• 12.12.2023

Für die Islamische Republik Iran ist die Kopftuchpflicht wie die Berliner Mauer. Wird der staatliche Verhüllungszwang bezwungen, fällt das ganze Regime – Pressekonferenz mit der iranischen Frauenrechtsaktivistin Masih Alinejad

Masih Alinejad (mitte und mit Blume) - rechts von ihr Roya Mahboob - links von ihr Sima Moradbeigi
23-11-29 Masih Alinejad (mitte und mit Blume) - rechts von ihr Roya Mahboob - links von ihr Sima Moradbeigi

Berlin, 29.11.2023. Die Pressekonferenz mit Masih Alinejad organsierte die Axel Springer Freedom Foundation. Neben Masih Alinejad nahmen auch Roya Mahboob und Sima Moradbeigi an der Veranstaltung teil. Die drei Aktivistinnen aus dem Iran und Afghanistan setzen sich für Mädchen- und Frauenrechte ein. Sie erlitten dadurch Verletzungen, mussten aus ihren Heimatländern fliehen und sind nach wie vor einem erheblichen Sicherheitsrisiko ausgesetzt. Erst im Sommer 2022 konnte ein weiterer Mordanschlag auf Masih Alinejad vereitelt werden. In Deutschland sind Asylsuchende und Exil-IranerInnen ebenfalls nicht sicher. Durch die enge Zusammenarbeit mit der iranischen Diaspora sind uns Fälle von Bedrohung und Einschüchterung bekannt. So berichtete uns vor Kurzem ein iranisch-stämmiger Aktivist einen Einbruchsversuch in seine Berliner Privatwohnung. Zusammen mit TDF hat er an mehreren Veranstaltungen zu FRAU LEBEN FREIHEIT teilgenommen. Zuvor wurden Verwandte von ihm im Iran verhaftet und verhört sowie gedroht er würde dorthin verschleppt werden. Ein Blick in den aktuellen deutschen Verfassungsschutzbericht offenbart, dass es keine leeren Worte sind. Iran betreibt Staatsterrorismus, so der deutsche Verfassungsschutz. Im Ausland lebende RegimegegnerInnen werden eingeschüchtert, sogar entführt, um sie zum Schweigen zu bringen. Die Bekämpfung von oppositionellen Gruppierungen und Einzelpersonen stellt den Schwerpunkt des iranischen Staatsterrorismus dar (BMI Verfassungsschutzbericht 2022, S. 297).  

Die international bekannte Frauenrechtsaktivistin Alinejad nutzt ihre Plattform, um auch iranischen Geflüchteten und Frauen aus Afghanistan eine Stimme zu geben. Denn die frauenrechtliche Situation ist seit der erneuten Machtergreifung der Taliban im Sommer 2021 noch dramatischer und noch lebensbedrohlicher. Roya Mahboob kritisierte das sehr geringe mediale Interesse an der frauenrechtlichen Situation in Afghanistan sowie das Nichtinteresse westlicher PolitikerInnen sich mit afghanischen Frauenrechtsorganisationen und AktivistInnen auszutauschen. Sima Moradbeigi, Mutter einer 3-jährigen Tochter, demonstrierte im September 2022, nach dem Tod von Jina Mahsa Amini, für die feministische FRAU LEBEN FREIHEIT-Revolution im Iran. Einer der sogenannten Sicherheitskräfte schoss mehrere hundert Schrotkugeln in ihren Arm. Nur durch die geheime Hilfe von medizinischem Fachpersonal im Iran überlebte die junge Frau. Ihren verletzten rechten Arm kann sie nicht mehr bewegen. Sie lebt mittlerweile mit ihrem Mann und Kind in Deutschland, da der staatliche, iranische Repressionsapparat nach ihr sucht. Damit die Stimmen der todesmutigen AktivistInnen gehört werden, ist es elementar, dass auch deutsche Vereine und Organisationen weiterhin SchallverstärkerIn bleiben. TERRE DES FEMMES machte beispielsweise im Herbst 2023 mit der Veranstaltungsreihe „Let her learn!“ zusammen mit afghanischen Frauenrechtsaktivistinnen auf das Recht auf Bildung von Mädchen und Frauen aufmerksam und nimmt regelmäßig an Kundgebungen und Protestaktionen zu FRAU LEBEN FREIHEIT teil. Zivilgesellschaftliches Engagement in Deutschland ist auch wichtig, da viele AktivistInnen anonym bleiben müssen. Die diesjährige Preisträgerin des AWARD FOR COURAGE der Axel Springer Freedom Foundation ist eine afghanische Frau, welche mit einem geheimen Netzwerk Untergrundschulen für Mädchen betreibt. Weil sie unter der Talibanherrschaft in Lebensgefahr schwebt, wurde der Preis anonym und in Abwesenheit vergeben. Der Preis zeichnet Persönlichkeiten aus, die sich in besonderem Maße für Demokratie und Freiheit einsetzen. Dieses zivilgesellschaftliche Engagement und die Sichtbarmachung von iranischen und afghanischen MenschenrechtsaktivistInnen ist elementar, um weiterhin Druck auf politische AkteurInnen auszuüben.

