• 21.05.2024

Aktuelles aus Nicaragua: Projektupdate 2023

Mitarbeiterinnen des MIRIAM-Teams. Copyright TDF

Das politische Klima in Nicaragua war auch 2023 sehr angespannt: Seit der gewaltvollen Eskalation der BürgerInnen-Proteste im Jahr 2018 geht die nicaraguanische Regierung unter dem seit 2006 amtierenden Präsidenten Daniel Ortega repressiv gegen zivilgesellschaftliche Organisationen und Oppositionelle vor. Unter anderem wurde zahlreichen Oppositionellen die Staatsbürgerschaft aberkannt. Der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte berichtete bereits Ende 2022 von mehr als 3.000 geschlossenen internationalen und nationalen Organisationen. NROs, wie die TERRE DES FEMMES-Partnerorganisation Asociación Proyecto MIRIAM (kurz: MIRIAM), stehen ständig vor der Gefahr einer Zwangsschließung.

Starke Verbreitung von Gewalt gegen Frauen und Verharmlosung im Namen des „machismo“

Wie dringend Frauenrechtsorganisationen gebraucht werden, machen die folgenden Zahlen deutlich: 2023 wurden in Nicaragua schätzungsweise 73 Femizide verübt. Im Durchschnitt ist jede dritte nicaraguanische Frau von häuslicher Gewalt betroffen. Darüber hinaus hält Nicaragua an einem vollständigen Abtreibungsverbot fest – auch wenn das Leben der Frau durch die Schwangerschaft in Gefahr ist, darf sie diese nicht beenden. Frauen, die eine Abtreibung durchführen lassen – sowie den beteiligten Personen, wie z.B. ÄrztInnen – droht eine mehrjährige Haftstrafe.

Zudem ist Partnerschaftsgewalt stark verbreitet und hängt mit dem gesellschaftlich verankerten „machismo“ zusammen. Dieser wird auch durch die derzeitige Regierung gefördert, die patriarchal geprägte Familienbilder propagiert und den „Schutz der Familie“ zu Lasten der Menschenrechte der Frau an erste Stelle setzt.

Lichtblick durch die Arbeit von MIRIAM

Vor diesem Hintergrund sind Frauen in Nicaragua mit besonders hohen sozialen und wirtschaftlichen Hürden konfrontiert. Aufgrund des immer kleiner werdenden Hilfsnetzwerks durch die Schließung zahlreicher NROs ist die Arbeit noch bestehender Organisationen – wie von MIRIAM – unerlässlich. Frauen mit Gewalterfahrung rechtlich und psychologisch zu beraten sowie sozial benachteiligte Frauen in ihren wirtschaftlichen Handlungsmöglichkeiten zu stärken, zählt zu den Kernaufgaben von MIRIAM.

Projekterfolge im Jahr 2023: Selbsthilfegruppen entwickeln Schutzkonzepte

2023 unterstützte MIRIAM insgesamt 211 von Gewalt betroffene Frauen mit individuellen Beratungsangeboten und informierte sie über ihre Rechte und Handlungsmöglichkeiten. 117 von ihnen wurden zudem begleitet, justizielle und verwaltungstechnische Hürden zu überwinden, und z.B. eingehend auf Termine mit den zuständigen Behörden vorbereitet. In 29 Fällen wurden Frauen direkt von MIRIAM-Anwältinnen vertreten. Darüber hinaus nahmen 102 Frauen psychologische Beratungsangebote in Anspruch und gründeten mit Unterstützung von MIRIAM zwei Selbsthilfegruppen. Diese Gruppen ermöglichen den Frauen, persönliche Gewalterfahrungen zu verarbeiten und gemeinsam Schutzkonzepte zu entwickeln.

Um breitflächig Präventionsarbeit umzusetzen, starte MIRIAM zudem ein Multiplikatorinnen-Ausbildungsprogramm. 22 Frauen wurden aus 14 Gemeinden in Managua und Estelí als Multiplikatorinnen ausgewählt und konnten bereits erfolgreich acht Workshops des Ausbildungsprogramms absolvieren. Noch in diesem Jahr (2024) werden sie mit ihrer Arbeit als Multiplikatorinnen beginnen und in ihren Gemeinden eigenständig Sensibilisierungskampagnen durchführen.

MIRIAM-Mitarbeiterin zu Besuch im Schneiderei-Atelier einer Kleinunternehmerin. Copyright TDF

KleinunternehmerInnen stärken mit praxisnaher Beratung

Ein weiterer Schwerpunkt lag 2023 auf der Stärkung sozial benachteiligter Frauen. 37 Kleinunternehmerinnen aus Managua und Estelí nahmen an einem von MIRIAM entwickelten Aufbaukurs für „Unternehmenskultur und unternehmerischen Erfolg“ teil. Bei regelmäßigen Besuchen in den jeweiligen Kleinunternehmen wurden die Frauen über das Kursende hinaus praxisnah beraten und im Auf- oder Ausbau ihrer Geschäftsmodelle unterstützt.

Auch das MIRIAM-Team selbst führte zwei interne Fortbildungen durch, um MitarbeiterInnen in ihrer täglichen Beratungs- und Bildungsarbeit für gewaltbetroffene oder benachteiligte Frauen zu stärken. Ein Fokus lag unter anderem auf der Aneignung neuer Methoden zur Emotionsbewältigung. 

Herausforderungen: Gekürztes Personal und Sicherheitsrisiken

Aufgrund der politischen Krise in Nicaragua und damit einhergehender Schwierigkeiten für zivilgesellschaftliche AkteurInnen steht MIRIAM vor zahlreichen Herausforderungen. Sowohl die Anzahl der MitarbeiterInnen als auch der Freiwilligen hat sich verringert – einige entschieden sich, Nicaragua zu verlassen, andere gaben ihre Tätigkeit aus Angst um die eigene Sicherheit auf. Zudem bleibt das Risiko einer erzwungenen Schließung von MIRIAM weiter bestehen. Immer wieder verschärfte rechtliche Vorgaben für NROs muss MIRIAM auf akribische Weise umsetzen, was sehr viel Zeit und Kraft kostet. Auch stehen MitarbeiterInnen vor individuellen Sicherheitsrisiken, die es stets abzufedern gilt.

MIRIAM macht sich auch in Zukunft weiter stark und leistet niedrigschwellige Präventionsarbeit

Als seit Jahrzehnten engagierte NRO in Nicaragua und langjährige Projektpartnerin von TERRE DES FEMMES bleibt die Arbeit von MIRIAM in der zugespitzten politischen Lage Nicaraguas unerlässlich. Das aktuelle Team ist fest entschlossen, Frauen in Not weiter zu unterstützen. Zukünftig plant MIRIAM, vor allem die niedrigschwellige Präventionsarbeit über MultiplikatorInnen auszuweiten und so trotz der Restriktionen gegen NROs weite Teile der Bevölkerung mit ihren Botschaften und Angeboten zu erreichen. 2023 wurde dafür der Grundstein gelegt.

Wenn Sie uns im Kampf für ein selbstbestimmtes und gewaltfreies Leben von Frauen in Nicaragua unterstützen möchten, freuen wir uns über Ihre Spende!

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