• 08.11.2023

Zustimmung des Europäischen Parlaments zum Initiativbericht von Maria Noichl: Prostitution ist Gewalt an Frauen

Forderungen für die zukünftige Prostitutionspolitik

Seit vielen Jahren setzt sich TERRE DES FEMMES nachdrücklich für die Einführung des abolitionistischen Modells und die damit verbundene Verringerung der Nachfrage nach käuflichem Sex sowie die Bekämpfung des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung ein.
Mit der Annahme des Initiativberichts von Maria Noichl, Europaabgeordnete der S&D Fraktion und Mitfrau bei TERRE DES FEMMES im Europäischen Parlament, wurde der Umsetzung der vier Säulen des abolitionistischen Modells als eine erstrebenswerte und notwendige Richtung für einen einheitlichen europäischen Ansatz zugestimmt. Dieser Schritt des Europäischen Parlaments unterstreicht nachdrücklich die eindeutige Position, dass Prostitution als eine Form von Gewalt gegen Frauen anzusehen ist.

Die Debatte um die Regulierung der Prostitution in der Europäischen Union polarisiert seit vielen Jahren und wird nach wie vor kontrovers geführt.
Inmitten dieser Diskussion hat Maria Noichl, Verfasserin des Initiativberichts "Die Regulierung der Prostitution in der EU: ihre grenzübergreifenden Auswirkungen und die Konsequenzen für die Gleichstellung und die Frauenrechte", einen wichtigen Schritt getan, um Prostitution als das anzuerkennen, was sie überwiegend ist: Gewalt gegen Frauen.
Bereits eineinhalb Jahre zuvor hatte Maria Noichl vorgeschlagen, einen Initiativbericht zum Thema Prostitution auf den Weg zu bringen. Begünstigt wurde dieser Vorschlag durch die damalige spanische Vorsitzende der S&D Fraktion, die sich in Spanien bereits intensiv mit dem Thema beschäftigte. Im Januar 2023 wurde der fertiggestellte Initiativbericht dem Ausschuss für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter vorgelegt und von diesem angenommen, was zu einer Abstimmung im Plenum des Europäischen Parlaments führte, wo dieser mit einer Mehrheit von 234 Ja-Stimmen angenommen wurde.
Der Bericht beleuchtet die Vielschichtigkeit der Prostitution in der EU und gewährt Einblicke in die damit verbundenen Herausforderungen und Auswirkungen der stark variierenden Regulierungsansätze in den EU-Mitgliedstaaten. Zudem formuliert er Forderungen, die darauf abzielen, sexueller Ausbeutung, geschlechtsspezifischer Gewalt und der Nachfrage nach käuflichem Sex entgegenzuwirken.

Herausforderungen und Erkenntnisse des Initiativberichts

Verfasst wurde der Initiativbericht angesichts der zunehmenden Besorgnis über die steigende Gewalt gegen Frauen und den Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung. Prostitution betrifft hauptsächlich Frauen und ist ein komplexes, geschlechtsspezifisches Phänomen mit weitreichenden sozialen und rechtlichen Auswirkungen (OSZE, 2021). Der Bericht bezieht sich auf internationale Übereinkommen und Rahmenbedingungen, die diesen Bericht untermauern, und hebt diverse Probleme im Zusammenhang mit Prostitution in der EU hervor:

Zunahme von Gewalt: Prostituierte erfahren häufiger Gewalt und Ausbeutung als der Durchschnitt. Studien zeigen, dass viele von ihnen körperliche oder sexuelle Gewalt erleben (BMFSFJ, 2005 & UNDOC, 2019)
Menschenhandel: Es ist nicht möglich Prostitution und Menschenhandel zum Zwecke sexueller Ausbeutung strikt voneinander zu trennen, da insbesondere Frauen und Kinder in den meistens Fällen zur sexuellen Ausbeutung gehandelt werden. Weltweit sind 64% der Betroffenen zum Zweck der sexuellen Ausbeutung Frauen und 27% Mädchen (Prpic, M., 2023), in Deutschland sind 95,2% der Betroffenen weiblich (BKA, 2023).
Nachfrage: Prostitution und Menschenhandel zum Zwecke sexueller Ausbeutung existieren, weil es die Nachfrage nach käuflichem Sex gibt. Die Entkriminalisierung des Erwerbs sexueller Dienstleistungen erhöht die Nachfrage und fördert Ausbeutung.
Grenzübergreifende Auswirkungen: Unterschiedliche Regulierungsansätze in den EU-Mitgliedstaaten führen zu ungleichem Schutz und unterschiedlichen Rechten für Prostituierte. Die Freizügigkeit in der EU begünstigt das Ausmaß des Menschenhandels.

