Schwangerschaftsabbrüche – ein weltweilt umkämpftes Thema
Überall auf der Welt setzen sich Frauen für ihre Selbstbestimmungsrechte ein. Mit mehr oder weniger Erfolg. Ein globaler Vergleich.
Inhaltsverzeichnis
1) Globale Liberalisierungstendenzen
2) Europa – grundsätzliche Liberalisierung - mit Ausnahmen
3) (Positive) Beispiele aus Europa
5) Lateinamerika und die Karibik
In Deutschland ist der 24. Juni 2022 ein historischer Tag: § 219 StGB, welcher bisher ein Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche festlegt, wird gestrichen. Nach fast 90 Jahren dürfen Ärztinnen und Ärzte somit wieder über den Schwangerschaftsabbruch informieren. Am gleichen Tag schafft der Oberste Gerichtshof der USA das bisher bundesweit garantierte Recht auf Abtreibung ab. In unmittelbarer Folge wurden bis heute in etwa 60 Prozent der Bundesstaaten Abtreibungen verboten, stehen kurz vor dem Verbot oder sind ernsthaft bedroht. 1 2
Wie die verschiedenen Länder Schwangerschaftsabbrüche regeln, ist ihnen überlassen und fällt dementsprechend divers aus. Eine international geltende Regelung für Schwangerschaftsabbrüche gibt es nicht. Dabei empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihrer Leitlinie zum Schwangerschaftsabbruch 2022 die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Sie empfiehlt außerdem, dass Abbrüche nur von medizinischen Fachkräften durchgeführt werden sollten. Laut WHO sollte es bei einem Abbruch keine festgelegte Wartezeit und auch keine Zustimmung Dritter geben3. Die vorgegebenen Maßnahmen der WHO sollen zu einer Verringerung der aktuell jährlich über 25 Mio. unsicheren Schwangerschaftsabbrüche weltweit beitragen.
In Deutschland ist ein Schwangerschaftsabbruch nach §218 StGB noch immer strafbar. Abbrüche bleiben nur unter Einhaltung bestimmter Bedingungen straffrei. Beispielsweise wenn sie nach der Beratungsregelung in den ersten 12 Schwangerschaftswochen durchgeführt werden und die ungewollt Schwangere sich vorab in einer anerkannten Beratungsstelle einer Pflichtberatung unterzogen hat. Außerdem muss zwischen der Beratung und dem Abbruch eine dreitägige Wartepflicht eingehalten werden. Ein Schwangerschaftsabbruch bleibt in Deutschland außerdem straffrei, wenn ihm medizinische und kriminologische Indikatoren zugrunde liegen. Eine von der Bundesregierung eingesetzte ExpertInnenkommission empfiehlt im April 2024 die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in der Frühphase der Schwangerschaft. Zudem gibt es zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen, welche sich seit Jahren für eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen aussprechen. Einen kleinen Hoffnungsschimmer stellte der fraktionsübergreifende Gesetzesentwurf von SPD, Grüne und Linke im Herbst 2024 dar. Abgeordnete der drei Parteien entwickelten eine Alternative zum bisherigen §218. Der Vorschlag wurde allerdings von CDU, FDP und AfD blockiert und somit nicht in die Praxis umgesetzt.
1) Globale Liberalisierungstendenzen
Es spielt keine Rolle, wo genau man sich auf der Welt befindet: Schwangerschaftsabbrüche stellen überall ein gesellschaftlich stark umkämpftes Thema dar. Dennoch war weltweit in den letzten 50 Jahren ein eindeutiger Trend zu größerer Liberalisierung der bestehenden Abtreibungsgesetze zu erkennen. Nur in vier Länder (USA, Nicaragua, El Salvador und Polen) sind die Abtreibungsgesetze in den letzten Jahren restriktiver geworden4. Ein Gegenbeispiel stellt Kanada dar. Der Oberste Gerichtshof Kanadas entkriminalisierte Abtreibungen schon im Jahr 1988 mit der Begründung: „Eine Frau durch Androhung strafrechtlicher Sanktionen zu zwingen, einen Fötus auszutragen, außer sie erfüllt bestimmte Kriterien“ sei ein „schwerwiegender Eingriff in den Körper der Frau“. Es verletze ihr Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit – also ihre Menschenrechte.5

Wie in Abbildung 1.0. zu sehen ist, unterscheiden sich die Rechte ungewollt schwangerer Frauen drastisch von einem Land zum nächsten. In manchen Ländern, wie auch in den USA, gibt es keine landesweit einheitliche Regelung. Die gesetzlichen Bestimmungen dazu können sich so mitunter innerhalb eines Landes von Bundesstaat zu Bundestaat radikal unterscheiden.