Masih Alinjejads Wunsch ist es einen iranischen Zwangs-Hijab und eine afghanische Zwangs-Burka neben der niedergerissenen Berliner Mauer zu sehen. Sie ist überzeugt, wenn es den todesmutigen Demonstrierenden im Iran gelingt, den Zwangs-Hijab für Mädchen und Frauen abzuschaffen, könnte sich auch das iranische Unrechtsregime nicht mehr halten. Wenn der staatliche Verhüllungszwang fällt, fällt das Regime. Sie führt weiter aus, sie wünsche sich, dass Genderapartheid, wie die staatliche Zwangsverschleierung und Zwangsverhüllung, als Menschenrechtsverletzung in allen internationalen Übereinkommen kodifiziert wird. In ihren Gesprächen mit deutschen ParlamentarierInnen wird sie nicht müde, zu wiederholen, dass insbesondere afghanische und iranische Schutzsuchende Schwierigkeiten haben Asyl in Deutschland zu erhalten. Weil diktatorische Regime vereinter sind als demokratische Staaten, gelingt es ihnen weltweit Demokratien anzugreifen. Sie erinnert an die iranischen Drohnen, die von Russland in seinem Angriffskrieg in der Ukraine eingesetzt werden, sowie die iranische Unterstützung für die islamistischen Hamas im Gazastreifen.

Eine Gemeinsamkeit der Islamisten ist die öffentliche Darstellung von (sexualisierter) Gewalt an Mädchen und Frauen, so Alinejad. Beispielsweise die Vergewaltigung von Mädchen und Frauen in Israel durch die Hamas sowie das Zuschaustellen ihrer Körper in Videos und in der Öffentlichkeit. Die afghanischen Taliban und die iranischen Mullahs nutzen öffentliche Auspeitschungen und Hinrichtungen, um einzuschüchtern und um ihre Macht zu demonstrieren.

Angesprochen auf ihre Sicht zum Thema „Kinderkopftuch“ führt Alinejad aus, dass sie es als Kindesmissbrauch beschreiben würde. Sie findet es sehr problematisch, wenn Kinder mit „Kinderkopftuch“ abgebildet werden, um damit für ihre angebliche Entscheidungs- und Religionsfreiheit werben sollen. Sie berichtet aus ihrer eigenen Kindheit. Ab sieben Jahren musste sie ein „Kinderkopftuch“ tragen, um überhaupt die Schule besuchen zu können. Ihr wurde beigebracht sie würde an ihren Haaren erhängt werden und in die Hölle kommen, falls ihre Haare zu sehen seien. Ihr Buch „Der Wind in meinem Haar“ gibt es bei uns als Lesetipp und in unserem Shop.

 

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