Chronologie

Juli 2024        

Am 01. Juli 2024 trat das „Gesetz zum Schutz Minderjähriger bei Auslandsehen“ in Kraft, das das „Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen“ ergänzt.

Ehen, die im Ausland mit mindestens einer Person unter 16 Jahren geschlossen wurden, bleiben generell unwirksam, sofern die Einreise nach Deutschland auch als Minderjährige/r erfolgte.

Nun ist es jedoch möglich, die nichtige Ehe bei Erreichen der Volljährigkeit durch eine erneute, standesamtliche Heirat zu bestätigen und familienrechtliche Ansprüche für den bei Eheschließung minderjährigen Ehegatten abzuleiten.

 Weiterhin ist gesetzlich verankert, dass nach 3 Jahren eine Evaluation des Gesetzes erfolgen soll.

Juni 2024         

Bei einer Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags begrüßte TERRE DES FEMMES ausdrücklich, dass an der generellen Nichtigkeitsregelung festgehalten werde. Denn nur so werde eine einheitliche Rechtslage geschaffen – ohne Wertungsspielräume. Ebenso wurden die im Gesetzentwurf enthaltenen Regelungen um Unterhaltsansprüche des minderjährigen Ehegatten bei unwirksamer Ehe begrüßt.

Dennoch seien weitere flankierende Maßnahmen nötig, um den Minderjährigen- und vor allem Mädchenschutz zu verbessern. Neben der besseren statistischen Erfassung von Frühehen, sollten alle verheirateten Minderjährige zeitnah nach der Einreise über ihre rechtliche Lage und potenzielle Handlungsoptionen informiert werden.

Diese und weitere Forderungen reichte TERRE DES FEMMES abermals in einer schriftlichen Stellungnahme ein. [i]

Mai 2024          

Der Gesetzesentwurf [ii] der Koalitionsfraktionen barg eine wesentliche Änderung im Vergleich zum vorherigen Referentenentwurf. Nun sollte die Fortsetzung der Ehe durch eine erneute, reguläre Eheschließung auf dem Standesamt ermöglicht werden. Der Beginn der Ehe würde jedoch auf das Datum der ersten Eheschließung im Ausland datiert und die Ehegatten vom Erfordernis eines Ehefähigkeitszeugnisses befreit werden.

April 2024        

Nach mehr als einem Jahr seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde der erste Referentenentwurf veröffentlicht. Medienberichten zufolge sah der erste interne Ministeriumsentwurf im Oktober 2023 eine Rückkehr zur Einzelfallprüfung und damit eine Abkehr von der derzeit noch gültigen generellen Nichtigkeitsregelung vor. Es folgten lange und intensive Debatten in der Koalition.[iii]

Im Referentenentwurf eines „Gesetzes zum Schutz Minderjähriger bei Auslandsehen“[iv] blieb es bei der generellen Nichtigkeit für Ehen, bei denen mindestens ein Ehegatte unter 16 Jahre alt war. Auch wurden beide vom Bundesverfassungsgericht geforderten Anpassungen umgesetzt.

TERRE DES FEMMES kritisierte jedoch den im Entwurf formulierten Passus, dass die Fortsetzungserklärung der Ehe nur im Beisein beider Ehegatten bei Erreichen der Volljährigkeit abgegeben werden dürfe – ohne (verpflichtende) vorherige Beratung der Frau. TERRE DES FEMMES reichte eine Stellungnahme[v] beim Justizministerium ein, die u.a. ein verpflichtendes Beratungsgespräch für den ehemals minderjährigen Ehegatten, eine bessere statistische Erfassung von Frühehen in Deutschland und klare Handlungsleitfäden für relevante Behörden in Bund, Land und Kommune zum Umgang mit Frühehen forderte.

Mit dem Referentenentwurf rückten zudem verstärkt die Standesämter ins Zentrum, was die Heilung bzw. Fortsetzung der ehemals nichtigen Frühehe anbelangt.

Februar 2024    

Mit Unterstützung von TERRE DES FEMMES wurde eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung zum Umgang mit dem „Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen“ gestellt.

Die Antworten spiegelten die ungenügende Datenlage nur allzu deutlich wider. Es gab kaum Erkenntnisse über die Anzahl der nichtigen Ehen, der wegen Minderjährigkeit aufgehobenen Ehen oder der „inoffiziellen“, traditionell geschlossenen Frühehen in Deutschland.[vi]

Februar 2023    

Im Februar 2023 entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), dass eine generelle Nichtigkeit von Eheschließungen mit unter 16-Jährigen verfassungskonform ist, sofern das GzBvK in zwei Aspekten nachgebessert wird.[vii]

Die vom BVerfG geforderten Nachbesserungen beziehen sich auf die Folgen einer für unwirksam erklärten Ehe: Zum einen müssen bei der Nichtigkeit einer Ehe die Unterhaltsansprüche für die betroffene(n) Person(en) geregelt werden. Zum anderen soll festgelegt werden, was passiert, wenn die minderjährige Person mit Erreichen der Volljährigkeit an der Ehe festhalten möchte.

Bis Juni 2024 musste die Bundesregierung entsprechend den Forderungen des Bundesverfassungsgerichts handeln, sonst würde die Nichtigkeitsregelung entfallen. TERRE DES FEMMES formulierte Forderungen zur nötigen Gesetzesanpassung[viii] und intensivierte die Lobbyarbeit.