Wichtig zu wissen dabei ist: Je liberaler die gesetzlichen Regelungen, desto sicherer ist ein Schwangerschaftsabbruch. In Ländern mit liberalen Abtreibungsgesetzen gelten 90 Prozent der Abbrüche als sicher. In Ländern, die Schwangerschaftsabbrüche verbieten, liegt der Anteil an sicheren Abbrüchen nur bei 25 Prozent.6 Abtreibungen finden weltweit trotz Restriktionen und Verboten statt, sind dann jedoch wesentlich risikoreicher und enden im schlimmsten Fall tödlich für die ungewollt schwangeren Frauen.
Obwohl eine qualitativ hochwertige Abtreibungsversorgung von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als universelles Recht auf Gesundheit anerkannt ist und weltweit eingefordert wird7, wird dieses Menschenrecht in den jeweiligen nationalen Gesetzgebungen nicht adäquat umgesetzt.
2) Europa – grundsätzliche Liberalisierung - Mit Ausnahmen


Ein legaler Schwangerschaftsabbruch ist im Großteil der Europäischen Union (EU) möglich. In vielen Ländern sind ÄrztInnen nicht verpflichtet eine Begründung für den Schwangerschaftsabbruch zu nennen. Dies bedeutet, dass die Entscheidung über die Fortsetzung oder den Abbruch einer Schwangerschaft bei einer volljährigen schwangeren Person selbst liegt. Dies ist der Fall in Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Portugal, Rumänien, Schweden, der Slowakei, Slowenien, Spanien, der Tschechischen Republik, Ungarn und Zypern. Dennoch ist der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen in diesen Ländern auf unterschiedliche Weise eingeschränkt, wie zum Beispiel durch obligatorische Wartezeiten, Beratungspflichten oder Fristenregelungen. Die in Slowenien gegründete Kampagne „My Voice, My Choice“ bietet einen Ausweg: Durch einen speziellen Finanzierungsmechanismus zwischen den Mitgliedsstaaten soll ein sicherer Schwangerschaftsabbruch europaweit garantiert werden.8 Die EU-BürgerInneninitiative mit dieser Forderung läuft bis April 2025, danach wird sich zeigen, ob und inwiefern die Kampagne umgesetzt wird. Bislang (Stand: Februar 2025) hat die Kampagne schon über eine Million Unterschriften gesammelt.
Hier geht’s zur BürgerInneninitiative von „My Voice, My Choice“ !
3) Beispiele aus Europa
Irland
Irland hatte bis 2018 noch eines der strengsten Abtreibungsgesetze weltweit. Im Jahr 2018 legalisierte das irische Parlament aufgrund eines Referendums Schwangerschaftsabbrüche bis zur zwölften Schwangerschaftswoche und/oder in Fällen, in denen die Gesundheit der Mutter gefährdet ist. Vor dem Referendum stand dem Embryo und späteren Fötus dieselben Rechte wie der schwangeren Frauen zu. Gemäß dieser Gesetzeslage waren Schwangerschaftsabbrüche auch nach Vergewaltigungen, Inzest oder bei einem kranken Fötus strafbar. Die Initiative zur Gesetzesreform und zum folgenden Referendum wurde unter anderem durch den Todesfall einer schwangeren Frau im Jahr 2012 vorangetrieben, der darauf zurückzuführen war, dass der Schwangeren eine Notabtreibung verweigert worden war.9 Trotz der Gesetzesänderungen gibt es weiterhin Herausforderungen bei der Zugänglichkeit von Praxen oder Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen: nur in 11 der 19 Entbindungskliniken in Irland sind Abbrüche möglich.10
San Marino
Im September 2021 hat San Marino mittels eines Referendums das Abtreibungsverbot abgeschafft, welches bis dahin Schwangeren Haft von drei bis sechs Jahren androhte, wenn sie einen Schwangerschaftsabbruch durchführten. Das 150 Jahre alte Gesetz ließ keine Ausnahmen zu, selbst dann nicht, wenn die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung war oder das Leben der Frau gefährdete.11 Nach dieser Liberalisierung des Abtreibungsrechts in San Marino ist nun Malta das einzige Europäische Land, in dem Abtreibungen weiterhin unter allen Umständen verboten sind.12
