• 04.09.2023

Workshopreihe in der Gemeinschaftsunterkunft- Aufklärung geflüchteter Frauen zu häuslicher Gewalt und Frauenrechten in Deutschland

Teilnehmerinnen der arabischsprachigen Gruppe, 08.08.2023

In der Gemeinschaftsunterkunft CoLiving Emser 6 in Berlin Charlottenburg Wilmersdorf sitzen zwölf geflüchteten Frauen aus Syrien zusammen und unterhalten sich angeregt. Es geht um weibliche Solidarität und die Rolle von Frauen in der Gesellschaft. „Die wichtigsten Frauen in meinem Leben sind meine Mutter und meine Schwestern“ sagt eine junge Frau. „Aber sie sind alle in Syrien. Hier in Deutschland habe ich nur Kontakt zu meinen Nachbarinnen in der Unterkunft“.
Für den Workshop haben die Teilnehmerinnen ihr Frauennetzwerk aufgemalt. Auf dieser Grundlage wird in der Gruppe diskutiert, was Frauen ausmacht, was sie leisten und welche Rechte sie haben. Bei Fällen von Partnerschaftsgewalt entscheiden in Syrien die Familien der Eheleute, wie weiter verfahren wird. Gewalt wird nicht gedulded. Bessert der Mann sich nicht, wird eine Scheidung erwirkt. So berichten es die Frauen. Doch nun sind sie hier, während ihre Eltern, Onkel und Tanten meist noch in Syrien leben. Die Workshopreihe „Häusliche Gewalt und Frauenrechte in Deutschland“ soll den Frauen wichtige Informationen vermitteln, die sie brauchen, wenn sie sich in Deutschland Hilfe suchen möchten.

Partnerschaftsgewalt im Kontext von Flucht und Migration

Obwohl Partnerschaftsgewalt auch in Deutschland häufig vorkommt- jede vierte Frau hat bereits häusliche Gewalt erlebt- sind Frauen im Kontext von Flucht und Migration aufgrund der höheren Belastung zusätzlich gefährdet[1]. In Deutschland sind sie isoliert. Sie haben ihr Netzwerk verloren, leben im Flüchtlingsheim und sind im Falle einer Flucht bei ihrer Ankunft oft traumatisiert. Hinzu kommt, dass die Interaktion mit Behörden und Mitmenschen durch sprachliche Barrieren erschwert wird. Sich aus einer gewaltvollen Beziehung zu befreien, ist immer schwer[2]. Bei geflüchteten Frauen kommen neben Isolation und Traumatisierung oft auch eine erhöhte finanzielle Abhängigkeit und gemeinsame Kinder hinzu. Sie können möglicherweise aufgrund ihres Status keiner Erwerbstätigkeit nachgehen und haben wenig Aussichten eine eigene Wohnung zu bekommen.  

Scham und Angst führen zu Isolation der Betroffenen

Dabei sind die Auswirkungen von Gewalt häufig schwerwiegend. Sie umfassen körperliche Verletzungen, gesundheitliche Probleme und chronische Schmerzen, Depressionen, Abgeschlagenheit, psychische Traumata, finanzielle Probleme und soziale Isolation[3]. Laut einer Studie der Europäischen Grundrechtsagentur wendet sich nur ein Drittel aller betroffenen Frauen an die Polizei oder andere Hilfseinrichtungen – oft aus Scham oder Angst vor dem Täter (vgl. BMFSJ 2019, S. 5). Ziel der Workshopreihe war es daher, die Bewohnerinnen der Flüchtlingsunterkunft für Frauenrechte sowie für häusliche und sexualisierte Gewalt zu sensibilisieren, über die rechtliche Lage in Deutschland aufzuklären und aufzuzeigen, an welche Stellen sie sich in Berlin wenden können, sollten sie von Partnerschaftsgewalt betroffen sein.

