Verbändebrief Gesetzentwurf Schwangerschaftsabbruch

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Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz, sehr geehrte Bundesministerinnen und Bundesminister, sehr geehrte Bundestagsabgeordnete der demokratischen Parteien,

Wir, die unterzeichnenden Verbände, legen Ihnen den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs vor, der Schwangere, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, durch verbesserte Beratung und medizinische Versorgung unterstützt und schützt. Aktuelle Forschung zu den Erfahrungen ungewollt Schwangerer in Deutschland zeigt: Der Schwangerschaftsabbruch wird stigmatisiert und die Versorgungslage ist vielerorts unzureichend. Jedoch wären mehr Gynäkolog*innen bereit Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen, wenn sich die Rahmenbedingungen verbessern würden.

Eine Gesetzesreform muss erfolgen – das macht der Bericht der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin deutlich. Der vorliegende Gesetzentwurf zeigt, dass und wie der Schwangerschaftsabbruch in Deutschland endlich im Einklang mit dem Grundgesetz, den Menschenrechten der Betroffenen und der internationalen Gesundheitsevidenz geregelt werden kann.

Der Gesetzentwurf wurde federführend von den in der Kommission mitwirkenden Juristinnen Prof. Dr. Liane Wörner, Prof. Dr. Maria Wersig und Prof. Dr. Friederike Wapler im Auftrag einer Gruppe von 23 der zu diesem Thema maßgeblichen Verbände und in Zusammenarbeit mit diesen erstellt. Die vorgeschlagenen Regelungen basieren auf den Empfehlungen  der Kommission, internationaler Menschenrechtsmechanismen und internationaler Gesundheitsleitlinien und berücksichtigen die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung.

Eigenverantwortliche Entscheidung der Schwangeren und Abbau von Zugangsbarrieren

Der Gesetzentwurf rückt die eigenverantwortliche Entscheidung der Schwangeren in den Mittelpunkt. Die Beendigung einer Schwangerschaft auf ihr Verlangen wird bis zum Ende der 22. Woche der Schwangerschaft rechtmäßig gestellt. Die vorgeschlagenen Regelungen verankern das Recht Schwangerer, Beratungsangebote und medizinische Leistungen ohne Zwang in Anspruch zu nehmen. Bislang bestehende Zugangsbarrieren zum sicheren Schwangerschaftsabbruch in Form von Beratungspflicht, Wartefrist und fehlender Kostenübernahme entfallen. Rechtsansprüche Schwangerer auf Beratung und Versorgung und der Sicherstellungsauftrag der Länder diesbezüglich sind im Schwangerschaftskonfliktgesetz verankert, wie auch ihr Anspruch auf Sprachmittlung bei der Beratung und die Verpflichtung von Ärzt*innen und Fachkräften in der medizinischen und geburtshilflichen Versorgung, Schwangere auf professionelle Beratungsangebote hinzuweisen. Zum Schutz Schwangerer werden im Strafrecht neben der Nötigung zum Schwangerschaftsabbruch der Schwangerschaftsabbruch gegen oder ohne ihren Willen und die Nötigung zum Unterlassen eines Schwangerschaftsabbruchs neu geregelt. Die vorgeschlagenen Regelungen modernisieren die Gesundheitsversorgung in Deutschland, indem die Beendigung einer Schwangerschaft als medizinischer Eingriff anerkannt wird. Sie stellen Rechtssicherheit für medizinische Fachkräfte und Berater*innen her, die an der Versorgungsleistung beteiligt sind, und schaRen die Voraussetzungen dafür, dass Schwangere in Zukunft flächendeckend und barrierefrei Zugang zu qualifizierter Beratung und medizinischer Versorgung erhalten.