Frankreich
Im Februar 2024 nimmt der französische Kongress eine Verfassungsform an, in der „die garantierte Freiheit“ der Frau zu einem freiwilligen Schwangerschaftsabbruch bestimmt wird. Weltweit gilt Frankreich als erstes Land, welches dieses Recht in der Verfassung verankert hat.13 Auch zuvor war Frankreich ein Land, in dem sich die reproduktiven Rechte von Frauen in den letzten 50 Jahren erheblich entwickelt haben. Bis zur ersten Legalisierung im Januar 1975 waren Schwangerschaftsabbrüche noch strengstens verboten und wurden strafrechtlich verfolgt. Obwohl das Gesetz aus dem Jahr 1975 für die feministische Bewegung Frankreichs als großer Erfolg galt, blieb es in vielerlei Hinsicht problematisch. Denn die gesetzliche Frist für den Zugang zur Abtreibung, lag nach diesem Gesetz bei 10 Wochen und die betroffene Frau musste „in Not“ sein, um einen Schwangerschaftsabbruch bewilligt zu bekommen. Zusätzlich mussten schwangere Frauen vor dem Schwangerschaftsabbruch zwei ärztliche Konsultationen und eine psychologische Beratung in Anspruch nehmen.
Das Gesetz aus dem Jahr 1975 wurde seitdem schrittweise gelockert und 2024 schließlich aus der Verfassung gestrichen. Seit dem Jahr 2016 dürfen in Frankreich auch Hebammen Schwangerschaftsabbrüche vornehmen und seit 2013 gibt es in Frankreich eine staatliche Kostenübernahme von Schwangerschaftsabbrüchen.14
Spanien
Wie Irland hatte auch Spanien lange den Ruf eines konservativen und katholischen Landes. Daher kam der Beschluss die Abtreibungsgesetze zu lockern im Juni 2022 überraschend.
Der Schwangerschaftsabbruch wurde in Spanien erstmals im Jahr 1985 entkriminalisiert: aber nur für Schwangerschaften die (a) auf Vergewaltigungen zurückzuführen waren, (b) schwere fötale Beeinträchtigungen aufwiesen, oder (c) ernsthafte Gefahren für das Leben oder die Gesundheit der Schwangeren darstellten. In anderen Worten: das spanische Gesetz von 1985 ähnelt dem aktuellen Gesetz in Deutschland.
Im Gegensatz zu Deutschland, hat sich das spanische Gesetz jedoch seit 1985 deutlich liberalisiert. Im Jahr 2010 unternahm die spanische Regierung den ersten historischen Schritt um den Schwangerschaftsabbruch ohne medizinische Begründung innerhalb von 14 Wochen der Schwangerschaft zu legalisieren.15 Im Mai 2022 verabschiedete die linke Regierungskoalition von Ministerpräsident Pedro Sanchez die jüngste Gesetzesreform, welche den Schwangerschaftsabbruch zu einem öffentlichen (und kostenlosen) Gesundheitsrecht macht und den Eingriff auch Minderjährigen ab 16 Jahren ohne elterliche Zustimmung erlaubt.16 17 Darüber hinaus wurde die obligatorische Bedenkzeit von drei Tagen vor einem Schwangerschaftsabbruch abgeschafft.18
Rückschritte in Polen
Während viele europäische Länder Abtreibungen schrittweise erleichtern, hat Polen seine restriktive Gesetzgebung sogar verschärft. 19
Seit Januar 2021 sind Abbrüche dort nun beinahe komplett verboten. Ausnahmen zum Abtreibungsverbot gibt es offiziell nur, wenn das Leben der Mutter in Gefahr, oder die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung ist.20 In der Praxis ist es aber selbst für diejenigen, die unter diesen spezifischen Bedingungen Anspruch auf einen Schwangerschaftsabbruch hätten, fast unmöglich, einen solchen zu erhalten. Bereits mehreren Frauen hat dieses Gesetz ihr Leben gekostet. Jedes Jahr reisen nun Tausende Polinnen ins europäische Ausland, um einen Schwangerschaftsabbruch in Anspruch nehmen zu können.21 Insbesondere Schwangere, die sich in einer schwierigen sozioökonomischen Situation befinden sind dabei auf die Hilfe zivilgesellschaftlicher Organisationen angewiesen, die jedoch oft nur über begrenzte Mittel verfügen.
