Antifeministische Trends im digitalen Raum – eine Gefahr für die Gesellschaft

Tradwives und Stay-at-home Girlfriends - obwohl sich hinter den scheinbar harmlosen Lifestyle-Trends oft frauenfeindliche Ideologien verbergen, werden sie auf den sozialen Medien von einem Millionenpublikum gefeiert. Trotz aller Errungenschaften des Feminismus und den Fortschritten bei der Gleichberechtigung, besteht ein wachsendes Interesse an patriarchalen Geschlechterbildern, die online gezielt propagiert werden und sich im Internet rasend schnell verbreiten. Laut der Leipziger Autoritarismusstudie (2022) hat bereits jeder vierte Mann und jede zehnte Frau in Deutschland ein geschlossen antifeministisches Weltbild. Diese Verbreitung antifeministischer Narrative steht auch im Zusammenhang mit geschlechtsspezifischer Gewalt. Der Anstieg der Zahlen polizeilich registrierter häuslicher Gewalt von fast 20 Prozent (BKA) der letzten fünf Jahre kann in diesen Kontext eingeordnet werden. Dabei handelt es sich nur um polizeilich angezeigte Fälle - das Dunkelfeld ist um ein Vielfaches höher.

Was ist Antifeminismus und warum ist er gefährlich?

Antifeminismus richtet sich gegen die Anliegen der Gleichstellung und verbreitet die Idee, dass Frauen sich ihrer „natürlichen“ Rolle als untergeordnete Partnerin fügen sollen. Diese Erzählung schafft die Grundlage für ein gesellschaftliches Klima, in dem Gewalt gegen Frauen – insbesondere häusliche und sexualisierte Gewalt – normalisiert und hingenommen wird. Feminismus wird in den misogynen Narrativen als Bedrohung dargestellt, die angeblich das Ziel habe, Männer zu unterdrücken. Dabei wird ein Familienmodell idealisiert, das Frauen auf Hausarbeit und Mutterschaft reduziert und gleichzeitig das Machtungleichgewicht zwischen Mann und Frau befördert. Die daraus resultierende (finanzielle) Abhängigkeit kann häusliche Gewaltformen begünstigen[1].

Die digitale Dimension antifeministischer Gewalt

In den sozialen Netzwerken werden antifeministische Narrative subtil vermittelt, wodurch sie auf Jugendliche oder unerfahrene User ansprechend wirken. Plattformen wie 4chan, TikTok oder Instagram werden zu Verbreitungskanälen für antifeministische Ideologien. Diese finden immer breitere Akzeptanz in der Gesellschaft und bieten ideale Anknüpfungspunkte für rechtsextreme Argumente. Mit antifeministischen Inhalten versuchen Rechte gezielt junge Männer zu ködern. Sie instrumentalisieren ihre Frustration in Bezug auf Sexualität, gesellschaftliche Teilhabe oder beruflichen Erfolg. Die Ideologien beschränken sich aber nicht auf den digitalen Raum, sondern haben reale Konsequenzen, wie etwa Hasskriminalität oder extremistische Attentate. Beispielsweise beinhalteten die Manifeste des Halle- und Christchurch-Attentäters antifeministische Elemente (Amadeu Antonio Stiftung)

Von Alpha Male-Albtraum bis Tradwife-Terror - die Trends im Überblick

Tradwives und Stay-at-home Girlfriends/Moms:

Einer der aktuell bekanntesten Trends sind die sogenannten „Tradwives“ und verwandte Konzepte wie Stay-at-home Girlfriends/Moms. Diese Bewegungen propagieren die Rolle der Frau als häusliche Ehefrau und Mutter, die ihrem Mann in einer klar hierarchischen Beziehung untergeordnet ist. Er übernimmt die Rolle des Ernährers. Sätze, die diesem Trend zugeordnet werden können, sind zum Beispiel: „Wahres Glück liegt darin, dem Mann zu dienen“, „Eine gute Ehefrau bleibt zuhause – sie ist sein Frieden und seine Stabilität“ oder „Echte Frauen überlassen den Männern die Führung“.

Das Leben als „Tradwife“ wird oft als harmlose Lifestyle-Entscheidung dargestellt, doch dahinter steht ein politisches Weltbild mit diskriminierenden und rassistischen Elementen. Die Frauen sind fast immer weiß, kommen aus christlich-fundamentalen Kreisen und propagieren ein elitäres Geschlechter- und Familienbild. Sie romantisieren nicht nur Care-Arbeit, sondern fördern Strukturen, in denen Frauen Machtlosigkeit erfahren. Die völlige ökonomische Abhängigkeit vom Mann und das Machtgefälle in der Partnerschaft sind typische Merkmale, die häusliche Gewalt – ob finanziell, emotional oder physisch – begünstigen. Außerdem sorgt die Abhängigkeit vom Mann dafür, dass Frauen eher in ungesunden bis hin zu gewalttätigen Beziehungen bleiben. Sie haben Angst vor den Konsequenzen einer Trennung, die mit Armut und schlimmstenfalls Wohnungslosigkeit einhergehen kann. Verfügen die Frauen über kein eigenes Einkommen, fällt eine Trennung schon deshalb schwer, weil sie sich keine Wohnung leisten oder für ihre Kinder sorgen können. Zusätzlich nutzen Männer ihre Machtposition häufig aus, um Frauen zu isolieren und zu manipulieren[2].

