Im Vorfeld der Bundestagswahl am 22. September 2013 und der Landtagswahl in Bayern am 15. September 2013 und am 22. September in Hessen hat TERRE DES FEMMES Wahlprüfsteine an die Bundes- und Landesparteien geschickt, um abzufragen, wie diese Gewalt gegen Mädchen und Frauen insbesondere Gewalt im Namen der Ehre und Zwangsverheiratung in der nächsten Legislaturperiode bekämpfen wollen.
Soweit wir Antworten erhalten haben, können Sie diese im Folgenden nachlesen:
Das Thema Gewalt im Namen der Ehre und Zwangsverheiratung
Aus einer Studie des Bundesfamilienministeriums (hrsg. 2011) geht hervor, dass in Deutschland jährlich über 3.400 Mädchen und Frauen von einer Zwangsverheiratung bedroht oder betroffen sind, über 70% sind jünger als 21 Jahre. Zwar gilt seit Juli 2011 Zwangsverheiratung als eigenständiger Straftatbestand, jedoch bleiben Lücken im Opferschutz bestehen.
Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl:
TERRE DES FEMMES fordert die Rücknahme der Verlängerung der Ehebestandszeit und eine Beweislastumkehr bei der Härtefallregelung. Das heißt, dass im Regelfall eine Versicherung an Eides statt als Beweismittel für die besondere Härte ausreichend ist, wenn der Ausländerbehörde keine anderen Erkenntnisse vorliegen.
CDU/CSU: „Es sollte geprüft werden, ob beim Thema Zwangsverheiratung ggf. gesetzlich nachjustiert werden muss.“
SPD: „Durch die Verlängerung (Anmerkung: der Ehebestandszeit) besteht die Gefahr, dass die Leidenszeit bei einer Zwangsehe oder anderweitig von Gewalt geprägter Ehe, aus der sich der oder die betroffene Partner/in lösen möchte, die Leidenszeit um ein Jahr verlängert wird. Es besteht Handlungsbedarf, diese Verschärfung mit einer Rückkehr zur zweijährigen Ehebestandszeit rückgängig zu machen.“
FDP: „In dieser Frage mu¨ssen die Missbrauchsgefahr bei Scheinehen und das Recht der ausländischen Ehegatten auf einen eigenständigen Aufenthaltstitel abgewogen werden (...) Eine Evaluation in Bezug auf die Frage, ob die Härtefallregelung ausreichend Anwendung findet, bzw. ob sie fu¨r die Verwaltung handhabbar ist, und den Betroffenen nu¨tzt, erscheint der FDP sinnvoll.“
LINKE: „Die Mindestehebestandszeit muss wieder auf höchstens zwei Jahre gesenkt werden. Die Härtefallregelung nach § 31 Absatz 2 AufenthG für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht von Ehegatten muss so ausgestaltet werden, dass diese insbesondere von Opfern von Gewalt und Zwangsheirat jederzeit in Anspruch genommen werden kann, ohne Angst vor einer Abschiebung haben zu müssen.“
Piraten: „Inhumane Beweissicherungsverfahren lehnen wir ab (...) Wir fordern die Legalisierung des Aufenthaltes von Migrantinnen auch dann, wenn sie Ihr Aufenthaltsrecht durch Scheidung verlieren, und zwar ohne weitere Begründung. Diese sollen eine unbefristete Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis erhalten, um einen geregeltes Leben in Würde führen zu können.“
TERRE DES FEMMES fordert, dass sich die Nebenklage auf das Strafvollstreckungsverfahren erstreckt und den Opfern ein Anhörungs- und Akteneinsichtsrecht gewährt wird.
Piraten: „Hierzu gibt es leider noch keine Beschlusslage, mit dem Thema an sich beschäftigen wir uns allerdings intensiv.“
Die ausführlichen und kompletten Forderungen von TERRE DES FEMMES sowie die ausführlichen Antworten der Parteien können Sie in den PDF-Dokumenten nachlesen:
- Forderungen TERRE DES FEMMES (PDF)
- CDU/CSU (PDF)
- SPD (PDF)
- FDP (PDF)
- DIE LINKE (PDF)
- Bündnis 90/Die Grünen (folgt)
- Piraten Partei (PDF)
Wahlprüfsteine zur Landtagswahl in Bayern:
TERRE DES FEMMES fordert eine Regelfinanzierung für Beratungsstellen und Schutzeinrichtungen sowie eine sofortige Jugendhilfegewährung für volljährige Jugendliche zwischen 18 und 21 Jahren. Pauschal finanzierte Notaufnahmeplätze für von Zwangsverheiratung betroffene Mädchen und junge Frauen sind bereitzustellen. Für Jungen und Paare müssen ebenfalls spezialisierte Einrichtungen geschaffen werden.