August 2020     

Drei Jahre nach Inkrafttreten des GzBvK wurde die offizielle Evaluierung der Bundesregierung veröffentlicht.[ix] Diese offenbarte, dass bundesweit in nur 11 Fällen eine Ehe aufgrund der Minderjährigkeit eines der Ehepartner zum Zeitpunkt der Eheschließung aufgehoben werden konnte. Grund für diese niedrige Zahl ist unter anderem die sich in der Praxis entwickelte Rechtsprechung, dass Eheschließungen von minderjährigen EU-BürgerInnen mit Verweis auf die Verletzung der EU-Freizügigkeit und Vorliegen einer schweren Härte nicht aufgehoben werden. Von 140 gestellten Anträgen auf Eheaufhebung betrafen viele z.B. Bulgarien, Rumänien und Griechenland.

Zusätzlich wurde in 1092 Fällen von einem Antrag auf Eheaufhebung abgesehen, da der mittlerweile volljährig gewordene Ehegatte die Fortsetzung der Ehe bestätigte. Eheschließungen, bei denen mindestens ein Ehegatte unter 16 Jahre alt war, werden zudem kaum erfasst, da sie als nichtig und somit unwirksam gelten.

September 2019 

TERRE DES FEMMES führte zwei Jahre nach Inkrafttreten eine Umfrage zur Umsetzung des Gesetzes und zum Stand der Eheaufhebungen durch – das Ergebnis war ernüchternd. Von insgesamt 813 gemeldeten Fällen wurden lediglich 97 Verfahren zur Eheaufhebung eingeleitet. Bei den bis dato insgesamt 53 Urteilen wurde die Ehe nur in 10 Fällen tatsächlich aufgehoben.[x]

Zudem ergab die Umfrage, dass die Zuständigkeit der Behörden für den Antrag auf Eheaufhebung in den Bundesländern variiert. In einigen Bundesländern, wie bspw. Baden-Württemberg oder Sachsen, ist zentral nur eine Behörde zuständig. In anderen Bundesländern ist hingegen jeder Landkreis, jede kreisfreie Stadt oder jedes Standesamt verantwortlich.  

 Der Gesetzgeber war in seiner Einschätzung zu den Gesetzesfolgen von etwa 1.200 einzuleitenden Verfahren ausgegangen[xi] – 97 Verfahren im Vergleich zu den erwarteten 1.200 sind eine ernüchternde Bilanz. 

Juli 2017          

Am 22. Juli 2017 verabschiedete der Bundestag das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen, welches den Minderjährigenschutz erheblich verstärken sollte. 

Mit dem Beschluss des neuen Gesetzes wurde u.a. das Mindestheiratsalter in Deutschland auf 18 Jahre ohne Ausnahme festgelegt.

Mai 2016          

Bis zum 02. Mai 2016 unterschrieben 108.811 Personen die von TDF initiierte Petition.

Zu den ErstunterzeichnerInnen gehörten unter anderem der Deutsche Juristinnenbund und Amnesty International. Im Rahmen eines Fachgespräches übergab TDF am 9. Mai 2016 dem Bundesjustizministerium die gesammelten Unterschriften.         

Oktober 2015   

2014 veröffentlichte UNICEF eine Untersuchung[xii], nach deren Schätzung zum damaligen Zeitpunkt 700 Millionen Frauen auf der Welt lebten, die minderjährig verheiratet wurden – 280 Millionen weitere Mädchen waren gefährdet. Die Weltgemeinschaft war zum Handeln aufgerufen.

Am 11. Oktober 2015 nahm TERRE DES FEMMES dies zum Anlass eine Unterschriftenaktion zu starten, mit der sie die Bundesregierung aufforderte, sich für das Ende von Frühehen einzusetzen. Denn auch in Deutschland waren bis dato Eheschließungen mit 16 Jahren mit Zustimmung des Familiengerichts möglich.

Quellen

 

[i] TERRE DES FEMMES: Stellungnahme von TERRE DES FEMMES e. V. zum Entwurf eines Gesetzes zum Schutz Minderjähriger bei Auslandsehen (Drucksache 20/11367), 30.05.2024. Download PDF

[ii] Deutscher Bundestag: Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP. Entwurf eines Gesetzes zum Schutz Minderjähriger bei Auslandsehen, 14.05.2024, Drucksache 20/1137

[iii] Vgl. Garbe, Sophie: „Gesetzesreform. Warum die Ampel über Kinderehen streitet“ vom 14.03.2024, Spiegel Online, https://www.spiegel.de/politik/deutschland/aechtung-von-kinderehen-warum-die-ampel-ueber-die-gesetzes-reform-streitet-a-c4e516eb-1651-471f-a732-ce16fd668319 . Letzter Zugriff am 22.08.2024.

[iv] Bundesministerium der Justiz: Referentenentwurf. Entwurf eines Gesetzes zum Schutz Minderjähriger bei Auslandsehen, 05.04.2024.

[v] TERRE DES FEMMES: Stellungnahme von TERRE DES FEMMES zum „Entwurf eines Gesetzes zum Schutz Minderjähriger bei Auslandsehen“, 19.04.2024. PDF zum Download

[vi] Vgl. Deutscher Bundestag: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU – Drucksache 20/10184 – Geplante Maßnahmen zu Frühehen in Deutschland; BT-Druck 20/10326 vom 14.02.2024.

[vii] Bundesverfassungsgericht: Beschluss des Ersten Senats vom 1. Februar 2023 - 1 BvL 7/18.

[viii] TERRE DES FEMMES: Forderungen von TERRE DES FEMMES hinsichtlich der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Anpassungen am „Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen“.

[ix] Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: Gesamtauswertung zur Evaluierung des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen, 2020.

[x] TERRE DES FEMMES: Umsetzung des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen – Eheaufhebungsverfahren in den einzelnen Bundesländern, 2019. Download PDF

[xi] Deutscher Bundestag: Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD. Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen, 2017Drucksache 18/12086, S. 20.

[xii] UNICEF: Ending child marriage. Progress and prospects, New York 2014.

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