• 05.06.2024

Pressemitteilung | Zwangsheirat in den Sommerferien verhindern:
TERRE DES FEMMES startet gemeinsam mit der Berliner Polizei die „Weiße Woche“

Berlin, 05.06.2024. In wenigen Wochen beginnen die Sommerferien: für die meisten ein Grund zur Freude – aber für viele SchülerInnen aus streng patriarchalen Familien steigt damit das Risiko einer Zwangsverheiratung. TERRE DES FEMMES geht daher mit der 3. „Weißen Woche“ vom 10.-14. Juni 2024 gemeinsam mit der Berliner Polizei eine Woche lang an Schulen, sensibilisiert und stellt Hilfsmöglichkeiten und Anlaufstellen vor.

An den Schulen berichten PädagogInnen unseren Referentinnen von ihren Erfahrungen: 

„Ich war im Urlaub und sah durch Zufall im Internet Hochzeitsbilder von einer meiner SchülerInnen. Ich rief meinen Kollegen an, dieser sagte, dass Mädchen sei krank geschrieben…“

„Wir haben in der Klasse ein Mädchen, deren Eltern sich scheiden lassen wollen. Die Mutter ist von häuslicher Gewalt betroffen, das Mädchen hat Angst, dass der Vater sie nun zwangsverheiraten will. Die Mutter hat gesagt: Frag in der Schule nach Hilfe und bring einen Flyer mit.“

„Wir fühlen uns allein gelassen. Alle wissen, dass es Zwangsverheiratungen gibt und schauen dennoch weg.“

Wie hoch der Bedarf an Prävention und Aufklärung ist, wird auch durch die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage der Gleichstellungsbeauftragten Friedrichshain-Kreuzberg untermauert. Die Umfrage ergab für das Jahr 2022 allein für Berlin 496 Fälle von (drohender) Zwangsverheiratung. 88 % der vollzogenen Zwangsverheiratungen fanden im Ausland statt.

Dies zeigt: Bedrohte Mädchen und Frauen brauchen niedrigschwellige Hilfs- und Informationsangebote, die ihnen signalisieren: Lass dich beraten, hol dir so früh wie möglich Hilfe! Denn oft wissen Betroffene nicht um ihre Rechte oder die Möglichkeit, sich auch anonym beraten zu lassen. Viele möchten Warnzeichen im Vorfeld auch nicht wahrhaben, oder haben Angst, anderen von ihren Sorgen zu erzählen.

TERRE DES FEMMES wird gemeinsam mit der Berliner Polizei an Schulen Workshops geben. Die Schulen verteilen sich über Charlottenburg-Wilmersdorf, Marzahn-Hellersdorf und Berlin-Mitte. Neben der Vorstellung von Beratungsstellen liegt der Fokus darauf, die SchülerInnen in ihren Rechten zu stärken und dafür zu sensibilisieren, sich so früh wie möglich Hilfe zu holen. Denn ist eine Person erst mal ins Ausland verschleppt, ist es für sie oft sehr schwierig, wieder nach Deutschland zurückzukehren. Gleichzeitig sollen die SchülerInnen die Arbeitsweise der Polizei kennenlernen und Fragen stellen können.

Mit der Aktion soll gleichzeitig die Zivilcourage der SchülerInnen untereinander gestärkt werden: Die Kenntnis um mögliche Warnzeichen und spezialisierte Beratungsstellen können bereits einen lebensverändernden Unterschied bewirken, um zu zeigen: Du bist nicht allein - es gibt Hilfsmöglichkeiten. Die „Weiße Woche“ leistet demnach auch einen wichtigen Beitrag für zukünftige MultiplikatorInnen.

Mehr Stimmen von PädagogInnen zum Thema Zwangsheirat:

„Ich habe schon mehrmals Mädchen geholfen, zu fliehen. Da die gesamte Familie dann vor der Schule stand und das Mädchen gesucht haben, habe ich schon mehrfach Polizeischutz bekommen.“

„Ich habe einen Jungen in der Klasse, der ist schwul, er befürchtet, in den Osterferien im Ausland verheiratet zu werden und hat Angst.“

„Wir hatten einen Jungen in der Schule, der war 15. Wenn er nach Hause ging, saß in seinem ‚Kinderzimmer‘ seine gleichaltrige Braut, die die Eltern aus dem Herkunftsland geholt hatten.“

„Manche Mädchen wollen sogar so früh, mit 14 oder 15, heiraten. Sie glauben, dass sie damit der Strenge und Kontrolle des Elternhauses entkommen. Dass sie aber nach der Heirat in eine Situation kommen, die noch viel schlimmer ist, können sie sich überhaupt nicht vorstellen.“

(Die Zitate stammen von Lehrkräften und SchulsozialarbeiterInnen und wurden unseren Fachreferentinnen im Zuge des Schultheaterprojekts „Mein Herz gehört mir“ gegen Zwangsheirat berichtet.)

Weiterführende Links:

Zwangsheirat.de Die zentrale Seite zum Thema Zwangsheirat, erstellt von TDF: Bundesweite Beratungsstellen, Infos für Betroffene und Fachkräfte, Hintergrundinformationen

Rückblick auf die bisherigen „Weißen Wochen“

Umfrage des „Arbeitskreises gegen Zwangsheirat“, gestartet und ausgewertet von der Gleichstellungsbeauftragten Friedrichshain-Kreuzberg

TDF-Umfrage unter Lehrkräften/SchulsozialarbeiterInnen von 2022

Das Video „Mein Herz gehört mir“ für Betroffene

Die Aktionen an den Schulen sollen in einem geschützten Rahmen stattfinden, weswegen wir die Namen der Schulen nicht nach außen geben. Zudem wird es nicht möglich sein, die Workshops durch PressevertreterInnen begleiten zu lassen. Auch können wir keine Interviews mit SchülerInnen vermitteln. Wir bitten dafür um Verständnis. Interviews mit den TDF-Referentinnen, die die Workshops leiten und zum Thema insgesamt seit Jahren arbeiten, sind möglich.

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