4) Nordamerika
Die Unterschiede in Nordamerika könnten größer nicht sein. Während der Schwangerschaftsabbruch in Kanada vollständig entkriminalisiert ist, wählen die USA 2024 wieder einen Präsidenten, der knapp zwei Monate nach seiner Wiederwahl Dekrete erlässt, welche den Zugang zu Abtreibungen weiter erschweren.22
Seit 1988 sind Schwangerschaftsabbrüche in Kanada legal. Heute sind sie eine Gesundheitsleistung, deren Ausgestaltung zwar regional unterschiedlich ist, dennoch überall gleichermaßen als medizinisch notwendig anerkannt wird. Angesichts des niederschwelligen Zugangs zu Schwangerschaftsabbrüchen, werden in Kanada 86.8 Prozent vor der 12. Schwangerschaftswoche vorgenommen.23 Dieses Beispiel zeigt, dass Gesetze und Strafrechtsparagraphen zur Regelung des Schwangerschaftsabbruches überflüssig und sogar schädlich sind. Kanada ist das Land mit der geringsten Müttersterblichkeit und der niedrigsten Anzahl an Komplikationen beim induzierten Schwangerschaftsabbruch weltweit.24
In den USA sind Schwangerschaftsabbrüche in 14 Bundesstaaten gänzlich verboten. Darüber hinaus haben Georgia, South Carolina und Florida Schwangerschaftsabbrüche nach der sechsten Woche verboten. In anderen Bundesstaaten ist die Zukunft des Abtreibungsrechts unsicher. Mit dem Amtsantritt Donald Trumps 2025 verschlechtert sich die Versorgungslage ungewollt schwangerer Frauen in den USA drastisch. Er führt u.a. die sogenannte „Gobal Gag Rule“ wieder ein, welche festlegt, dass Organisationen im Ausland keine finanzielle Unterstützung von den USA bekommen, wenn zu ihren Dienstleistungen dir Durchführung von Schwangerschaftsabbrüche oder die Aufklärung darüber angeboten werden.25
5. Lateinamerika und die Karibik
Der Trend in ganz Lateinamerika geht in Richtung einer Lockerung der Abtreibungsbeschränkungen. Ähnlich wie in Spanien und den USA gehören auch in Lateinamerika die römisch-katholische Kirche, evangelikale christliche Konfessionen und konservative PolitikerInnen zu den stärksten Gegnern der Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen.26 Obwohl die Mehrheit der in Lateinamerika lebenden Frauen aufgrund von restriktiven Gesetzen nur illegale Abtreibungen vornehmen lassen können, wurden immerhin die gesetzlichen Einschränkungen in den letzten 15 Jahren in einigen Ländern gelockert oder sogar ganz aufgehoben.27
Auch in Südamerika gibt es gegensätzliche Trends. Der argentinische Kongress stimmte 2020 für eine Legalisierung von Abtreibungen in den ersten 14 Schwangerschaftswochen. Allerdings wird von verschiedenen Behörden berichtet, dass durch den Mangel an Informationen über das Gesetz oder dem übermäßigen Gebrauch der „Gewissensklausel“, die es medizinischem Personal erlaubt, Abtreibungen zu verweigern, noch immer Hindernisse geschaffen werden.28 Auch Kolumbien legalisierte im Februar 2022 Schwangerschaftsabbrüche bis zur 24. Schwangerschaftswoche.
Seither verfügt Kolumbien über das fortschrittlichste Abtreibungsrecht in Lateinamerika und der Karibik.29 Diese Entwicklung wurde über die letzten Jahre von der Urbanisierung, einem höheren allgemeinem Bildungsniveau, dem Einfluss der linken Regierung und dem abnehmenden Einfluss der Kirche gefördert.
