"Ehren"-Mord und Gewalt im Namen der Ehre: Warum die Begriffe für die Diskussion so wichtig sind.
Ehre oder Familienehre wird in vielen Kulturkreisen und Ländern unterschiedlich definiert. In stark patriarchal geprägten Gesellschaften ist die Familienehre abhängig vom "richtigen" Verhalten der weiblichen Familienmitglieder, die quasi als Besitz des Mannes angesehen werden.
Der Todestag von Hatun Sürücü, der sich am am 07.02.2025 zum 20. Mal jährt, erinnert uns an einen der bekanntesten Fälle, in denen im Namen der vermeintlichen „Familienehre“ eine Frau ermordet wurde, weil sie frei und selbstbestimmt leben wollte. Hatun Sürücü floh aus einer Zwangsehe und entschied fortan selbst über ihr Leben – gegen den Willen ihrer Familie.
Der Mord löste eine bundesweite Debatte über Gleichberechtigung, patriarchalische Traditionen, Zwangsheirat sowie notwendige Präventionsmaßnahmen aus. Auch 20 Jahre nach dem Tod von Hatun Sürücü stellt sich die Frage: Was muss noch getan werden, um gefährdete Mädchen und Frauen wirksam vor Zwangsheirat und Gewalt im Namen der Ehre zu schützen und patriarchalische Strukturen langfristig zu überwinden?
TERRE DES FEMMES veranstaltet deshalb eine Online-Podiumsdiskussion am 30. Januar 2025, von 18.00 bis ca. 19.30 Uhr via Zoom, um mit Sandra Maischberger, Matthias Deiß, Prof. Dr. Dr. Jan Ilhan Kizilhan, der Influencerin Anna und Myria Böhmecke zu den Hintergründen von Zwangsheirat, Frühehen und sogenannten „Ehren“-Morden zu diskutieren.
Warum TERRE DES FEMMES weiterhin den Begriff „Ehren“-Mord verwendet
Frauen und Mädchen haben sich „keusch“ zu verhalten, voreheliche sexuelle Kontakte sind tabu. Sie werden streng kontrolliert und überwacht. Halten sie sich nicht an die der Gemeinschaft zugrunde liegenden Sitten- und Moralvorstellungen, kann die Familienehre als beschmutzt gelten. Auch Gerüchte oder der bloße Verdacht eines vermeintlichen „Fehlverhaltens“ ihrerseits kann die Ehre der Familie beschädigen. Dann kann es als Aufgabe der Männer angesehen werden, die Ehre wiederherzustellen.
Hat ein Mädchen oder eine Frau durch ihr Verhalten nach Ansicht ihrer Familie "Schande" über sie gebracht, wird diese alles tun, um die Familienehre wieder herzustellen. In einigen Fällen sehen sie die einzige Möglichkeit dafür in der Ermordung (Mord im Namen der Ehre = "Ehren"-Mord) der für den Ehrverlust verantwortlichen Person.
Auch Männer können von sog. Ehrenmorden betroffen sein, genauso wie Frauen in der Tatvorbereitung involviert sein können. Allgemein gesehen ist bei Ehrverbrechen oft von einem Kollektiv an involvierten Personen auszugehen.
Was unterscheidet einen "Ehren"-Mord von einem Femizid? Eine Begriffsdefinition
Überall auf der Welt und zu jeder Zeit werden Frauen ermordet. Zumeist von den eigenen (Ex-)Partnern oder Familienangehörigen - die Umstände sind nie dieselben und doch immer ähnlich: asymmetrische Machtstrukturen, männliche Besitzansprüche, patriarchal geprägte Denkmuster, tradierte Rollenbilder.
Doch egal in welchem Kontext oder mit welcher Motivation, es darf nie aus dem Blick geraten: Jede Tötung ist eine zu viel.
Um Tötungen an Frauen als strukturelles Problem sichtbar zu machen und präventiv zu begegnen, ist es wichtig, diese als solche zu benennen und eindeutige Definitionen zu verwenden. Der Begriff des Femizids setzt sich mehr und mehr in unserem Sprachgebrauch durch: Die Tötung einer Frau, weil sie eine Frau ist. Doch häufig liest man auch von (mutmaßlichen) „Ehren“-Morden. Was verbirgt sich dahinter? Wo liegen mögliche Unterschiede zu Femiziden – oder auch Gemeinsamkeiten? Wieso ist es wichtig, beide Begriffe zu verwenden? Diesen Fragen sind wir auch in einem ausführlichen Papier nachgegangen, das Sie hier (PDF) einsehen können.