CSU: „Die CSU setzt sich für Maßnahmen zur Bekämpfung von Zwangsverheiratung ein.“
Die Grünen: „Wir Grüne im Bayerischen Landtag wollen mehr Mittel für Fachberatungsstellen und Schutzeinrichtungen zur Verfügung stellen. Es bedarf spezieller Inobhutnahme-Stellen für Frauen, die von Zwangsheirat bedroht sind oder aus einer Zwangsehe flüchten wollen. Darüber hinaus wollen wir niedrigschwellige mehrsprachige Beratungsangebote einrichten.“
Freie Wähler: „Um Zwangsverheiratung wirkungsvoll zu verhindern, braucht es spezialisierte Beratungsstellen und Schutzeinrichtungen mit spezialisiertem Personal und sensibilisierten Mitarbeitern. Hier muss eine langfristige und verlässliche Finanzierung sichergestellt werden. Auch in diesem Zusammenhang muss über den Ausbau von Frauenhäusern nachgedacht werden.“
TERRE DES FEMMES fordert, dass Personen und Institutionen, die mit Betroffenen in Berührung kommen (z. B. Sozialamt, Jugendamt, Polizei, Richter und Lehrkräfte) sachgerecht geschult und sensibilisiert werden.
Die Grünen: „[Wir wollen] das Fach- und Lehrpersonal in Jugendhilfe, Polizei, Justiz und Schulen sensibilisieren und qualifizieren.“
Freie Wähler: „(...) wir [sprechen] uns dafür aus, dass [sic] Thema Zwangsverheiratung in den Schulen zu thematisieren. Nur eine enge Zusammenarbeit von Polizei, Behörden und Hilfe- und Beratungsstellen kann wirkungsvolle Hilfe leisten.“
TERRE DES FEMMES fordert eine bessere Kooperation von Behörden und eine Klärung der sachlichen Zuständigkeiten, um Bedrohten und Betroffenen von Gewalt im Namen der Ehre schnell und effektiv helfen zu können.
Freie Wähler: „Nur eine enge Zusammenarbeit von Polizei, Behörden und Hilfe- und Beratungsstellen kann wirkungsvolle Hilfe leisten. Hierzu braucht es in Bayern Konzepte und Verfahrensabsprachen zwischen Behörden, wie sie bereits in einigen Bundesländern existieren. Wir FREIEN WÄHLER sind der Ansicht, dass derzeitige Konzepte kritisch überprüft und gegebenenfalls weiterentwickelt werden müssen.“
Wahlprüfsteine zur Landtagswahl in Hessen:
TERRE DES FEMMES fordert eine Regelfinanzierung für Beratungsstellen und Schutzeinrichtungen sowie eine sofortige Jugendhilfegewährung für volljährige Jugendliche zwischen 18 und 21 Jahren. Pauschal finanzierte Notaufnahmeplätze für von Zwangsverheiratung betroffene Mädchen und junge Frauen sind bereitzustellen. Für Jungen und Paare müssen ebenfalls spezialisierte Einrichtungen geschaffen werden.
SPD: „Auch hier gilt es, die soziale Infrastruktur zu verbessen.“
Die Grünen: „Erforderlich sind kultursensible und gendergerechte Beratungs- und Präventionsangebote, die z. B auch die Väter, Brüder und Cousins in den Blick nehmen. Da für die Finanzierung der Beratungsstellen regelmäßig die Länder zuständig sind, hat die grüne Bundestagsfraktion gefordert, dass der Bund koordinieren sollte, dass -- als Ausdruck einer gesamtstaatlichen Verantwortung – verlässliche Finanzierungszusagen der Länder sichergestellt werden.“
TERRE DES FEMMES fordert, dass Personen und Institutionen, die mit Betroffenen in Berührung kommen (z. B. Sozialamt, Jugendamt, Polizei, Richter und Lehrkräfte) sachgerecht geschult und sensibilisiert werden.
CDU: „Wir werden uns auch in Zukunft dafür einsetzen, jede Form der Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen – durch Prävention, Information und Aufklärung (...).“
TERRE DES FEMMES fordert eine bessere Kooperation von Behörden und eine Klärung der sachlichen Zuständigkeiten, um Bedrohten und Betroffenen von Gewalt im Namen der Ehre schnell und effektiv helfen zu können.
SPD: „Das von Ihnen erwähnte Konzept aus Baden-Württemberg kann für eine entsprechende Regelung in Hessen sicher ein Vorbild sein.“
Die Grünen: „Ähnlich wie im Bereich Frauenhandel soll eine dauerhafte Bund-Länder-Arbeitsgruppe gegen ‚Zwangsverheiratungen’ gegründet werden. Denn Frauen, die sich einer Zwangsverheiratung entziehen wollen, muss schnell, kompetent und effektiv – und oft auch - länderübergreifend geholfen werden. Dafür brauchen wir verbindliche Leitlinien.“