Schutz reproduktiver Rechte vor Angriffen

Die weit überwiegende Mehrheit der Menschen in Deutschland befürwortet die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. Radikal rechte Kräfte nutzen sexuelle und reproduktive Rechte als Hebel, um gesellschaftliche Freiheit und die Rechte von Frauen und marginalisierten Gruppen einzuschränken. In Ländern wie Polen und den USA haben radikal rechte Bewegungen den Zugang zum Schwangerschaftsabbruch massiv beschränkt. Auch in Deutschland werden sexuelle und reproduktive Rechte in Frage gestellt und angegriRen. Die Entkriminalisierung der Beendigung von Schwangerschaften in einem rechtmäßigen Verfahren schützt die individuelle Freiheit und die Demokratie vor autoritären Angriffen.

Die breite gesellschaftliche Unterstützung und die wissenschaftliche Evidenz zur Problemlage lassen keinen Zweifel: Es ist höchste Zeit, sich von der strafrechtlichen Regelung des Schwangerschaftsabbruchs aus dem Kaiserreich zu verabschieden und ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das Gesundheit, Freiheit, Menschenrechten und Demokratie Rechnung trägt.

Wir fordern Sie auf, den Schwangerschaftsabbruch noch in dieser Legislaturperiode neu zu regeln. Unsere Verbände und Organisationen sehen den Gesetzentwurf als Impuls für Ihre Arbeit. Wir sichern Ihnen unsere Unterstützung dabei zu.

pro familia Bundesverband
Monika Börding, Bundesvorsitzende und
Stephanie Schlitt, stellvertretende

Vorsitzende Deutscher Juristinnenbund e.V. (djb)
Ursula Matthiessen-Kreuder, Präsidentin

Deutscher Frauenrat
Dr. Beate von Miquel, Vorsitzende

Doctors for Choice Germany
Dr. Alicia Baier, Vorstand

medica mondiale e.V.
Dr. Monika Hauser, Vorständin

Zentralrat der Konfessionsfreien
Philipp Möller, Vorsitzender

Evangelische Konferenz für Familien- und
Lebensberatung e.V. Fachverband für
Psychologische Beratung und Supervision
(EKFuL) Rainer Bugdahn, Vorstandsvorsitzender

Amnesty International
Dr. Julia Duchrow, Generalsekretärin
Amnesty International Deutschland

DaMigra Dachverband der
Migrantinnenorganisationen
Dr. Delal Atmaca, Geschäftsführerin

TERRE DES FEMMES
Menschenrechte für die Frau e.V.
Gesa Birkmann, Abteilungsleiterin Themen
und Projekte

UN Women Deutschland e.V.
Elke Ferner, Vorsitzende

ver.di
Silke Zimmer, Mitglied des Bundesvorstands

Nationales Netzwerk Frauen und Gesundheit
Dr. Ute Sonntag, Koordinatorin

Giordano Bruno Stiftung

Dr. Michael Schmidt-Salomon, Vorsitzender

AWO Bundesverband e.V.
Kathrin Sonnenholzner, Vorsitzende des
Präsidiums

Pro Choice Deutschland e.V.
Christiane von Rauch, Vorstandsvorsitzende

Menschenrechte für die Frau e.V.
TERRE DES FEMMES

Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin,
Psychotherapie und Gesellschaft e.V.
Silke Koppermann, zweite Vorsitzende

Institut für Weltanschauungsrecht
Dr. Jessica Hamed, Co-Direktorin

Women on Web International
Venny Ala-Siurua, Executive Director

Evangelische Frauen in Deutschland e.V.
Angelika Weigt-Blätgen, Vorsitzende

Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung
(BfsS), Dr. Ines P. Scheibe, Koordinierungskreis

Centre for Feminist Foreign Policy
Kristina Lunz, CEO

Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
– Landesverband Berlin
Martina Regulin, Vorsitzende

Medical Students for Choice e.V.

Familienzentrum Berlin e.V. – BALANCE
Elisabeth Schmidt, Geschäftsführung

Sozialdienst muslimischer Frauen
Ayten Kılıçarslan, Geschäftsführende Bundesvorsitzende

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