Trotz Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in Kolumbien, Mexiko und Argentinien verweigern sich andere lateinamerikanische Länder dem Trend zu folgen. In El Salvador, Honduras und Nicaragua bleiben Schwangerschaftsabbrüche sogar in Fällen von Vergewaltigung oder Inzest verboten.30 In El Salvador ist ein Schwangerschaftsabbruch vollständig kriminalisiert und kann bis 8 Jahren Gefängnis bestraft werden. Bei einer Fehl- oder Totgeburt droht Frauen wegen „Mordes“ eine Gefängnisstrafe von 30 bis 50 Jahren.31
In Brasilien sind Schwangerschaftsabbrüche nur dann legal, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist, der Fötus eine schwere Fehlbildung hat oder die Schwangerschaft durch eine Vergewaltigung entstanden ist. Ein neuer Gesetzesentwurf löste im Juni 2024 viele Demonstrationen aus. Der Entwurf sieht vor, dass Schwangerschaftsabbrüche nach der 22. Schwangerschaftswoche als Mord eingestuft werden. Dies würde mit sechs bis 20 Jahre Gefängnis bestraft werden – auch im Fall einer Vergewaltigung.32
In Belize, Bolivien, Chile, Costa Rica, Ecuador, Guatemala, Panama, Paraguay, Peru und Venezuela ist ein Schwangerschaftsabbruch nur unter bestimmten Umständen erlaubt - in der Regel nur dann, wenn die Gesundheit oder das Leben der Frau gefährdet ist.
6) Asien
In weiten Teils Asiens drehen sich die Argumente interessanterweise nur selten um die „pro Choice v. pro Life“ Debatte, die den westlichen Diskurs bei diesem Thema beherrscht. Im Gegensatz dazu beeinflusst dort der demografische Druck wesentlich den Grad der Einschränkung von Schwangerschaftsabbrüchen.
China
Besonders in China ist der Zugang zum Schwangerschaftsabbruch durch die demografische Entwicklung geprägt. Im Rahmen der im Jahr 1980 eingeführten Ein-Kind-Politik waren Schwangerschaftsabbrüche eine legale und weitverbreitete Maßnahme zur Eindämmung des Bevölkerungswachstums. Eltern mit nicht genehmigten Schwangerschaften drohten Zwangsabtreibungen.33 Da Frauen in der Vergangenheit in hohem Maße zu Abtreibungen ermutigt wurden, werden diese in der Gesellschaft größtenteils als selbstverständlich akzeptiert. Infolgedessen ist die Abtreibungsrate in China, d.h. die Zahl der Abtreibungen pro 100 Schwangerschaften, im internationalen Vergleich nach wie vor relativ hoch. 34
Aufgrund des sinkenden Bevölkerungswachstums steht China allerdings vor einer demografischen Krise, was zu einer Verschärfung der Abtreibungsgesetze führen könnte.35 Derzeit sind Schwangerschaftsabbrüche noch legal, aber eine Einschränkung der „nicht medizinisch notwendigen Abtreibungen“ wurde im Jahr 2021 in den Leitlinien des Staatsrats bereits festgelegt.36 2022 und 2023 kritisierte die chinesische Regierung die Haltung der USA zu Schwangerschaftsabbrüchen.37
Japan
Japan legalisierte Schwangerschaftsabbrüche im Jahr 1948 als Teil des Eugenic Protection Act (inzwischen Maternal Health Act umbenannt). Dies erfolgte mit dem Ziel das Bevölkerungswachstum einzudämmen. Auch heute noch können Schwangerschaftsabbrüche bis zur 22. Woche nach wie vor legal vorgenommen werden. Doch die steigenden Preise für Abtreibungen (die nicht von der Krankenkasse übernommen werden), eine größere Stigmatisierung und die strengere Umsetzung einer Strafe für illegale Abtreibungen, erschweren vielen Frauen den Zugang. ÄrztInnen, die ein Kind ohne die schriftliche Zustimmung der Schwangeren und ihres Ehepartners abtreiben, können mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden.38 Neben dem operativen Eingriff ist seit Ende 2021 die Einnahme der Medikamente Mifepristone und Misoprostol erlaubt, die einen medikamentösen Abbruch bis zur neunten Woche ermöglichen. Die Kosten der Tabletten und einer medizinischen Beratung liegen bei ungefähr 100.000 Yen (ca. 590€). Chirurgische Schwangerschaftsabbrüche kosten zwischen 100.000 Yen und 200.000 Yen.39 Das sind 600 - 1200 Euro.
