Afghanistan – Neues Kooperationsprojekt seit Oktober 2022

afghanistan g591185378 1920 Die Wiedereröffnung des Frauenbildungszentrums ist ein Lichtblick@Amber Clay auf PixabayIn den deutschen Medien spielt ihre Lage kaum noch eine Rolle und ist für sie selbst doch ein Desaster: Frauen und Mädchen in Afghanistan. Die Hiobsbotschaften rund um die Einschränkung ihrer Menschenrechte reißen nicht ab.

Ohne Begleitung eines männlichen Familienangehörigen dürfen Frauen nicht mehr reisen und zu ihrem Arbeitsplatz gelangen, sofern sie noch arbeiten dürfen. Dem Großteil der Mädchen wird der Besuch einer weiterführenden Schule verwehrt. Gewaltbetroffene Frauen erfahren keinerlei Rechts- und physischen Schutz mehr. Zahlreiche Häftlinge, darunter viele, die wegen Gewaltdelikten an Frauen inhaftiert waren, wurden von den Taliban freigelassen. Aufgrund des Ärztinnen-Mangels gestaltet sich die Gesundheitsversorgung von Frauen zunehmend schwierig. Verschleierung ist erneut verpflichtend und wird streng von der Religionspolizei überwacht. Das jüngste Verbot: Frauen dürfen öffentliche Parks, Fitnessstudios und Freizeitparks in der Hauptstadt Kabul nicht mehr aufsuchen.

Berufliches Know-how besonders nachgefragt

Doch es gibt einen Lichtblick: im Oktober 2022 konnte endlich das neue Konsortialprojekt von TERRE DES FEMMES und der Deutsch-Afghanischen Initiative in Afghanistan starten. Das Frauenbildungszentrum in Herat hat seine Tore wieder geöffnet! Noch etwas zögerlich meldeten sich schon im September die ersten Frauen zu Alphabetisierungs-, Englisch- und Nähkursen an. Doch als die Kurse Anfang Oktober 2022 starteten, gab es kein Halten mehr. Besonders nachgefragt sind derzeit Kurse, die praktisches Know-how für eine berufliche Tätigkeit, sprich in diesem Fall Nähkenntnisse, vermitteln. Ziel der Frauen ist, mit ihren eigenen Nähprodukten Geld zu verdienen und so ihre Familien zu ernähren oder zum Familieneinkommen beizutragen. Textilprodukte können sie problemlos zu Hause herstellen und durch ihre Männer oder männlichen Verwandten verkaufen lassen. Sehr viele Frauen sind auch deshalb hochmotiviert, weil sie ein Ziel verfolgen, ihre Häuser verlassen und außerhalb an Bildungskursen teilnehmen können.

Kontrollbesuche der Taliban

Doch die Lage ist nicht einfach: die Taliban kommen immer wieder zu Kontrollbesuchen im Frauenbildungszentrum vorbei und platzieren auch selbst Teilnehmerinnen in Kursen – fraglich, ob zu deren Bildungsförderung oder für eigene Überwachungszwecke. Hier muss das Team vor Ort sehr vorsichtig und aufmerksam vorgehen, damit die Arbeit von Frauen für Frauen weitergehen kann. Auch verlangen die Taliban, mit männlichen Ansprechpartnern zu interagieren, obwohl das Führungspersonal ausschließlich weiblich ist. Es ist ein Drahtseilakt, der den Mitarbeitenden vor Ort viel Fingerspitzengefühl und das Durchstehen riskanter Verhandlungssituationen abverlangt.

Psychologische Beratung und Kinderbetreuung

Neuerdings bietet das Team auch wieder verstärkt Beratungen für Frauen an. Keine Rechtsberatungen, da derzeit kein kodifiziertes Recht in Kraft ist und diese Angebote ein Sicherheitsrisiko darstellen würden, aber psychologische Beratungen bzw. Coaching-Sitzungen. Viele Frauen sind extrem verzweifelt und entmutigt angesichts der immer weiter um sich greifenden Restriktionen ihrer Bewegungs-, Handlungs- und Meinungsfreiheit. Sie fühlen sich ohnmächtig und häufig antriebslos oder depressiv, da sie das Gefühl haben, egal, was sie unternehmen und wie sehr sie sich anstrengen, es doch keine Zukunft für sie gibt und ihre Ambitionen sinnlos sind. Dieser Tendenz soll im Frauenbildungszentrum entgegengewirkt werden. Auch Kinderbetreuung wird mittlerweile ganztägig angeboten, da es vielen Frauen sonst nicht möglich wäre, überhaupt an Kursen teilzunehmen. Für die Kinder werden Bildungsspiele und bildungsorientierte Aktivitäten durchgeführt. Letztlich konnte auch das Café im Frauenbildungszentrum wiedereröffnet und den Frauen so erneut ein geschützter Raum zum Austausch zur Verfügung gestellt werden.

Unterstützung

Das neue Konsortialprojekt ist zunächst auf ein Jahr angesetzt, TDF will Frauen und Mädchen in Afghanistan aber möglichst langfristig unterstützen und zu ihrem anhaltenden Empowerment beitragen. Ein weiteres Projekt zur Förderung des Zugangs von Frauen und Mädchen zu höherer Bildung ist derzeit in Planung.

Unterstützen Sie sehr gerne unser frauenrechtliches Engagement in Afghanistan – Spenden werden wirklich dringend gebraucht! Vielen Dank!

Stand: 11/2022