• 22.01.2024

Nothilfe für Erdbebenbetroffene in Afghanistan erfolgreich umgesetzt

Eine Frau mit einem Kind auf dem Arm steht zwischen Säcken voller Lebensmittel
In Ahmadi werden Coupons gegen Lebensmittel und Hygieneartikel eingetauscht © Neswan

Im Oktober 2023 erschütterte eine schwere Erdbebenserie die Provinz Herat im Westen Afghanistans. Insgesamt wurden vier Beben mit einer Stärke von 6,3 im Zeitraum vom 07. bis zum 15. Oktober gezählt. Die Folgen waren für die ohnehin schon von wirtschaftlicher Not betroffenen AfghanInnen verheerend. Laut dem Gesundheitslagebericht N° 12 der WHO und des Gesundheitsclusters von UN-OCHA aus dem November 2023 wurden 10.002 Häuser durch die Beben vollständig zerstört. Unter den Trümmern starben gemäß der Angaben 1.482 Menschen, etwa 2.100 kamen mit Verletzungen davon. Insgesamt rund 275.000 Personen sind direkt von den Folgen der Erdbeben betroffen.

Die Naturkatastrophe traf vor allem Frauen unverhältnismäßig stark. Die von den Taliban auferlegten Restriktionen, führten dazu, dass insbesondere Frauen während der Beben in den Häusern waren und durch deren Einsturz hohen Risiken ausgesetzt waren. Laut UN Women waren rund 60 Prozent der Todesopfer und Verletzten Frauen (Stand 19. Oktober 2023). Darüber hinaus gestaltete sich der Zugang zu humanitärer Hilfe für frauengeführte Haushalte herausfordernd. Einigen sei es nicht möglich gewesen, diese ohne Vorlage der Personalien eines männlichen Verwandten zu erhalten.

Da infolge der Machtübernahme der Taliban ein Teil der ausländischen Organisationen Afghanistan verlassen musste und humanitäre Hilfsstrukturen nach und nach zerbrachen, verzögerte sich die dringend gebrauchte Nothilfe nach den Erdbeben von internationaler Seite. Trotz der vielen Schwierigkeiten gelang es einigen NGOs, darunter auch TERRE DES FEMMES, in den betroffenen Regionen Unterstützung zu leisten. Aufgrund der örtlichen Nähe zu zerstörten Dörfern nahe der Stadt Injil, konnte die TDF-Partnerorganisation Neswan Social Association (Neswan) mithilfe der von TDF bereitgestellten finanziellen Mittel, dort Nothilfe für frauengeführte Haushalte leisten.

TDF und Neswan unterstützen frauengeführte Haushalte

Nach einer Bedarfsanalyse entschied das Neswan-Team, in den Dörfern Nawabad Nogra und Khaje Sarbor sowie in der Stadt Ahmadi, die sich am Rande von Injil nahe dem Epizentrum der Beben befinden, betroffene Frauen und deren Familien zu unterstützen. Anfang Dezember wurden Pakete mit Grundnahrungsmitteln, sowie Hygieneartikeln an 30 Frauen und deren Familien in Nawabad Nogra verteilt. In Ahmadi erhielten 58 Frauen Coupons, die sie bei einem kooperierenden Lebensmittelgeschäft gegen Waren eintauschen konnten. In Khaje Sarbor entschied sich das Team, Barauszahlungen in Höhe von fünftausend Afghani (ca. 64 Euro) an 30 Frauen auszuhändigen, da die Präsenz der Taliban die direkte Verteilung von Nahrungsmitteln bzw. Coupons an die Frauen verhinderte. Zudem waren die Häuser besonders schwer beschädigt, so dass die Priorität auf deren Wiederaufbau lag.

Dank Ihrer Spenden konnte 118 Frauen und 689 Familienangehörigen geholfen und akute humanitäre Not gelindert werden. Um weitere Einzelheiten zur Verteilung der Nothilfe zu erfahren, führte TDF ein kurzes Gespräch mit der Leiterin von NESWAN, die den Hilfseinsatz koordinierte.

 

INTERVIEW:

TDF: In Ihrem Bericht zur Erdbebenhilfe schreiben Sie, dass die Taliban Sie daran hinderten, Versorgungspakete und Coupons an Frauen in Khaje Sarbor zu verteilen. Was war der Hintergrund und warum war es gefährlich für Sie (Neswan), dort Versorgungspakete und Coupons an die Frauen zu verteilen?

Neswan-Leiterin: Die Taliban stellten sich gegen die Verteilung jeglicher Sach- und Finanzhilfe, die unabhängig von ihnen ausgehändigt wurde. Die de facto Regierung hatte angeordnet, dass alle Hilfe den Taliban übergeben werden müsse, damit diese die Mittel durch eine eigens dafür geschaffene Kommission verteilen könnte. Die Taliban gingen streng gegen Personen vor, die sich nicht daran hielten. Da nicht klar war, an wen und nach welchen Kriterien die Taliban Hilfe leisteten, zogen wir es allerdings vor, die Versorgungspakete, Coupons und das Bargeld eigenständig an die betroffenen Frauen auszuhändigen.
Obwohl diese Entscheidung mit einem erhöhten Risiko verbunden war, sind wir erleichtert, dass unsere Hilfe direkt den betroffenen Frauen und ihren Familien zugutegekommen ist.

TDF: Gab es eine Begegnung während der Verteilung der Hilfsgüter, die Ihnen in Erinnerung geblieben ist?

Neswan-Leiterin: Ich erinnere mich an eine Frau aus dem Dorf Khaje Sarbor, die gerade eine Woche vor dem Erdbeben geheiratet hatte. Durch die Naturkatastrophe verlor sie nicht nur ihr Zuhause, sondern auch all ihre neuen Besitztümer. Sie schämte sich zutiefst, um Hilfe bitten zu müssen, und bedeckte ihr Gesicht. Trotz ihres Lächelns spiegelte sich in ihren Augen eine tiefe Traurigkeit wider.

TDF: Haben Sie andere Frauen gesehen, die Nothilfe leisteten?

Neswan-Leiterin: Ja, Frauen in Teams, die für die medizinische Versorgung vor Ort waren, kümmerten sich um vereinzelte Betroffene. Die Beschäftigung von Frauen im Gesundheitssektor wird seitens der Taliban bisher noch geduldet.

TDF: Vielen Dank für das Gespräch!

 

Stand 14.01.2024

  • Eine Frau hockt in ihrem Zelt und es ist eine Bargeldübergabe zu erkennen
    Bargeldübergabe in Khaje Sarbor © Neswan
  • Mehrere Frauen stehen hinter ihren gepackten Hilfspaketen
    Fertig gepackte Hilfspakete werden an Frauen in Nawabad Nogra verteilt © Neswan
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