• 04.02.2024

Mindestens 26 vollendete oder versuchte "Ehren"morde in den letzten zwei Jahren: Die Ergebnisse der TDF-Presserecherche

Illustration mit verschiedenen Frauenköpfen
© TDF

Anlässlich des Todestags von Hatun Sürücü am 07. Februar veröffentlicht TERRE DES FEMMES wieder eine Übersicht mutmaßlicher „Ehren“-Morde in Deutschland. TDF möchte mit diesen Ergebnissen für diese spezifische Gewaltform sensibilisieren und auf dringend notwendige Anpassungen im Bereich Opferschutz und Präventionsarbeit hinweisen.

2023 wurden bislang [1] 7 Personen Opfer mutmaßlicher (versuchter) „Ehren“-Morde: 6 Frauen, 1 Mann. Die meisten Ehrverbrechen endeten dabei tödlich, von den 7 Opfern starben 5, 2 Personen überlebten also die Tat.

Gleichzeitig hat sich die Zahl der Opfer für das Jahr 2022 nachträglich von 7 auf 19 erhöht. Hintergrund dieser Rechnung ist, dass oft mehrere Monate nach der Tat vergehen, bis nähere Erkenntnisse zu den (möglichen) Motiven vorliegen und auch dann erst fundiertere Berichterstattung zu finden ist. Aus diesem Grund trägt TERRE DES FEMMES diese Taten ebenfalls mit größerem zeitlichem Abstand noch rückwirkend nach.

Dies ergibt für das Jahr 2022 abschließend folgende erschütternde Zahlen:

  • 19 Personen fielen mutmaßlichen (versuchten) „Ehren“-Morden zum Opfer.
  • Dabei starben 7 Personen, bei 12 blieb es beim Mordversuch.
  • Unter den Opfern sind 13 weiblich und 6 männlich.
  • Unter den 19 Opfern befinden sich auch 7 Minderjährige, 3 von ihnen wurden tödlich verletzt und starben.

Besonders schockierend ist, dass es in nahezu allen Fällen bereits im Vorfeld der Tat (regelmäßige) Gewaltvorfälle in der Beziehung oder in der Familie gab. Teilweise lagen sogar bereits Annäherungsverbote vor und dennoch stellte dies in den recherchierten Fällen offenbar keinen ausreichenden Schutz vor einem Mord oder Mordversuch dar.

Die Recherche zeigt ebenfalls auf, dass bei erwachsenen Opfern der Moment der Trennung, und sei sie nur seitens des späteren Täters vermutet, offenbar regelmäßig einen finalen Eskalationspunkt markiert. In streng patriarchalen Strukturen gelten Frauen als „Besitz“ des Mannes. Das bedeutet, eine Loslösung aus diesen einseitigen Dominanz- und Machtverhältnissen kann für die Frau – und häufig auch für ihren (vermeintlichen) neuen Lebensgefährten - lebensgefährlich werden. Diese „typischen Muster“ müssen verstärkten Eingang in die Aus- und Fortbildung von relevanten AkteurInnen in Justiz, Polizei, Pädagogik und Opferschutzmaßnahmen finden.

Auf zwei konkrete Fälle aus dem Jahr 2022 soll an dieser Stelle noch etwas vertiefter eingegangen werden: Unter den minderjährigen Opfern sind 2 Mädchen im Alter von 16 bzw. 17 Jahren [2], die offenbar in den Augen der Familien „Schande“ gebracht hätten, und dies allein, weil sie sich in den „falschen“ Jungen verliebten oder sich angeblich zu „freizügig“ kleideten. In beiden Fällen finden sich Berichte über mehrere Familienmitglieder, die die Gewalt ausübten oder zumindest von ihr wussten. Auch weibliche Verwandte sind darunter – dies zeigt, dass akut von Gewalt im Namen der Ehre betroffene Personen nicht auf Unterstützung im familiären Umfeld hoffen können.

Die Recherche zeigt wieder einmal deutlich: Ein freies und selbstbestimmtes Leben ist für viele Frauen auch in Deutschland immer noch keine Selbstverständlichkeit.

Mutmaßliche „Ehren“-Morde 2023 (PDF-Download)

Mutmaßliche „Ehren“-Morde 2022 (PDF-Download)

Zu den Begriffen "Ehren"mord und Femizid - Gemeinsamkeiten und Unterschiede (PDF-Download)


[1] Durch derzeit noch laufende Ermittlungen oder Gerichtsprozesse ist davon auszugehen, dass viele mutmaßliche „Ehren“-Morde oder deren Versuche erst mit zeitlicher Verzögerung bekannt werden. TERRE DES FEMMES trägt diese Fälle nach und veröffentlicht sie gebündelt Anfang 2025.

[2] Opfer 9 und 14 in der Übersicht von 2022.

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