Das Leitungsteam von APDF (2017): Bintou Diawara Coulibaly (rechts) und Aminata Koné Diakité
Foto: © TERRE DES FEMMES
Projektgebiete: Gewaltschutzzentren in Bamako, Gao und Mopti sowie weitere Projektstandorte in ganz Mali
Wird von TDF unterstützt seit: 2009
Zielgruppe: gewaltbetroffene Mädchen und Frauen
Projektaktivitäten:
- Gewaltschutz und Notunterkunft für Mädchen und Frauen
- Medizinische, psychologische und juristische Betreuung betroffener Frauen
- Aufklärungs- und Lobbyarbeit
- Unterstützung beim Aufbau ökonomischer Selbstständigkeit durch Schulungen für einkommensschaffende Maßnahmen und die Bereitstellung der benötigten Materialien und Werkzeuge
Projektgründerin: Fatoumata Siré Diakité († Oktober 2016)
Kontakt: TERRE DES FEMMES-Referat Internationale Zusammenarbeit(rl-iz@frauenrechte.de)
Projektflyer: Informationsflyer zu APDF (PDF-Datei)
Factsheet: Komprimierte Fakten zu Frauenrechten in Mali (PDF-Datei)
Hintergrund
Frauen warten vor dem Projektgebäude auf Beratung. Foto: © TERRE DES FEMMES
Im Human Development Index des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen liegt Mali auf Platz 186 von 191 (Stand 2021), das Land zählt zu den ärmsten in Afrika: Rund 42 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. Zudem gibt es einen Bevölkerungszuwachs von jährlich 3 Prozent, was die Wirtschaft vor große Probleme stellt. Seit dem Militärputsch im März 2012 und der parallel dazu voranschreitenden Besetzung des Nordens des Landes zunächst durch die Tuareg und später durch islamistische Extremisten ist Mali fortwährend politischen Unruhen ausgesetzt. Seit Juli 2013 bemüht sich die UNO-Mission MINUSMA (zu Dt.: Multidimensionale Integrierte Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali) um Sicherheit und Konsolidierung, doch nach wie vor herrscht ein Klima der Instabilität, und besonders die weibliche Bevölkerung leidet unter nicht aufgeklärten und teils noch weiter erfolgenden Kriegsverbrechen.
Im August 2020 putschte das malische Militär gegen die Regierung des demokratisch gewählten Präsidenten Ibrahim Boubacar Keïta, weniger als ein Jahr später folgte im Mai 2021 ein weiterer Putsch gegen die Übergangsregierung unter Bah N’Daw. Als neuer Übergangspräsident wurde Oberst Assimi Goïta vereidigt, der Wiederaufbau stabiler demokratischer Strukturen steht bis heute in weiter Ferne. Zugleich verschärft sich die Sicherheitslage immer weiter: UN-Angaben zufolge befinden sich rund 75 Prozent des Hoheitsgebiets unter der Kontrolle extremistischer Gruppierungen, dschihadistisch motivierte Terroranschläge sind an der Tagesordnung. Auch den malischen Sicherheitskräften selbst werden immer wieder schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.
Lage für Frauen und Mädchen
Das Gewaltschutzhaus in Bamako. Foto: © TERRE DES FEMMES
Die Situation der weiblichen Bevölkerung ist besonders besorgniserregend. Eine Übersicht von UN OCHA zu den humanitären Bedarfen 2022 zeigt, dass angesichts der prekären Sicherheitslage in Mali, die geprägt ist von bewaffneten Konflikten, Terroranschlägen, Spannungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen sowie erhöhten Flucht- und Migrationsbewegungen, in fast allen Regionen des Landes ein verstärktes Risiko von sexualisierter Gewalt für Frauen besteht. In ganz Mali wurden allein von Januar bis August 2021 rund 5.486 Fälle von geschlechtsbedingter Gewalt dokumentiert. Dies stellt einen Anstieg um 41 Prozent im Vergleich zum Vorjahr dar. 98 Prozent der Betroffenen waren Frauen, 54 Prozent noch unter 18 Jahren. Die Dunkelziffer sexualisierter Übergriffe liegt aller Wahrscheinlichkeit nach noch wesentlich höher.
