Weibliche Genitalverstümmelung in Afrika – Informationen zum besseren Verständnis des Abschaffungsengagements

Wissenswertes

Die folgende Karte ist interaktiv. Für jedes Land haben wir Informationen zur Verbreitung von weiblicher Genitalverstümmelung sowie zu lokalen Erscheinungs- und Begründungsformen zusammengetragen. Unter der Karte geben wir einen groben Überblick über die sozialen, juristischen und präventiven Faktoren.

Beim Klick auf die „Pins“ öffnet sich jeweils ein informativer Beitrag mit landesspezifischen Informationen.

Afrikakarte Ägypten Tschad Uganda Äthiopien Benin Burkina Faso Elfenbeinküste Eritrea Gambia Ghana Guinea Guinea-Bissau Kamerun Kenia Liberia Mali Mauretanien Niger Nigeria Senegal Sierra Leone Somalia Sudan Togo Vereinigte Republik Tansania Zentralafrikanische Republik Dschibuti Link zur Republik Südafrika Link zu den Informationen zur DR Kongo

Sozio-Geografisches

In einigen Regionen wissen Männer nicht, wie eine unversehrte Vulva aussieht. Der Tabubruch, darüber zu sprechen, ist oft der erste Schritt um Mädchen zu schützen. Foto: © Bangr Nooma, Burkia FasoIn einigen Regionen wissen Männer nicht, wie eine unversehrte Vulva aussieht. Der Tabubruch, darüber zu sprechen, ist oft der erste Schritt um Mädchen zu schützen.
Foto: © Bangr Nooma, Burkia Faso
Weibliche Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation – FGM) ist ein weltweites Phänomen.

Dennoch steht der afrikanische Kontinent im Mittelpunkt des Themas. Die Praktik der weiblichen Genitalverstümmelung besteht vermutlich schon mehrere tausend Jahre. Die Ursprünge sind jedoch nicht klar festzumachen. Eine Annahme ist, dass weibliche Genitalverstümmelung erstmals in Ägypten praktiziert wurde und sich von dort über die Landesgrenzen hinweg im Subsahara-Raum ausbreitete. Heute wird FGM in 31 Staaten in Afrika, aber auch in einigen arabischen Ländern sowie in Südostasien und Südamerika praktiziert.

Innerhalb eines Landes gibt es oft erhebliche Unterschiede zwischen beschnittenen und unbeschnittenen Frauen, wobei die ethnische Identität der Frau eine besondere Rolle spielt. Es ist auch zu beachten, dass Frauen, die in praktizierende Familien einheiraten, oft noch als Erwachsene und nicht, wie sonst zumeist üblich, in ihrer Kindheit verstümmelt werden. Dadurch kann jede zehnte Frau einer Ethnie, die weibliche Genitalverstümmelung nicht für eine Tradition und ihr kulturelles Erbe hält, davon betroffen sein. So ist es z.B. bei den Wolof in Gambia. Die Verbreitungsrate der Wolof-Frauen im Senegal unterscheidet sich je nach der Region, in der sie leben. In Diourbel, wo FGM generell fast nicht praktiziert wird, beträgt sie 0%, in Matam – einer Region mit hoher Prävalenz – hingegen schon 5%. Ebenso unterschiedlich ist die Verbreitungsrate von FGM unter den Peulh-Frauen in Diourbel mit 2% und in Kedougou und Sedhiou mit 95%.

Es liegt nahe, dass die Praktik innerhalb der ethnischen Gruppen durch viele verschiedene Faktoren beeinflusst wird.

Die Anlässe und der Zeitpunkt für eine Genitalverstümmelung variieren ebenfalls stark: Die Betroffenen werden als Säuglinge, im Laufe ihrer Kindheit, mit dem Eintritt in die Pubertät, oder vor ihrer Hochzeit verstümmelt. Dadurch sollen die Mädchen und Frauen z.B. spirituell gereinigt, ihre Jungfräulichkeit erhalten und ihre Fruchtbarkeit erhöht werden. Zudem werden mit FGM bessere Heiratschancen und damit verbunden eine wirtschaftliche Absicherung assoziiert. Eine beschnitte Vulva gilt oft auch als Schönheitsideal und Garant für soziale Akzeptanz.

