• 27.04.2023

„Drohende Zwangsverheiratung in den Sommerferien – was kann ich als pädagogische Fachkraft tun?“

Sind Sie im beruflichen Kontext bereits mit Fällen von Früh- und Zwangsverheiratung in Berührung gekommen ? 65% JA. 35% Nein

Unter diesem Motto fand am 27.04.2023 das 4. Netzwerktreffen für Lehrkräfte und Schulsozialarbeit statt. Anlass war, dass während der Sommerferien das Risiko für SchülerInnen aus streng patriarchalischen Familien steigt im Herkunftsland der Familien zwangsverheiratet zu werden. Die betroffenen Mädchen und jungen Frauen ahnen häufig schon, dass sie verheiratet werden sollen, reisen aber trotzdem mit, weil sie glauben, vor Ort immer noch „Nein“ sagen zu können. Leider ist dies häufig ein Irrtum und die Möglichkeiten nach Deutschland zurückzureisen sind sehr eingeschränkt. Daher ist es wichtig im Vorfeld zu sensibilisieren und aufzuklären.

Insgesamt nahmen 82 Personen von verschiedenen Schulformen sowie aus 15 Bundesländern an dem digitalen Austausch teil.

Elisabeth Gernhardt, Referentin für Gewalt im Namen der Ehre bei TERRE DES FEMMES, hielt den ersten Inputvortrag und widmete sich als Einstieg einem allgemeinen Überblick über das Phänomen der Früh- und Zwangsverheiratung inklusive rechtlicher Hintergründe, Folgen für die Betroffenen und Interventionsstrategien.

Die eindrücklichen Schilderungen von Janina B., Lehrerin an einer Gemeinschaftsschule, bildeten das Kernstück der Veranstaltung. Sie berichtete anonymisiert von Fällen, die sie erlebte und betreute, und lieferte auf diesem Weg viele praktische Tipps und Handlungsempfehlungen. Dabei betonte sie, dass es zunächst wichtig sei, Sprechanlässe im Unterricht und Schulalltag zu schaffen, um SchülerInnen dadurch zu ermutigen, sich einer schulischen Vertrauensperson anzuvertrauen. Frau B. schilderte, dass die Hilfesuchenden eine hohe Zerrissenheit und Ambivalenz zeigten und unter Umständen auch bereits schlechte Erfahrungen mit dem Jugendamt und/oder der Polizei gemacht hätten. In diesen Fällen sei es ratsam, gemeinsam mit dem Mädchen zu besprechen, welche Möglichkeiten der Hilfestellung zur Verfügung stehen und im Ernstfall auch vorab Gespräche mit dem Jugendamt zu „proben“, um Ängste und Hemmungen abzubauen.
 

Keine Einzelfälle

Im anschließenden Austausch wurde eine große Betroffenheit unter den Teilnehmenden deutlich. Von 69 Fachkräften gaben 45 an, dass sie im beruflichen Kontext bereits mit Fällen von Früh- und Zwangsverheiratung (inkl. Verdachtsfälle) Kontakt hatten. So wurde berichtet, dass eine Schülerin bei der Schule als „krank“ gemeldet wurde, auf Social Media aber zum gleichen Zeitpunkt Verlobungs- bzw. Hochzeitsfotos der Minderjährigen aus dem Ausland kursierten.

Nach den Bedarfen gefragt, wünschten sich die anwesenden Fachkräfte mehrheitlich vor allem klare Handlungsleitfäden, mehr Informationen zum Thema sowie engere Kooperationen mit Beratungsstellen. Die anwesenden Lehrkräfte und SchulsozialarbeiterInnen hatten das Gefühl, mit dieser wichtigen Arbeit allein gelassen zu werden. 

Das Netzwerktreffen machte erneut deutlich: Schulen benötigen mehr Unterstützung. 

Hier finden Sie die Forderungen des Referats Gewalt im Namen der Ehre zum Thema.

Falls Sie am nächsten Netzwerktreffen für Lehrkräfte/Schulsozialarbeit teilnehmen möchten, melden Sie sich gern unter netzwerk@frauenrechte.de , um in den Verteiler aufgenommen zu werden.  

  • Was würden Sie sich als Unterstützung an Ihrer Schule wünschen? 65%: Zusammenarbeit mit Beratungsstellen. 48% Zusammenarbeit mit Jugendamt. 58% Fortbildung. 77% Handlungsleitfäden. 71% Infomaterial. 6% Sonstiges
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