Ein Gesprächskreis mit Frauen zur Aufklärung über ihre Rechte im Gewaltschutzzentrum Bamako, Bildrecht: APDF
Auch außerhalb der Krisenregionen haben Frauen in Mali einen besonders schwierigen Status. Eine malische Frau bekommt im Durchschnitt 5,7 Kinder. Früh- und Zwangsehen sind weit verbreitet, 54 Prozent der Mädchen heiraten vor Vollendung des 18. Lebensjahrs, 16 Prozent sogar vor ihrem 15. Geburtstag. Ein weiteres Problem ist die unverändert weit verbreitete weibliche Genitalverstümmelung (engl. Female Genital Mutilation - FGM): 89 Prozent der Mädchen und Frauen werden beschnitten, die meisten von ihnen vor ihrem 5. Geburtstag. Als eines von nur sechs Ländern weltweit hat Mali bis heute kein gesetzliches Verbot gegen FGM erlassen. Zu den Hintergründen zählt vor allem der Fortbestand von Gewohnheitsrecht und traditionellen Praktiken, welche sich an patriarchalen Herrschaftsstrukturen ausrichten und nach wie vor hohe gesellschaftliche Akzeptanz in Mali erfahren. Die Benachteiligung von Mädchen bei der Teilhabe an Bildung ist ebenfalls gravierend. Laut der Internationalen Bewegung ONE zur Bekämpfung extremer Armut und vermeidbarer Krankheiten bis 2030 liegt Mali auf Platz 6 der Länder, in denen Mädchen die größten Schwierigkeiten haben, zur Schule zu gehen (2017).
Aus all diesen Gründen sind Frauenrechtsinitiativen wie die TDF-Partnerorganisation APDF unverzichtbar.
Projektaktivitäten von APDF
Eine Frau bedruckt einen Stoff während eines Kurses von APDF. Foto: © TERRE DES FEMMES
Die "Association pour le Progrès et la Défense des Droits des Femmes" (APDF) ist die einzige Organisation in Mali, die im Bereich Gewaltschutz sowohl Notunterkunft als auch umfassende soziale, medizinische, psychologische und juristische Dienste unter einem Dach anbietet. Mit ihren ca. 30.000 Mitgliedern, die teilweise durch Regionalbüros in den acht Regionen Malis vertreten sind, ist sie Frauenrechtsorganisation und Frauenbewegung zugleich.
Die wesentlichen Ziele von APDF sind:
- Die fundamentalen Rechte von Mädchen und Frauen zu fördern, zu schützen und zu verteidigen.
- Frauen über ihre Rechte zu informieren.
- Gegen alle Formen geschlechtsspezifischer Gewalt einschließlich schädlicher Praktiken und Traditionen zu kämpfen.
- Auf ein Ende der weiblichen Genitalverstümmelung hinzuarbeiten.
- Alle Formen der Diskriminierung von Frauen zu bekämpfen.
- Dafür zu kämpfen, dass Frauen in Entscheidungsgremien auf allen Ebenen und in allen Bereichen eingebunden werden.
- Die soziale Rolle und ökonomische Teilhabe der malischen Frau zu stärken.
- Frauen durch Ausbildungen in ihrem Bestreben nach wirtschaftlicher Unabhängigkeit zu unterstützen.
- Die korrekte Einhaltung der regionalen und nationalen Rechtstexte und Abkommen gegen Diskriminierung zu überwachen.
