• 25.01.2023

Fachveranstaltung im Berliner Abgeordnetenhaus „Frau Leben Freiheit“ – Unterstützung der feministischen Frauenrevolution im Iran

Am 25.01.2023 hat TERRE DES FEMMES als Bündnisorganisation bei der Fachveranstaltung zur feministischen Revolution im Iran im Berliner Abgeordnetenhaus mitgewirkt. Die Überparteiliche Fraueninitiative Berlin – Stadt der Frauen e.V. (ÜPFI) organisierte in Kooperation mit einer ExpertInnenrunde aus 12 iranischen und afghanischen Frauen- und MenschenrechtsaktivistInnen sowie weiteren Organisationen die Fachveranstaltung zum Iran.

Nach dem gewaltsamen Tod der jungen Kurdin Jina Masha Amini am 16. September 2022 in Teheran, brachen die bis heute anhaltenden Demonstrationen auf den iranischen Straßen aus. Amini wurde wegen angeblichen Verstoßes gegen das staatliche „Hidschab-Gesetz“ von der iranischen Sittenpolizei festgenommen und verstarb drei Tage nach ihrer Verhaftung an den Folgen körperlicher Gewalt, mutmaßlich zugefügt durch die Sittenpolizei. Mutige Demonstrierende riskieren seitdem Tag für Tag im Kampf gegen das seit 1979 bestehende Mullah-Regime ihr Leben. Die Forderungen „Frau Leben Freiheit“ richten sich gegen die staatliche Unterdrückung und Willkür, um das Regime zu stürzen und einen freien Iran zu errichten.

In Deutschland wird von Frauen- und MenschenrechtsaktivistInnen sowie von Frauenrechtsorganisationen härtere Sanktionen gegenüber dem iranischen Regime gefordert. Zudem soll mehr Unterstützung der iranischen Demonstrierenden, Anerkennung geschlechtsspezifischer Verfolgung als Asylgrund und Schutz der in Deutschland lebenden Exil-IranerInnen und Geflüchteten umgesetzt werden.

Zur Fachveranstaltung wurden die Parteien des Abgeordnetenhauses eingeladen und es wurde um eine Stellungnahme zum vorab versandten Fragenkatalog gebeten.

TERRE DES FEMMES e.V. wirkte bei der inhaltlichen und organisatorischen Vorbereitung der Fachveranstaltung mit, insbesondere bei der Konzeption des Fragenkatalogs an die Parteien.

Dennis Buchner eröffnete als Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses die Fachveranstaltung im Festsaal, gefolgt durch die Sprecherin der ÜPFI, Carola von Braun. Sybill Schulz (erweiterter Vorstand ÜPFI) führte als Moderatorin durch den Abend. Eingeleitet wurde die Veranstaltung durch Community Talks mit iranischen und afghanischen AktivistInnen, um vorab Anregungen zur Diskussion aufzubauen und sich austauschen zu können. Daraufhin folgte die erste Podiumsrunde mit Diskussion im Plenum. Neben Elif Eralp (Sprecherin für Migration, Partizipation und Antidiskriminierung der Linksfraktion), Dr. Maren Jasper Winter (Sprecherin für Integration, Arbeit, Frauen und berufliche Bildung der FDP-Fraktion) und Armaghan Naghipour (Staatssekretärin für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung) saßen Gilda Sahebi (Journalistin und Ärztin) sowie Arezao Naiby (afghanische Journalistin) auf dem Podium. Es wurde auf die aktuellen Problematiken iranischer Geflüchteter aufmerksam gemacht und vereinzelt Maßnahmen herausgearbeitet. Frau Naiby machte besonders auf die schwierigen Integrationsprogramme in Deutschland für afghanischer Geflüchteten aufmerksam. Sie erinnerte auch an das lückenhafte und nicht zufriedenstellende Aufnahmeprogramm von ehemaligen afghanischen Ortskräften und fragte wie es sein kann, dass seit August 2021, der erneuten landesweiten Machtergreifung der Taliban, so wenig Ortskräfte in Sicherheit sind. 

Seitens der Linksfraktion sprach sich Frau Eralp für mehr Gelder für Integrationsprojekte in Berlin aus sowie für einen Abschiebestopp und die Schaffung von sicheren, legalen Fluchtwegen. Frau Dr. Jasper Winter von der FDP äußerte sich zu der gesetzlichen Anerkennung geschlechtsspezifischer Gewalt als Asylgrund. Die Umsetzung sei bislang fehlerhaft und nicht ausreichend implementiert.

In der zweiten Podiumsrunde waren neben Dr. Bahar Haghanipour (Gleichstellungspolitische Sprecherin von Bündnis 90/die Grünen), Orkan Özdemir (Migrationspolitischer Sprecher der SPD) und Björn Wohlert (Mitglied im Ausschuss Integration, Arbeit, Soziales der CDU), Katarina Niewiedzial (Beauftragte des Senats für Integration und Migration) und Daniela Sepehri (Menschenrechtsaktivistin) vertreten. Besonders hervorgehoben wurde die Problematik der Einschüchterung und Bedrohung der iranischen AktivistInnen in Deutschland durch die iranische Regierung. Iranische AktivistInnen müssen um ihr eigenes Leben und/oder um das ihrer Angehörigen und bekannten im Iran fürchten. Bei Kundgebungen machen mutmaßlich iranische Geheimdienstangehörige Fotos der Demonstrierenden. Frau Sepehri schlug vor, die Straße der iranischen Botschaft in „Jina-Masha-Amini-Straße“ umzubenennen, um von Deutschland aus Solidarität mit den iranischen Protestierenden zu zeigen. Es wurde die Notwendigkeit säkularer Anlaufstellen für Geflüchtete herausgestellt, um spezifische und sakuläre Bedürfnisse Geflüchteter abzudecken. Mit bewegenden Worten meldete sich Frau Naiby nochmal zu Wort und richtete Ihren Appel direkt an die anwesenden PolitikerInnen. Sie berichtete, wie sie 2015 vor den Taliban flüchtete musste und hier in Deutschland über 4 Jahre keinen Integrations- und Sprachkurs besuchen konnte, weil sie als Afghanin im Asylverfahren keinen Zugang hatte. Nur mit ehrenamtlciher Hilfe hat sie es geschaft und meinte, was sie und was Deutschland davon hätte, wenn geflüchtete Menschen jahrelang ohne Perspektive und Bildungsmöglichkeiten in Unterkünften untergebracht werden. Allgemeine Einigkeit herrschte darüber, dass die unkomplizierte und schnelle Regelung bei ukrainschen Geflüchteten hinsichtlich Spracherwerb und Erwerbsmöglichkeiten als Vorbild genommen werden sollte und als Beispiel für alle gelten sollte. Eine Antwort zur konkreten Umsetzung blieben die PolitikerInnen allerdings schuldig.

Abgeschlossen wurden die Diskussionsrunden mit einem „Get together“ und weiterer Community Talks mit iranischen und afghanischen AktivistInnen. Mit rund 140 Anmeldungen war die Fachveranstaltung vollständig ausgebucht. Es wurden aktuelle Aspekte fokussiert, Strukturen und Hilfsangebote ermittelt, über Strategien und Maßnahmen auf Berliner Ebene diskutiert sowie Empfehlungen und Forderungen an die Landes- und Bundesregierung erfasst.

nach oben
Jetzt spenden