Indien
Im März 2021 wurde in Indien der Medical Termination of Pregnancy Act (MTP) von 1971 aktualisiert, um so den Zugang zu sicheren und legalen Abtreibungsdiensten zu garantieren. Laut dessen können Schwangerschaftsabbrüche weiterhin nur in Fällen von Vergewaltigung, Inzest oder bei vulnerablen Frauen (u.a. minderjährigen und Frauen mit Behinderungen) straffrei vorgenommen werden. Der Zeitraum in dem dies möglich ist, wurde mit dem MTP Act bis zur 24. Schwangerschaftswoche – statt der 20. Woche – erweitert. 40
7)Afrika

Die jüngsten Entwicklungen in der Gesetzgebung von Schwangerschaftsabbrüchen in afrikanischen Ländern deuten auf eine Liberalisierungstendenz hin. Dennoch gibt es in vielen Regionen nach wie vor erhebliche Einschränkungen, und der Schwangerschaftsabbruch wird trotz fortschrittlicherer Gesetzgebung in einigen Gesellschaften noch immer tabuisiert.
Es gibt erhebliche Unterschiede in der Art und Weise, wie die verschiedenen Länder Bestimmungen zu Schwangerschaftsabbrüchen handhaben. Das rechtliche Profil der afrikanischen Länder lässt sich in fünf große Kategorien einteilen: 41 42
- Verbot ohne gesetzliche Ausnahmen: Ägypten, Kongo Brazzaville, Kongo Kinshasa, Gabun, Gambia, Madagaskar, Mauretanien und Senegal.
- Schwangerschaftsabbrüche sind gesetzlich erlaubt, um das Leben einer Frau zu retten: Elfenbeinküste, Libyen, Malawi, Mali, Nigeria, Somalia, Südsudan, Sudan, Tansania und Uganda.
- Schwangerschaftsabbrüche sind erlaubt bei prekären sozio-ökonomischen Bedingungen: Äthiopien, Sambia und Ruanda.
- Schwangerschaftsabbrüche sind zur Erhaltung der körperlichen und geistigen Gesundheit erlaubt: Algerien, Angola, Botswana, Burundi, Burkina, demokratische Republik Kongo, Faso, Guinea, Kamerun, Kenia, Togo, Tschad, Niger, Eritrea, Ghana, Liberia, Mauritius, Namibia, die Seychellen, und Swasiland.
- Schwangerschaftsabbrüche sind abgesehen von den unterschiedlichen Fristenregelungen ohne weitere Einschränkungen erlaubt: Mosambik, Guinea-Bissau, Südafrika, Tunesien und seit neusten auch Benin.
Fazit
Dass das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch ein Menschenrecht ist, wird durch die General Comments des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen zugestandene Recht auf Leben bekräftigt. Demnach sind alle Vertragsstaaten verpflichtet, „legale und effektive Zugänge zu einer Abtreibung“ wenigstens in bestimmten Fällen zu gewähren. Die Unterstützung durch medizinische Dienstleister sollte zudem, nicht kriminalisiert werden, um gefährliche Schwangerschaftsabbrüche zu vermeiden.43
Aktuell gibt es weltweit viel Bewegung bezogen auf die Thematiken Schwangerschaftsabbruch und körperliche Selbstbestimmung von Frauen. Obwohl in einer Handvoll Ländern noch ein vollständiges Verbot besteht, zeigen die aktuellen Trends – mit Ausnahme der USA und Polen – eine Tendenz in Richtung Liberalisierung. In den meisten Ländern der Welt ist ein Schwangerschaftsabbruch inzwischen zumindest in bestimmten Fällen möglich. Um sichere Schwangerschaftsabbrüche für Frauen in verschiedensten Lebenssituationen weltweit jedoch niedrigschwelliger zugänglich zu machen, muss noch viel getan werden. Entwicklungen wie in den USA und Polen zeigen auch: Einmal erkämpfte Rechte sind nicht sicher, sondern müssen immer wieder verteidigt werden. Forderungen von UN, Europäischer Union und WHO nach einem sicheren und legalen Schwangerschaftsabbruch sollten ernst genommen und umgesetzt werden.
1) Vgl. Witherspoon, Andrew/Alvin Chang: Tracking where abortion laws stand in every state, in: the Guardian, 01.05.2024, www.theguardian.com/us-news/ng-interactive/2022/jun/28/tracking-where-abortion-laws-stand-in-every-state (abgerufen am 06.06.2024).
2) Vgl. Center for Reproductive Rights: What If Roe Fell?, in: Center for Reproductive Rights, 30.06.2022, reproductiverights.org/maps/what-if-roe-fell/ (abgerufen am 06.06.2024).
