen im Ausland statt, 81% waren für dort geplant, s. Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg / Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte Petra Koch-Knöbel: Evaluationsergebnisse der Umfrage des Berliner Arbeitskreises gegen Zwangsverheiratung zum Ausmaß von Zwangsverheiratungen in Berlin 2022, Berlin 2023. Sowohl die bundesweite Studie als auch die Berliner Umfrage ermittelte, dass rund ein Drittel aller von Zwangsverheiratung Bedrohter oder Betroffener minderjährig ist.

(4) Kidman, child marriage.

(5) United Nations Children’s Fund: The Power of Education to End Child Marriage, UNICEF, New York 2022, S. 9.

nach oben
Jetzt spenden