Schutz, Beratung und Empowerment
Nähkursteilnehmerinnen. Foto: © APDF Entsprechend dieser Zielsetzungen betreibt APDF Frauenschutzhäuser in Bamako, Mopti und Gao. Dort finden von Gewalt und Diskriminierung betroffene Mädchen und Frauen ganzheitliche Hilfs- und Unterstützungsangebote. Damit die Frauen sich ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen können, werden ihnen Schulungen zu einkommensschaffenden Aktivitäten angeboten, wie z.B. Stofffärben, Schneidern, traditionelle Henna-Tätowierung, Herstellung von Seifen und Verarbeitung von lokalen Anbauprodukten zu getrockneten Tomaten, Kräutern oder Zwiebeln etc.). Nach den Kursen bekommen die Frauen die benötigten Materialien und Werkzeuge mit nach Hause und können sich so in ihren Dörfern mit Produktion und kleinen Verkaufsständen ein eigenes Einkommen erwirtschaften. Darüber hinaus geben sie ihre neu erlernten Fähigkeiten an andere Dorfbewohnerinnen weiter, wodurch sich der Erfolg der Schulungen vervielfacht.
Die MitarbeiterInnen von APDF sind beteiligt, wenn neue Gesetzestexte beraten werden, sie sensibilisieren Sicherheitspersonal von Polizei, Gendarmerie und Armee. Außerdem führen sie Aufklärungskampagnen, z.B. gegen FGM, durch. APDF besitzt eine eigene Bibliothek, in der alle Veröffentlichungen zum Thema Frauenrechte dokumentiert werden.
Ein zentrales Projekt der Kooperation APDF-TDF war der Aufbau des neusten Gewaltschutzzentrums in Gao, Nordmali. Der Bedarf einer kompetenten Beratungsstelle im Norden Malis war immens, denn der Großteil der bei APDF Zuflucht suchenden Frauen kommt aus dem Norden des Landes. Im Rahmen des TDF-Projektbesuchs 2017 wurden die notwendigen Vorbereitungen und Voraussetzungen geschaffen. Im Januar 2018 wurde die Baugenehmigung erteilt und im Februar 2018 der Bauvertrag unterzeichnet. Im Dezember 2018 konnte der Bau erfolgreich abgeschlossen werden. Seit der Eröffnung 2019 erhalten gewaltbetroffene Frauen nun auch in Gao unmittelbaren Schutz und umfassende Unterstützung. Das Frauenschutzhaus bietet 20 Schlafplätze. Wie in Bamako und Mopti wird auch in Gao das ganzheitliche Schutz- und Beratungskonzept verwirklicht.
Aufklärung an Schulen
Gruppenfoto von APDF vor dem Gewaltschutzzentrum in Gao. Foto: © APDFSeit Ende 2019 kooperieren TDF und APDF im Rahmen eines Projekts zur gesundheitlichen und menschenrechtlichen Aufklärung an Schulen zudem mit Häuser der Hoffnung und der Association Malienne pour le Développement Durable (AMDD). Ziel des Projekts ist die Sensibilisierung von Lehrkräften und SchülerInnen zur Verhinderung von schädlichen traditionellen Praktiken wie FGM und Frühehen. Diese geben ihr Wissen dann auf vielfältige Weise an die eigenen Gemeinden weiter. Auch Informationen über die sexuellen und reproduktiven Rechte der Frau und Möglichkeiten der Familienplanung sind ganz zentral. Im Zuge der Corona-Pandemie nahmen die Schulen Aufklärung über Schutzmaßnahmen in ihr Repertoire auf und verteilten Hygienesets. Vor allem kreative Ansätze wie das Entwickeln und Aufführen von Theaterstücken begeistern die SchülerInnen.
Erfolge der Organisation
Teilnehmerinnen an der Berufsbildung mit ihrer selbst hergestellten Seife, Bildrecht: APDF
Das Zustandekommen der Partnerschaft von APDF und TDF ist auf die großzügige Unterstützung eines Kölner Unternehmers zurückzuführen. Er hat im Jahr 2009/2010 nicht nur die Baumaßnahme zum Aufbau des Gewaltschutzzentrums in Bamako finanziert, sondern immer wieder auch die Projektaktivitäten von APDF unterstützt.