Feminity Revival Movements (#FemininityNotFeminism):

Unter Hashtags wie #FemininityNotFeminism oder #VanillaGirl werden Dating Tipps gegeben, patriarchale Strukturen vermittelt und Frauen ermutigt, weiblichen Stereotypen nachzueifern. Die “passive, sanfte und unschuldige” Frau wird idealisiert, während Männer als aktiv und dominant dargestellt werden. Feministische Forderungen nach Gleichberechtigung lehnen sie ab, emanzipierte Frauen gelten als „unweiblich“. Frauen sollen keine aktive Rolle im öffentlichen oder beruflichen Leben spielen, sondern sich ausschließlich um das Wohl ihrer männlichen Partner kümmern. Dieses Bild von passiver Weiblichkeit kann in realen Beziehungen zu Machtmissbrauch führen, weil die Autonomie der Frau als Bedrohung für das „natürliche“ Geschlechterverhältnis wahrgenommen wird. Besonders gefährlich ist, dass VertreterInnen des Trends oft spirituelle und esoterische Konzepte als Deckmantel nutzen, um misogynes Gedankengut zu verbreiten und untermauern. Dazu gehören zum Beispiel heilende Kräfte, Energien, Frequenzen oder “natürliche” Ordnungen. Ein typischer Satz aus der Feminity Bewegung lautet: „Feminismus hat uns von unserer Essenz getrennt. Wenn Frauen zurück zu ihrer wahren Natur finden, schwingt ihre Frequenz höher und sie ziehen wahre Männer an.“ Die Spiritualität schafft eine emotionale Resonanz, die viele Frauen anspricht und ihnen ein Gefühl von Gemeinschaft gibt[3].

Incel-Bewegung und MGTOW:

Auch Männer werden verstärkt mit antifeministischen Narrativen angesprochen. Sogenannte Männerrechtsbewegungen oder „Manosphere“-Gruppen tragen eine toxische Maskulinität und extreme Feindseligkeit gegenüber Frauen in die (digitale) Welt. Oft werden Frustration und Orientierungslosigkeit instrumentalisiert und dem Feminismus die Schuld darangegeben. Obwohl wir immer noch in einer patriarchalen Gesellschaft leben, nehmen immer mehr junge Männer eine vermeintliche Benachteiligung wahr, oft verstärkt durch Inhalte in den sozialen Medien. Studien zeigen, dass Männer, die antifeministische Inhalte konsumieren, eher zu psychischer, physischer oder sexualisierter Gewalt gegen Frauen neigen.

Die INCEL-Bewegung (Involuntary Celibates) und MGTOW (Men Going Their Own Way) gehören zu den bekanntesten Gruppen der „Manosphere“. Das misogyne Weltbild dieser Gruppen sucht bei Frauen die Ursachen für das erlebte Unglück und die Frustrationen von Männern. Frauen werden zum Beispiel dafür verantwortlich gemacht, dass INCELS nicht den Schönheitsidealen der westlichen Gesellschaft entsprechen, gemobbt werden oder keinen Sex haben. Über Plattformen wie 4chan oder Kohlchan verbreiten sie frauenverachtende Verschwörungserzählungen und Aussagen wie „Frauen haben keinen Platz in der Gesellschaft außerhalb des Hauses“ oder „Die einzige Lösung für das Problem mit Frauen ist, sie wieder unter männliche Kontrolle zu bringen“. Sie verherrlichen (sexualisierte) Gewalt gegen Frauen, insbesondere wenn diese als „emanzipiert“ oder „selbstbewusst“ wahrgenommen werden. Vergewaltigung wird dabei als legitimes Mittel der Rache gesehen. Eine zentrale Rolle spielen Memes: Sie fördern eine Kultur der Misogynie, indem sie stereotype und abwertende Geschlechterrollen verstärken und Frauen entmenschlichen. Diese Darstellung beeinflusst vor allem junge Männer, die Gewalt gegen Frauen als gerechtfertigt ansehen und Frauen zunehmend als „Eigentum“ wahrnehmen – was häusliche und sexualisierte Gewalt normalisieren kann.