Forderungen des Initiativberichts

Der Bericht von Maria Noichl trägt dazu bei, das Bewusstsein für die Probleme im Zusammenhang mit der Prostitution in der EU zu schärfen. Er bietet eine Grundlage für die Diskussion über zukünftige Maßnahmen auf EU-Ebene:

Entkriminalisierung und Schutz: Einige Länder, die das abolitionistische Modell angenommen haben, sehen positive Auswirkungen auf die Rechte von Prostituierten und die Bekämpfung des Menschenhandels (Neumayer, E., Dreher, A. & Cho, S.-Y., 2013). Dies muss ein einheitlicher Weg werden, um die Prostitution zu regulieren und gleichzeitig den Schutz der Frauen sicherzustellen.
Reduzierung der Nachfrage: Durch die Kriminalisierung von Sexkäufern und das Verbot der Profitnahme durch Dritte soll diese gesenkt werden und somit die Ausbeutung eingedämmt werden.
Überwachung und Evaluierung: Die EU und ihre Mitgliedstaaten könnten verstärkt Maßnahmen zur Überwachung und Evaluierung der Auswirkungen unterschiedlicher Regulierungsansätze ergreifen.
Prävention und Ausstiegshilfen: Die Bekämpfung der Ursachen, die Menschen in die Prostitution treibt, wie Armut und soziale Ausgrenzung, muss ein weiterer Schwerpunkt sein. Ausstiegsprogramme und Unterstützung für Prostituierte müssen ausgebaut werden.
Bewusstseinsbildung: Es ist wichtig, die Gesellschaft über die Realität in der Prostitution aufzuklären und Stigmatisierung und stereotypes Denken zu bekämpfen.

(siehe auch Grafik unten) 

Fazit und Ausblick

Der Bericht von Maria Noichl betont die Notwendigkeit eines einheitlichen EU-weiten Ansatzes zur Regulierung der Prostitution, um die Gleichstellung der Geschlechter und den Schutz der Frauenrechte sicherzustellen sowie Menschenrechtsverletzungen zu verhindern.
Er bildet die Grundlage für eine eingehende Debatte über die Zukunft der Prostitutionsregulierung in Europa. Die Lösung dieses komplexen Problems erfordert eine umfassende Herangehensweise, bei der der Schutz der Frauenrechte und die Bekämpfung des Menschenhandels im Mittelpunkt stehen.
Es bleibt abzuwarten, welche konkreten Maßnahmen die EU und ihre Mitgliedstaaten in den kommenden Jahren ergreifen werden, um diesen Herausforderungen zu begegnen und die prekäre Situation von Prostituierten zu verbessern.
Die Annahme des Berichts erhöht den Druck auf die Mitgliedstaaten und fordert sie auf, ihre Gesetzgebung kritisch zu analysieren und sich aktiv am europäischen Dialog zu beteiligen.
In Deutschland hat die Annahme des Initiativberichts zudem die politische Diskussion zur Prostitution belebt.
Die CDU/CSU-Fraktion veröffentlichte am 07.11.2023 als erste Fraktion ein Posititonspapier mit dem Titel: „Menschenunwürdige Zustände in der Prostitution beenden – Sexkauf betrafen“ und spricht sich darin klar für die Implementierung einer neuen Gesetzgebung aus, die auf den Säulen des Nordischen Modells steht.

Quellen:

BKA, 2023. Menschenhandel und Ausbeutung. Bundeskriminalamt, abgerufen am 11.10.2023, von

https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/Menschenhandel/menschenhandelBundeslagebild2022.html

BMFSFJ, 2005. Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Abgerufen am 23. Oktober 2023, von

https://www.bmfsfj.de/resource/blob/84328/3bc38377b11cf9ebb2dcac9a8dc37b67/langfassung-studie-frauen-teil-eins-data.pdf  

Neumayer, E., Dreher, A. & Cho, S.-Y., 2013. Does legalized prostitution increase human trafficking? LSE. Abgerufen am 23. Oktober 2023, von 

https://eprints.lse.ac.uk/45198/1/Neumayer_Legalized_Prostitution_Increase_2012.pdf

OSZE, 2021. Discouraging the demand that fosters trafficking for the purpose of sexual exploitation. Abgerufen am 23. Oktober 2023, von 

https://www.osce.org/files/f/documents/7/f/489388_2.pdf

Prpic, M., 2023. Understanding EU action against human trafficking. Europäisches Parlament. Abgerufen am 11.10.2023, von

https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/BRIE/2021/690616/EPRS_BRI(2021)690616_EN.pdf

UNDOC, 2019. Global Study on Homocide. UNODC. Abgerufen am 23. Oktober 2023, von

https://www.unodc.org/documents/data-and-analysis/gsh/Booklet_5.pdf

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