• 04.12.2025

„Respekt gegenüber Frauen zu haben ist entscheidend“ - TDF zu Besuch in Mali und Burkina Faso

Eine aus ihrer Heimat im Norden Burkina Fasos geflüchtete Frau

Vom 25.10. bis zum 11.11.2025 war die Leiterin des Referats für Internationale Zusammenarbeit, Birgitta Hahn, zu Besuch bei den TDF-Partnerorganisationen APDF (Association pour le Progrès et la Défense des Droits des Femmes) in Mali und ABN (Association Bangr Nooma) in Burkina Faso. Ziele der Reise waren, persönliche Eindrücke der laufenden Projekte und ihrer Wirkungen vor dem Hintergrund der humanitären Krise vor Ort zu gewinnen sowie eine geplante Ausstellung zum Thema sexualisierte Gewalt an Frauen und Mädchen in Burkina Faso, Mali und Deutschland vorzubereiten. Deshalb begleitete auch der Fotograf/Kameramann John Kranert die Reise. Birgitta Hahn beschreibt, welche Eindrücke ihren Besuch u.a. prägten:

In der Mitte des Hofs hängt ein Streifen Fett – dünn und faserig – mitten in der Sonne über einer Blechbüchse. Auf meine Frage, was sie damit vorhabe, antwortet die Frau, sie hätten nichts zu essen und dieses Fett von einer Nachbarin erhalten. Das, was heruntertropfe, müsse zusammen mit dem wenigen Brot, das sie erbettelt hätten, für den Tag reichen.

Mit Nichts leben – humanitäre Not in Burkina Faso

Die Frau war erst vor drei Tagen mit ihren sechs Kindern an den Rand von Ouagadougou geflüchtet. Sie besaßen buchstäblich Nichts. Wo der Ehemann der Frau war, wusste sie nicht. Er hatte mit anderen Männern gegen die dschihadistische Miliz in ihrem Dorf im Norden gekämpft und war deshalb zurückgeblieben. Sie hätte gerne Kontakt zu ihm aufgenommen, ihr Handy funktionierte aber nicht mehr. Notdürftig waren sie und ihre Kinder in einem heruntergekommenen Zimmer untergekommen. Nicht einmal Matratzen gab es dort. 

Vergleichbares berichten sehr viele Frauen, mit denen Birgitta Hahn, Referatsleiterin für Internationale Zusammenarbeit, während ihrer Sahelreise ins Gespräch kam. In Burkina Faso sind derzeit rund zwei Millionen Menschen auf der Flucht im eigenen Land, 84 Prozent davon Frauen und Kinder – dschihadistische Milizen kontrollieren über 60 Prozent des Landesgebiets und vertreiben immer mehr Menschen mit Gewalt und Terror. Die humanitäre Not ist sicht- und spürbar, Risiken v.a. von sexualisierter Gewalt gegenüber Mädchen und Frauen groß.

In dieser herausfordernden Lage wirkt die Arbeit der TDF-Partnerorganisation ABN wie ein Lichtblick. Das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unterstützte, aktuell laufende Projekt integriert binnengeflüchtete Frauen in alle Angebote, von Schutzunterkunft, rechtlicher und psychologischer Beratung im Gewaltfall, über Berufsbildungskurse und finanzielle Starthilfe zur Erzielung eines eigenen Einkommens und Reduzierung von Abhängigkeiten, bis hin zu breit angelegter Sensibilisierungsarbeit. Aber der Bedarf ist riesig, es braucht noch weit mehr!

Machtkämpfe und akute Not in Mali

In Mali ist die Lage vergleichbar, wenn die Krise auch früher begonnen hat und sich während des TDF-Besuchs kurzfristig verschärfte - Überfälle auf Tanklaster aus der Côte d’Ivoire und dem Senegal auf dem Weg in die Hauptstadt Bamako führten zu kritischen Kerosinengpässen. Zahlreiche Menschen konnten nicht mehr zur Arbeit kommen, da öffentliche Transportmittel nicht mehr verkehrten, Schulen und Universitäten wurden geschlossen und die Botschaften zogen ihr Personal ab. Hintergrund all dessen war ein Machtkampf zwischen der malischen Militärjunta und dem Anführer der vorherrschenden dschihadistischen Miliz in der Region, JNIM (Jama'a Nusrat ul-Islam wa al-Muslimin). Auch in den malischen Camps für Binnengeflüchtete war die humanitäre Not der Menschen omnipräsent.

Lösungsansätze der TDF-Partnerorganisationen

Umso wichtiger ist das, was die beiden TDF-Partnerorganisationen im Sahel leisten: sowohl APDF in Mali als auch ABN in Burkina Faso betreiben Gewaltschutzzentren mit umfassenden Angeboten zur Unterstützung und Stärkung betroffener Frauen, damit sie einen Weg aus der Gewalt finden und ihr Leben selbstbestimmter ausrichten können. Immer wieder hervorgehoben wurde von den Frauen vor Ort die Relevanz wirtschaftlichen Empowerments, weil es nachhaltiger als humanitäre Hilfe wirke und ihnen eigene Perspektiven, unabhängig von männlichen Versorgern, verschaffe. In Mali sind derzeit v.a. die Berufsbildungskurse in Henna-Tätowierung, Perlenstickerei und Näherei beliebt. Nach erfolgreicher Absolvierung erhalten die Frauen ein Starter-Kit, mit einer Grundausstattung an Arbeitsmaterialien für den Aufbau eines eigenen Geschäfts. Birgitta konnte ein Interview mit einer Ausbildungsabsolventin führen, die sich in ihrem Zuhause ein Schneiderei-Atelier aufgebaut hat: „Seit ich ein eigenes Einkommen verdiene, hat mein Wort zu Hause mehr Gewicht“, berichtet die Jungunternehmerin über die Wirkung ihres finanziellen Beitrags auf ihr Mitspracherecht im Haushalt.