Alpha Male und Pick-up Artists:

„Alpha Male“-Kulturen und Pick-up Artists fördern ein hierarchisches Männlichkeitsbild, in dem Männer dominieren und Frauen als manipulierbare Objekte dargestellt werden. Diese Gruppen lehren emotional manipulative Techniken, um Frauen „zu erobern“ und psychisch zu kontrollieren. So werden psychische Gewalt und toxische Geschlechterrollen verharmlost. Frauen gelten als verfügbare Objekte zur Befriedigung männlicher Bedürfnisse und werden in diesen Ideologien bewusst als manipulierbar und kontrollierbar dargestellt. Diese (digitalen) Manipulationstechniken extrem und befördern emotionale Gewalt und Kontrollverhalten in Partnerschaften. Die „Loverboy-Methode“ ist ein Beispiel für die gefährlichen Konsequenzen dieser Ideologien, bei der Frauen gezielt emotional abhängig gemacht und sexuell ausgebeutet werden.

Anti-#MeToo und #MenToo:

Die Anti-#MeToo und #MenToo-Bewegungen stellen sich gegen #MeToo und behaupten, Männer würden systematisch fälschlich beschuldigt und als Täter stigmatisiert. Diese Narrative verharmlosen geschlechtsspezifische Gewalt und untergraben das Bewusstsein für sexualisierte Übergriffe. Betroffene von Gewalt, vor allem Frauen, werden diskreditiert und die Dringlichkeit ihrer Anliegen heruntergespielt. Die Bewegungen unterstellt Frauen, die sich gegen Übergriffe zur Wehr setzen, oft Übertreibung oder sogar Lügel. Sie tragen dazu bei, dass Täter geschützt und Betroffene von sexualisierter Gewalt zum Schweigen gebracht werden. Die Normalisierung solcher Vergewaltigungsmythen erschwert es Frauen, Missbrauch und Vergewaltigung anzuzeigen und ihre Rechte in Anspruch zu nehmen und einzufordern.

Von Antifeminismus zu Rechtsextremismus

Die Leipziger Autoritarismus Studie zeigt, dass Ressentiments und Wut gegen MigrantInnen, JüdInnen, Homosexuelle oder »Schwache« und »Abweichende« in Deutschland zunehmen vor allem auch unter Jüngeren. Die Zahlen der Shell Jugendstudie belegen das. Hatte sich vor fünf Jahren “nur” jeder fünfte männliche Jugendliche als rechts eingeordnet, ist es 2024 bereits jeder vierte (25%). Sie sind auch besonders anfällig dafür, sich zu radikalisieren und positionieren sich häufiger antifeministisch als Frauen. Umgekehrt wird Antifeminismus auch als Einstieg in den Rechtsextremismus instrumentalisiert. Extremisten nutzen dabei aus, dass Antifeminismus als weniger menschenfeindlich wahrgenommen wird als Rassismus und Antisemitismus. Das Internet spielt dabei eine immer wichtigere Rolle und fungiert als Plattform für Verbreitung und Vernetzung. Männer werden online mit frauenfeindlichen Inhalten angesprochen und bestehende Frustration, beispielsweise darüber nicht erfolgreich zu sein oder keine Frau „abzubekommen“, wird instrumentalisiert. Über den Algorithmus werden diese Männer nach und nach zu rechtsextremen Inhalten geleitet. Auch deshalb sind antifeministische Narrative sehr gefährlich.

Antifeministische Narrative erkennen und stoppen

Die antifeministischen Bewegungen normalisieren Hass und Missbrauch. Sie verbreiten misogyne Narrative und führen nicht nur zu einer Rückkehr zu patriarchalen Geschlechterrollen, sondern befördern eine Atmosphere, in der Gewalt gegen Frauen normalisiert wird. Gefährlich daran ist, dass antifeministische Inhalte im Netz oft schwer zu erkennen sind, da sie geschickt in Lifestyle- und Beziehungstipps eingewoben werden. Besonders Kinder und Jugendliche müssen umfassend aufgeklärt werden, um den komplexen Raum, zu dem das Internet geworden ist, navigieren zu können.

Trotz dieser Herausforderungen liegt in der wachsenden Sichtbarkeit antifeministischer Trends auch ein Zeichen für die Wirkkraft und den Erfolg des modernen Feminismus. Emilia Roig beschreibt in ihrem Buch Why We Matter, dass Antifeminismus als Reaktion auf die gesellschaftliche Transformation in Richtung Gleichstellung betrachtet werden kann (Roig, 2021). So zeigt jede Gegenbewegung die Stärke der Bewegung selbst – ein Phänomen, das auch Susanne Kaiser in ihrem Werk Backlash beschreibt. Je mehr Rechte Frauen erlangen, desto lauter wird der Widerstand (Kaiser, 2023). Ähnlich beschreibt es Kate Manne: Frauenhass wächst gerade dann, wenn Frauen mehr am gesellschaftlichen Leben teilhaben (Manne, 2019). Die Widerstände zeigen, dass der Feminismus eine lebendige, wesentliche Kraft unserer Zeit ist.

TERRE DES FEMMES bietet Bildungsangebote zu Themen wie Hate Speech, die Loverboy-Methode und Sexting an, die aufklären und Jugendliche stärken. Antifeministische Inhalte können außerdem über die Plattform antifeminismus-melden.de gemeldet werden.

Quellen

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