• 30.05.2024

Reise gegen den Rückschritt

TERRE DES FEMMES stellt sich zusammen mit einem breiten Bündnis  internationaler Organisationen und in zwei offenen Briefen solidarisch an die Seite von Betroffenen und AktivistInnen und dem Rollback in den Weg.

Im Namen von TERRE DES FEMMES hat Aktivistin und TDF Community-Trainerin Fatou Mandiang Diatta den von TERRE DES FEMMES initiierten Offenen Brief an VertreterInnen der gambischen Nationalversammlung übergeben.

Vor neun Jahren wurde die Unversehrtheit von Mädchen und Frauen in Gambia Gesetz

Im Jahre 2015 wurde ein Gesetz zur Kriminalisierung weiblicher Genitalverstümmelung (Englisch: Female Genital Mutilation, kurz FGM) verabschiedet. Damit war weibliche Genitalverstümmelung in Gambia verboten und unter Strafe gestellt. Mutige AktivistInnen und Betroffene hatten sich jahrelang für dieses Verbot eingesetzt. Die entsprechende gesetzliche Regelung wurde im Land und auch global als Erfolg und starkes Zeichen gegen FGM und für Menschen- und insbesondere Frauenrechte gewertet. Der damalige gambische Präsident hatte deutlich gemacht, dass weibliche Genitalverstümmelung keinen Platz in einer modernen Gesellschaft hat.

Autoritäre Kräfte gegen die Selbstbestimmung

Im August 2023 wurden, unter Zugrundelegung dieses Verbotes, erstmals drei Beschneiderinnen, welche weibliche Genitalverstümmelung an mehreren Mädchen und Frauen vollzogen hatten, verurteilt. Diese Verurteilung führte zum erneuten Aufleben der Debatte um das Verbot weiblicher Genitalverstümmelung, welches insbesondere von Teilen religiöser Autoritäten in Land abgelehnt wird. Infolgedessen hat die Gambische Nationalversammlung im März 2024 für einen eingebrachten Gesetzesentwurf gestimmt, welcher eine Rücknahme des Verbotes der Weiblichen Genitalverstümmelung beinhaltet. Eine endgültige Entscheidung über die mögliche Gesetzesänderung wird im Juli erwartet.

Die drohende Aufhebung des Verbots von weiblicher Genitalverstümmelung werten wir als existentielle Bedrohung von grundlegenden Rechten von Mädchen und Frauen in Gambia. Wir befürchten darüber hinaus einen Nachahmungseffekt für weitere Länder. Weibliche Genitalverstümmelung ist eine weltweit geächtete schädliche Praktik. Sie stellt in jedweder Form und Ausprägung eine schwere Menschenrechtsverletzung von Mädchen und Frauen dar und betrifft insbesondere das Recht auf Leben, Gesundheit, Würde und körperliche Unversehrtheit. Weltweit sind nach neusten Schätzungen von UNICEF ca. 230 Millionen Mädchen und Frauen von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen. In Gambia sind es ca. 73% der Mädchen und Frauen zwischen 15 und 49 Jahren. Immer wieder sterben Mädchen und Frauen im Zuge der Durchführung der Praktik, auch in Gambia.

TDF Community-Trainerin Isatou Barry sagt dazu: „FGM ist keine Religion, keine Tradition und nicht einmal eine Kultur. FGM ist eine gesellschaftliche Norm. Jede Frau und jedes Mädchen hat das volle Recht, alle Teile und Organe ihres Körpers […] zu behalten.“

Mit Offenen Briefen Zeichen setzen

Sowohl in Gambia als auch in der Diaspora in Deutschland setzen sich AktivistInnen vehement für den Erhalt des Verbots weiblicher Genitalverstümmelung in Gambia ein. TERRE DES FEMMES arbeitet unter anderem mit der senegalesischen Aktivistin Fatou Mandiang Diatta und der gambischen Aktivistin Isatou Barry zusammen. Um die Aktivistinnen bei ihrem Engagement zu unterstützen, hat sich TERRE DES FEMMES dazu entschlossen, zwei Offene Briefe in enger Zusammenarbeit mit ihnen zu verfassen und das Parlament in Gambia, das sich zu 91% aus männlichen Abgeordneten zusammensetzt, mit den Forderungen der Frauen zu konfrontieren. Denn Männer sollen nicht über die Körper von Frauen entscheiden dürfen.

Offener Brief an die deutsche Bundesregierung

Offener Brief an die gambische Nationalversammlung

Der erste Brief richtet sich an die deutsche Bundesregierung, mit der Aufforderung nicht wegzuschauen und die AktivistInnen in ihren Forderungen durch diplomatische Bemühungen zu unterstützen. Der Brief wurde am 15.05. übermittelt.

Der zweite Brief richtet sich an die gambische Nationalversammlung und den gambischen Präsidenten, mit der respektvollen Bitte sich gegen die geplante Gesetzesänderung zu entscheiden. Dieser Brief wurde am 22.05 persönlich an Vertreter der gambischen Nationalversammlung von TDF Community-Trainerin Fatou Mandiang Diatta übergeben.

Von der Reise gegen den Rückschritt berichtet Fatou Mandiang Diatta:

"Ich bin nach Gambia gereist, um mit einer Gruppe von Parlamentariern zu verhindern, dass das Gesetz gegen weibliche Genitalverstümmelung aufgehoben wird. Das erste was mir auffiel, war die Anwesenheit von Betroffenen [bei einer Sitzung im Parlament], die sehr entschlossen waren, in der Nationalversammlung für ihre Rechte zu kämpfen. Ich traf auch auf einige sehr starke junge AktivistInnen. Die Abgeordneten sind in dieser Frage gespalten: Die Befürworter [des FGM Verbots] werden unter anderem von europäischen Organisationen unterstützt, die Gegner sind eher religiös und werden von marabutischen Lobbys unterstützt. Wir werden eine Vielzahl von Frauen sehen, die das Land verlassen, um sich vor FGM zu schützen. Die gambische Nationalversammlung hat 58 Abgeordnete, davon 53 Männer und 5 Frauen.Trotzdem drücke ich die Daumen und bleibe positiv.“

Für die Unversehrtheit von Mädchen und Frauen gibt es kein Zurück

Diese Haltung, das zeigen beide Briefe, erhielt umfassenden Zuspruch von Organisationen weltweit, sodass 31 mitzeichnende Organisationen für den Brief an die deutsche Bundesregierung und 54 Organisationen für den Brief an die gambische Nationalversammlung und den gambischen Präsidenten gewonnen werden konnten.

Es ist gut zu wissen, dass es ein breites Bündnis gibt, das sich solidarisch zeigt und mit der Möglichkeit des Offenen Briefs ein klares Zeichen setzt im Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung und für Frauenrechte weltweit. Wir bleiben dran, damit es voran statt rückwärts geht.

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