Mali, Austausch bei intergenerationeller Debatte

Wandel im Umgang mit geschlechtsspezifischer Gewalt

In Burkina Faso konnte Birgitta an mehreren Maßnahmen zur Sensibilisierung der Bevölkerung über geschlechtsspezifische Gewalt teilhaben. Eine Fortbildung für Führungspersonen der Community war besonders aufschlussreich: die Eingeladenen waren nicht nur vollzählig erschienen, sondern nahmen auch aktiv teil und diskutierten viele der von Frauen in ihren Gemeinden an sie herangetragenen Probleme. Einer der Führungspersonen berichtete etwa, dass er eine Frau, die sich wegen sexualisierter Gewalt in der Ehe an ihn gewandt habe, einst nach Hause geschickt hätte, weil er geglaubt habe, das sei keine Gewalt, sondern eine eheliche Pflicht. Heute würde er Frauen in diesem Fall unterstützen, weil ihm bewusst sei, dass die Frau ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung habe. „Respekt gegenüber Frauen zu haben ist entscheidend, dazu halte ich die Männer in meiner Gemeinde an“.

In Mali stachen v.a. die intergenerationellen Debatten heraus, die zwischen jungen und älteren Frauen stattfinden, und Themen aufgreifen, die im jeweiligen Altersspektrum unterschiedlich bewertet werden. Im Vordergrund stand diesmal Frühverheiratung und anschließender Bildungsverlust, da Mädchen nach der Verheiratung üblicherweise von der Schule abgemeldet werden. Die Mädchen in der Runde beharrten nachdrücklich darauf, weiter zur Schule gehen und erst später heiraten zu wollen. Die Mütter räumten schließlich ein, den Willen ihrer Töchter bislang nicht berücksichtigt zu haben, dies nun aber ändern zu wollen.

Sowohl ABN als auch APDF sind bei ihren Zielgruppen sehr bekannt und werden entsprechend immer wieder auf Fälle von drohender Gewalt aufmerksam gemacht, so dass sie rechtzeitig intervenieren oder ihre NetzwerkpartnerInnen, wie Polizei oder Sozialbehörden, dazu anhalten können, dies zu tun. Auch Radiosendungen in beiden Ländern spielen eine wichtige Rolle bei der Gewaltprävention und Bekanntmachung der Angebote der TDF-Partnerorganisationen. ABN betreibt in Burkina Faso außerdem viel Aufklärung an Schulen, u.a. durch Theaterstücke, die gemeinsam mit den SchülerInnen konzipiert und aufgeführt werden, oder durch die Gründung von SchülerInnen-Parlamenten. Eine Teilnehmerin berichtet: „Wir entscheiden basisdemokratisch, um welche Probleme an unserer Schule wir uns kümmern. Dann diskutieren wir gemeinsam und schlagen den LehrerInnen und ElternvertreterInnen Lösungen vor.“

Der Weg aus der Gewalt

Besonders bewegend waren für Birgitta die Interviews mit Frauen und Mädchen, die selbst von Gewalt betroffen waren. Meist hat erst die Beratung und weitere Unterstützung durch APDF und ABN ermöglicht, dass die Frauen sich wehren konnten und für ihre eigenen Rechte oder die Rechte ihrer Töchter eingestanden sind. Zu häufig hatte vorher das Umfeld der Frauen durch Einschüchterung oder um vermeintliche Schande von der Familie abzuhalten, versucht, die Frauen zum Schweigen zu bringen und sie mit den schweren Folgen und Traumata der Gewalt alleingelassen. Manchmal hatten ganze Gemeinschaften, die von der Gewalt wussten, diese zur Privatsache erklärt und sich nicht eingemischt. Bis es irgendwann eskalierte und die Frau so schwerer Gewalt ausgesetzt war, dass diese nicht mehr ignoriert werden konnte. Sensibilisierung und direkte Unterstützung führen Schritt für Schritt zu einem Umdenken. Der Weg mag weit sein, aber er lohnt sich!

Großer Spendenbedarf

Trotz des beeindruckenden, unermüdlichen Engagements von APDF und ABN braucht TDF dringend noch weitere Unterstützung, damit die TDF-Partnerorganisationen ihre unverzichtbare Arbeit fortsetzen und dem großen Bedarf noch besser gerecht werden können – für die Gewaltfreiheit und das Empowerment ansässiger und binnengeflüchteter Frauen und Mädchen in Mali und Burkina Faso! Wir freuen uns über Ihre Spende – jeder Euro macht einen Unterschied!

Stand: 12/2025

Bewegen viel: Menschen in Mali und Burkina Faso

  • Mali, Henna-Tätowierung
  • Burkina Faso, Sensibilisierungs-Workshop
  • Mali, intergenerationelle Debatte
  • Burkina Faso, PDI-Camp
  • Burkina Faso, Theaterstück an einer Schule
  • Mali, PDI-Camp
  • Burkina Faso, PDI-Camp
  • Mali, PDI-Camp
  • Mali, ABN-Team
  • Mali, APDF-Team mit Referatsleiterin IZ Birgitta Hahn
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