Dafür wird in Kauf genommen, dass die Mädchen und Frauen unter Umständen lebenslang unter physischen und psychischen Problemen leiden. 25% sterben sogar an den Folgen der Verstümmelung.

Der Zweck von FGM ist weltweit derselbe: Die Mädchen sollen durch die Entfernung ihres Sexualorgans und (in vielen Kulturen) durch den erlebten Schmerz passiv, gehorsam und anspruchslos werden. Dieser Eingriff reduziert die Frau auf ihre Rolle als Ehefrau und Mutter, führt zu Frühehen, Bildungslosigkeit und geringer Lebenserwartung.

Juristisches

Durch Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit trägt TERRE DES FEMMES zur Überwindung weiblicher Genitalverstümmelung bei. Foto: © Katharina KunzeDurch Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit trägt TERRE DES FEMMES zur Überwindung weiblicher Genitalverstümmelung bei.
Foto: © Katharina Kunze
In den 1990er Jahren wurde der Fokus vom gesundheitlichen Aspekt von FGM auf die Menschenrechte verschoben. Seitdem ist der legislative Aspekt zentral im Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung.

Es gibt zahlreiche internationale und regionale Abkommen, in denen weibliche Genitalverstümmelung explizit aufgezählt wird, wie z.B. in Art. 12 und 14 der Frauenrechtskonvention (CEDAW), Art. 3 und 5 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR), Artl.1 der Anti-Folter-Konvention (CAT), Art. 19 und 24 der Kinderrechtskonvention (CRC), dem Maputo-Protokoll oder in Art. 38 der Istanbul Konvention.

Von den 31 afrikanischen Ländern, in denen FGM praktiziert wird, gibt es in Liberia, Somalia, Sierra Leone, Mali, Malawi und dem Sudan kein explizites Gesetz gegen diese Praktik. In 25 Ländern Afrikas hingegen ist FGM durch eigene Gesetze explizit verboten, die allerdings nicht immer umgesetzt werden (können).

In manchen Ländern wie Guinea (2006 geändert) und in der Zentralafrikanischen Republik (1996 geändert) wurde ein Gesetz gegen FGM schon in den 1960er Jahren verabschiedet. Die meisten Länder Afrikas mit einer FGM- Prävalenz haben ein Verbot von FGM in den 1990er Jahren eingeleitet.

Seit 2015 gibt es auch in Gambia und Nigeria ein Gesetz, das die weibliche Genitalverstümmelung verbietet.

Ganzheitlicher Ansatz zur Beendigung von weiblicher Genitalverstümmelung

Beschneiderinnen werden umgeschult, damit sie sich andere Einnahmequellen erschließen können. ©AIM, Sierra LeoneBeschneiderinnen werden umgeschult, damit sie sich andere Einnahmequellen erschließen können.
Foto: © AIM, Sierra Leone

Da in den meisten afrikanischen Ländern ein pluralistisches Rechtssystem herrscht, stellt ein formelles Rechtssystem nur einen Teil des Ganzen dar. Deshalb wurde erkannt, dass Gesetze nur wirksam sein können, wenn sie durch weitere Maßnahmen begleitet werden. Hierfür wird meist mit einem ganzheitlichen Ansatz gearbeitet: Sämtliche Institutionen, wie medizinische, pädagogische, religiöse und staatliche Akteure sowie andere Schlüsselakteure (z.B. einflussreiche religiöse Führer, Dorfoberhäupter, LehrerInnen oder ÄrztInnen) werden einbezogen. Einige dieser Schlüsselakteure sind die Beschneiderinnen bzw. Wanzams (Ghana), Dayas (Geburtshelfer, Ägypten), Guddaays (Somalia) oder Fanatecas (Guinea-Bissau). Da sie das Angebot zur Nachfrage bestimmen werden sie als besonders wichtig im Engagement gegen weibliche Genitalverstümmelung gesehen.