• 27.06.2024

Inspirierender Austausch: Brasilianische FeministInnen zu Gast im TERRE DES FEMMES-Büro

Mara Carneiro und André Mafra mit den Referentinnen für Internationale Zusammenarbeit ã TDF

Besuch von GesellschaftsforscherInnen aus Brasilien

Am 30. Mai 2024 bekam die Geschäftsstelle von TERRE DES FEMMES Besuch von brasilianischen GesellschaftsforscherInnen, die sich derzeit der Untersuchung von matriarchalen Gesellschaften widmen. Mara Carneiro und André Mafra aus Sao Paulo entwickeln eine unabhängige Dokumentationsreihe über historische und gegenwärtige Formen des Matriarchats, für die sie unter anderem die Mosuo in China und andere ethnische Gruppen in Panama, Mexiko oder Estland besucht und begleitet haben. Als sich im Rahmen eines Deutschlandbesuchs die Gelegenheit bot, haben sie ihre kurze Zeit in Berlin für einen fachlichen Austausch mit TERRE DES FEMMES genutzt. Auf TDF aufmerksam geworden sind sie durch einen Bericht im brasilianischen Programm der Deutschen Welle zur „Unsilence the Violence“-Kampagne – wir freuen uns sehr, dass die wichtige Botschaft dieser Kampagne so weite Kreise gezogen hat!

Interesse an der Arbeit von TERRE DES FEMMES

Die beiden ForscherInnen hatten großes Interesse daran, mehr über die Arbeit von TERRE DES FEMMES sowie frauenrechtliche Herausforderungen in Deutschland und den TDF-Partnerländern zu erfahren. Die Produktion ihrer Dokumentationsreihe soll schlussendlich auch zur feministischen Arbeit beitragen. Von ihrem Projekt und den Einblicken, die sie auf ihrer Forschungsreise gewonnen haben und noch werden, erhoffen sich Mara und André, alternativen Ansätzen zum Patriarchat eine differenzierte und diverse Bühne geben zu können und so neue Denkanstöße in die feministische Bewegung einfließen zu lassen.

Dokumentationsreihe "Reino das Mulheres"

Die bereits veröffentlichen Beiträge ihrer Dokumentationsreihe, welche unter anderem auf Englisch und Portugiesisch auf ihrem YouTube-Kanal „Reino das Mulheres“  (dt. Königreich der Frauen) abrufbar sind, beschäftigen sich mit den Strukturen und Besonderheiten verschiedener matriarchal geprägter Gesellschaften. Diese erforschen sie durch verschiedene Linsen – ökonomisch, kulturell, politisch und sozial. Teil ihrer Forschung ist zum Beispiel eine estländische Insel, auf der die Männer nahezu das ganze Jahr wegen des Fischfangs abwesend sind, weshalb die ursprünglich patriarchale Gesellschaft der Insel zunehmend matriarchale Züge annimmt.

Entdeckung des „Instituto Laurinda Amazônia“

Auf ihrer Forschungsreise sind Mara und André außerdem begeistert auf das brasilianische „Instituto Laurinda Amazônia“  gestoßen. Ein Projekt, das neben der Förderung des Umweltbewusstseins auch Frauen empowern möchte, indem es traditionelle, patriarchal ausgerichtete Geschlechterrollen und Arbeitsmodelle hinterfragt. Bei einem Besuch in diesem Institut werden den BesucherInnen die Kultur und Besonderheiten des Amazonas-Regenwalds von seinen indigenen Völkern selbst nähergebracht.

Austausch über die frauenrechtliche Lage in Brasilien

Der Besuch von Mara und André ermöglichte außerdem einem wertvollen Austausch zur frauenrechtlichen Lage in Brasilien und länderspezifischen Unterschieden im feministischen Engagement. Für AktivistInnen in Brasilien kann frauenrechtliche Arbeit immer noch ein großes persönliches Risiko bedeuten. Auch in den letzten Jahren kam es zu politisch motivierten Gewaltakten, was zum Beispiel der Fall Marielle Franco zeigt. Die Präsidentin des Frauenausschusses im Stadtparlament von Rio de Janeiro wurde 2018 Opfer eines Attentats.

Erfolg der brasilianischen Frauenrechtsbewegung

Davon lässt sich die brasilianische Frauenrechtsbewegung jedoch nicht stoppen und kann bereits einige Erfolge feiern, um die wir in Deutschland immer noch kämpfen müssen. Das brasilianische Gesetz Nr. 13.104 grenzt zum Beispiel Femizide seit 2015 als eigenen Straftatbestand ab und bestraft diese besonders hart. Obwohl sich TERRE DES FEMMES stark für eine selbige gesetzliche Abgrenzung in Deutschland ausspricht, fallen Femizide hier nach wie vor unter die bestehenden allgemeinen Tatbestände Mord oder Totschlag. In manchen Fällen werden Motive wie Eifersucht oder Emotionalität vor deutschen Gerichten sogar nach wie vor als strafmildernde Umstände anerkannt.

Auch in anderen frauenrechtlichen Belangen ist Brasilien zumindest rechtlich Vorreiter. Seit dem 2006 erlassenen Gesetz Nr. 11.340, benannt nach der Frauenrechtlerin Maria da Penha , werden Frauen flächendeckender vor Gewalttätern geschützt. Der Fall Maria da Penha übte deshalb so starken gesellschaftlichen Druck aus, da Maria jahrelanger häuslicher Gewalt und gleich zwei Mordversuchen durch ihren Ehemann ausgesetzt war und die Gerichte ihren Ehemann dennoch zunächst nicht verurteilten. Die Erlassung des nach ihr benannten Gesetzes war daher ein wichtiger und hart erkämpfter Erfolg für alle Frauen Brasiliens. Es beinhaltete unter anderem auch die Einrichtung auf häusliche Gewalt spezialisierter Polizeiwachen und Gerichte, sowie die Schaffung von mehr Frauenhäusern.

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