3) https://dev-cms.who.int/europe/de/news/item/09-03-2022-who-releases-new-guidelines-on-safe-abortion (abgerufen am 18.02.25)
4) Vgl. Center for Reproductive Rights: The World’s Abortion Laws, in: Center for Reproductive Rights, 19.05.2022, reproductiverights.org/maps/worlds-abortion-laws/ (abgerufen am 06.06.2024).
5) https://taz.de/Gesetze-zum-Schwangerschaftsabbruch/!5889148/ (abgerufen: 17.02.2025)
6) Vgl. Women and Foreign Policy Program: Abortion Law: Global Comparisons, in: Council on Foreign Relations, zuletzt aktualisiert am 07.03.2024, www.cfr.org/article/abortion-law-global-comparisons (abgerufen am 06.06.2024).
7) Vgl. World Health Organization: Reproductive health, in: Reproductive Health, 18.07.2019, www.who.int/southeastasia/health-topics/reproductive-health (abgerufen am 06.06.2024).
8) Vgl. MY VOICE, MY CHOICE: https://www.myvoice-mychoice.org/our-demands (zuletzt aufgerufen am 07.06.2024).
9) Vgl. Women and Foreign Policy Program, 2022.
10) Vgl. Amnesty International: Ireland: Serious flaws identified in abortion law review report require urgent Government action, in: Amnesty International, 26.04.2023, https://www.amnesty.ie/ireland-abortion-law-review/ (abgerufen am 07.06.2024).
11) Vgl. Der Spiegel: San Marino stimmt für Lockerung des Abtreibungsverbots, in: SPIEGEL Ausland, 27.09.2021, www.spiegel.de/ausland/referendum-san-marino-stimmt-fuer-lockerung-des-abtreibungsverbots-a-c1696485-3a28-481c-bae9-bc25d6ad88e6 (abgerufen am 06.06.2024).
12) Vgl. Meiler, Oliver: San Marino stimmt für ein Ende des Abtreibungsverbots, in: Süddeutsche.de, 28.09.2021, www.sueddeutsche.de/politik/san-marino-abtreibung-1.5423268 (abgerufen am 06.06.2024).
13) Vgl. Amnesty International: Frankreich verankert "Freiheit zur Abtreibung" in der Verfassung, in: Amnesty International, 28.02.2024, https://www.amnesty.de/frankreich-abtreibung-schwangerschaftsabbruch-verfassung (zuletzt aufgerufen am 07.06.2024).
14) Vgl. Diehl, Marie: Abortion in France, in: Global History Dialogues, 03.10.2020, globalhistorydialogues.org/projects/abortion-in-france/ (abgerufen am 06.06.2024).
15) Vgl. Goldberg, Justin: Spain Halts Extreme Abortion Law, in: Center for Reproductive Rights, 26.01.2021, reproductiverights.org/spain-halts-extreme-abortion-law/ (abgerufen am 06.06.2024).
16) Vgl. Feministisches Frauen Gesundheits Zentrum e.V.: Schwangerschaftsabbruch international, in: FFGZ, 11.07.2022, www.ffgz.de/index.php (abgerufen am 06.06.2024).
17) Vgl. Meyer, Manuel: Spanische Regierung lockert Abtreibungsgesetze, in: domradio, 18.05.2022, www.domradio.de/artikel/spanische-regierung-lockert-abtreibungsgesetze (abgerufen am 06.06.2024).
18) Vgl. La Moncloa: The Government of Spain reforms the law on sexual and reproductive health and the voluntary interruption of pregnancy, in: La Moncloa, 17.05.2022, https://www.lamoncloa.gob.es/lang/en/gobierno/councilministers/Paginas/2022/20220517_council.aspx (abgerufen am 14.07.2024)
19) Vgl. Center for Reproductive Rights, 2022a.
20) Vgl. Diehn, 2022.
21) Vgl. Poland: Regression on abortion access harms women: in: Amnesty International, 26.01.2022, www.amnesty.org/en/latest/news/2022/01/poland-regression-on-abortion-access-harms-women/ (abgerufen am 06.06.2024).
22) https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/trump-dekret-schwangerschaftsabbruch-100.html (abgerufen: 17.02.2025)
23) Vgl. ARCC: Abortion Rights Coalition of Canada - Statistics - Abortion in Canada
Updated April 18, 2024, https://www.arcc-cdac.ca/wp-content/uploads/2020/07/statistics-abortion-in-canada.pdf (abgerufen am 06.06.2024).