Workshops für ukrainische und syrische Frauen

Im Zeitraum von 27. Juni bis zum 8. August fanden in der Gemeinschaftsunterkunft dazu insgesamt vier dieser Workshops statt. Gearbeitet wurde mit zwei Gruppen: einer Gruppe mit ukrainischen Geflüchteten und der bereits eingangs beschriebenen Gruppe mit Frauen, die aus Syrien geflüchtet sind. Unterstützt wurde TERRE DES FEMMES bei der Umsetzung durch Dolmetscherinnen der Berlin-Brandenburgischen Auslandsgesellschaft (BBAG e.V.). Mit beiden Gruppen fanden jeweils zwei Termine statt, bei denen die Frauen aktiv in die Workshopgestaltung miteingebunden wurden und eigene Themenvorschläge einbringen konnten.

Erkennung von Gewaltformen und frühe Anzeichen von Gewalt

Besonders interessierten sich die Frauen für die verschiedenen Formen und Ausprägungen von Partnerschaftsgewalt. „Das körperliche Gewalt nicht toleriert werden kann, ist klar. Wenn ein Mann zuschlägt ist es vorbei“, sagte eine der Frauen. „Aber das Erkennen und der Umgang mit psychischer Gewalt ist sehr viel schwerer.“ Diskutiert wurde auch, welche Anzeichen für Gewalt es gibt und wie man sie erkennen kann. Die Teilnehmerinnen berichteten in diesem Kontext von ihren bisherigen Erfahrungen mit Gewalt, auch im eigenen Umfeld. Es herrschte eine offene und vertrauliche Atmosphäre und ein Gemeinschaftsgefühl unter den Frauen, die es erleichterten über dieses schwere Thema ins Gespräch zu kommen und so wichtige Aufklärungsarbeit zu leisten. Alle Teilnehmerinnen wurden umfassend über ihre Rechte und verfügbare Beratungs- und Hilfsangebote informiert. Gleichzeitig wurden sie dazu angeregt sich gegenseitig zu unterstützen und ihre Rechte in Deutschland wahrzunehmen.

Das Projekt Aufklärung geflüchteter Frauen wird gefördert aus Mitteln des bezirklichen

Integrationsfonds des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf. Der Integrationsfonds ist eine Maßnahme des Gesamtkonzepts zur Integration und Partizipation Geflüchteter des Senats von Berlin.

Quellen

Re-empowerment! Frauen gegen Partnerschaftsgewalt (2019): Gewalt erkennen: Kategorien psychischer und verbaler Gewalt oder Methoden d(einer) systematischen Destabilisierung und Unterwerfung: https://www.re-empowerment.de/gewalt/formen/non-physische-gewalt/arten-psychischer-gewalt/, Abruf am 25.08.2023.

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend / Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2019): Mehr Schutz bei häuslicher Gewalt. Informationen zu Gewaltschutzgesetz. 5. Aufl. Berlin:  https://www.bmfsfj.de/resource/blob/94308/1167d5f9923366f98e32cc10fd814886/mehr-schutz-bei-haeuslicher-gewalt-data.pdf, Abruf am 25.08.2023.

ZDF- Häuslicher Gewalt entkommen

https://www.zdf.de/gesellschaft/volle-kanne/der-haeuslichen-gewalt-entkommen-102.html

SZ- Anna ist erst vor dem Krieg und dann von ihrem Mann geflohen

https://www.jetzt.de/gender/gewalt-gegen-frauen-betrifft-gefluechtete-besonders-stark-betroffene-erzaehlt

re-empowerment- Frauen gegen Partnerschaftsgewalt

Auswirkungen und Folgen häuslicher Gewalt

https://www.re-empowerment.de/gewalt/auswirkungen/folgen-haeuslicher-gewalt/

 

[1] https://www.jetzt.de/gender/gewalt-gegen-frauen-betrifft-gefluechtete-besonders-stark-betroffene-erzaehlt

[2] https://www.zdf.de/gesellschaft/volle-kanne/der-haeuslichen-gewalt-entkommen-102.html

[3] https://www.re-empowerment.de/gewalt/auswirkungen/folgen-haeuslicher-gewalt/

  • Teilnehmerinnen der russischsprachigen Gruppe, 01.08.2023
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