TDF hat diese Zusammenarbeit flankierend begleitet und baut die Kooperation mit APDF seit 2015 weiter aus. Hierbei geht es TDF vor allem darum, die Betreuung der hilfesuchenden Mädchen und Frauen in dem Gewaltschutzzentrum in Bamako sowie in dem neu errichteten, 2019 eröffneten Frauenschutzhaus in Gao in Nordmali zu unterstützen.
- APDF ist die einzige Organisation in Mali, die im Bereich Gewaltschutz für Frauen sowohl Notunterkunft, als auch umfassende soziale, medizinische, psychologische und juristische Dienste unter einem Dach anbietet.
- APDF ist mit 47 dezentralisierten Projektbüros in 8 Regionen Malis vertreten.
- Allein im ersten Halbjahr 2022 fanden 69 Mädchen und Frauen in den Gewaltschutzzentren von Bamako und Gao Zuflucht und ein sicheres temporäres Zuhause. Zudem wurden 268 Frauen und Mädchen in den Schutzhäusern versorgt, rechtlich beraten und psychologisch betreut.
- Im ersten Halbjahr 2022 hatten 90 Frauen in Bamako und Gao die Möglichkeit, Kenntnisse im Schneidern, Nähen, Sticken und der Kunst der traditionellen Henne-Tätowierung zu erwerben, die ihnen den Einstieg in ein stärker selbstbestimmtes Leben erlauben.
- Mit den Schulungen zu einkommensschaffenden Aktivitäten werden pro Jahr mehr als 200 Frauen direkt erreicht, durch Wissensweitergabe in den Dörfern sogar noch weitaus mehr.
- Durch regelmäßige Projekte und Veranstaltungen, wie beispielsweise zum 6. Februar, dem Internationalen Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung, schafft APDF Bewusstsein in der Bevölkerung Malis für Probleme wie Gewalt an Mädchen und Frauen oder FGM und mobilisiert diese gleichzeitig, sich dagegen einzusetzen.
- Darüber hinaus ist APDF eine anerkannte Frauenrechtsorganisation in Mali, deren Expertise von vielen Seiten aus Politik und Zivilgesellschaft angefragt wird.
Aktiv werden & Spenden
Verkauf von Stoffen, Nähprodukten und hergestellten Lebensmitteln. Foto: © TERRE DES FEMMES Damit APDF ihre Projekte für ein Leben frei von Gewalt weiterhin nachhaltig durchführen kann, ist die Organisation auf finanzielle Unterstützung angewiesen.
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Auch über die Spendenplattform betterplace.org können Sie APDF in ihrer Arbeit unterstützen!
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BIC GENODEF1ETK
Weitere Informationen
Flyer
- TDF-Projektflyer (PDF-Datei)
Jahresberichte
- Jahresbericht 2021 (PDF-Datei)
- Jahresbericht 2020 (PDF-Datei)
- Jahresbericht 2019 (PDF-Datei)
- Jahresbericht 2018 (PDF-Datei)
- Jahresbericht 2017 (PDF-Datei)
- Jahresbericht 2016 (PDF-Datei)
Reiseberichte
- Projektbesuch 2017
- Projektbesuch Februar 2016 (PDF-Datei)
Öffentlichkeitsarbeit
- Gewaltschutzzentren: Projektupdate zum ersten Halbjahr 2022
- Update zum Kooperationsprojekt
- Gewaltschutzzentren: Projektupdate zum zweiten Halbjahr 2021
- Allen Krisen zum Trotz: erfolgreiches Kooperationsprojekt mit Häuser der Hoffnung
- Gewaltschutzzentren: Projektupdate zum ersten Halbjahr 2021
- Ein Meilenstein: Fertigstellung des neuen Gewaltschutzzentrums in Gao/Nordmali
- CHANGE Plus-Schirmherrin Fatoumata Siré Diakité, die „Jeanne d’Arc Afrikas“, kämpft für Frauenrechte in Mali
- Weitere Unterstützung für das Frauenschutzhaus in Mali
Weitere Informationen erhalten Sie bei
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