24) Vgl. MUVS: Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbrüche - Kanada zeigt es vor: Weniger Abbrüche, geringere Müttersterblichkeit, in: Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch, 2020, muvs.org/de/themen/abbruch/kanada-zeigt-es-vor-weniger-abbrueche-geringere-muettersterblichkeit/ (abgerufen am 06.06.2024).
25) www.spiegel.de/ausland/abtreibung-nach-der-wahl-von-donald-trump-frauenrechte-auch-in-afrika-in-gefahr-a-195e91eb-7da1-4eb4-9ae9-0b39478fac15 (abgerufen: 17.02.2025)
26) Vgl. McDonnell, Patrick/Kate Linthicum: Across Latin America, abortion restrictions are being loosened, in: Los Angeles Times, 16.09.2021, www.latimes.com/world-nation/story/2021-09-12/across-latin-america-abortion-restrictions-are-being-loosened (abgerufen am 06.06.2024).
27) Vgl. McDonnell/Linthicum, 2021
28) Vgl. Human rights watch: Argentinia, Events of 2023, in: hrw, https://www.hrw.org/world-report/2024/country-chapters/argentina (aufgerufen am 14.06.2024).
29) Vgl. Otis, John: Colombia legalized abortions for the first 24 weeks of pregnancy. A backlash ensued, in: NPR, 10.05.2022, choice.npr.org/index.html=https://www.npr.org/sections/goatsandsoda/2022/05/10/1097570784/colombia-legalized-abortions-for-the-first-24-weeks-of-pregnancy-a-backlash-ensu?t=1657029503831 (abgerufen am 05.07.2022).
30) Vgl. Otis, 2022.
31) Vgl. Zulver, Julia: ‘Historic moment’ as El Salvador abortion case fuels hopes for expanded access across Latin America, 24.03.2024, in: the guardian, https://www.theguardian.com/global-development/2023/mar/24/historic-moment-as-el-salvador-abortion-case-fuels-hopes-for-expanded-access-across-latin-america (abgerufen am 14.06.2024
32) Vgl. Tagesschau, Demonstrationen gegen schärfere Abtreibungsgesetze, in: Tagesschau, 14.06.2024, https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/brasilien-proteste-abtreibung-100.html (aufgerufen am 14.06.2024).
33) Vgl. Damayanti, Ismi/Kiran Scharma/Arisa Kamei: Abortion in Asia: The limits of choice, in: Nikkei Asia, 14.06.2022, asia.nikkei.com/Spotlight/The-Big-Story/Abortion-in-Asia-The-limits-of-choice (abgerufen am 06.07.2022).
34) Vgl. Fuxian, Yi: China’s Abortion Problem Can’t Be Regulated Away, in: Project Syndicate, 15.04.2022, www.project-syndicate.org/commentary/china-abortion-restrictions-demographic-crisis-by-yi-fuxian-2022-04 (abgerufen am 06.06.2024).
35) Vgl. Fuxian, 2022.
36) Vgl. Damayanti/ Scharma/ Kamei, 2022.
37) Vgl. Zhang, Irene: In China, a Fight for Reproductive Rights, in: ASIA PACIFIC FOUNDATION OF CANADA, 21.04.2023, https://www.asiapacific.ca/publication/china-fight-reproductive-rights (abgerufen am 17.06.2024).
38) Vgl. Damayanti/ Scharma/ Kamei, 2022.
39) Vgl. Agence France-Presse: Japan approves abortion pill for the first time, in: The Guardian, 29.04.2023, https://www.theguardian.com/world/2023/apr/29/japan-approves-abortion-pill-for-the-first-time (abgerufen am 17.06.2024).
40) Vgl. World Health Organization: India’s amended law makes abortion safer and more accessible, in: World Health Organization, 13.04.2021, www.who.int/india/news/detail/13-04-2021-india-s-amended-law-makes-abortion-safer-and-more-accessible (abgerufen am 06.06.2024).
41) Vgl. Matsilele, Amukelani: Africa: Roe v Wade - Why Africans Should CARE, in: allAfrica.com, 27.05.2022, allafrica.com/stories/202205270042.html (abgerufen am 06.06.07.2024)
42) Vlg. Center for Reproductive Rights.
43) Vgl. OHCHR: General comment No. 36 (2018) on article 6 of the
International Covenant on Civil and Political Rights, on the
right to life, 2018, www.ohchr.org/sites/default/files/Documents/HRBodies/CCPR/CCPR_C_GC_36.pdf