• 05.05.2025

Die systematische Unterdrückung der Frauen in Afghanistan – Ein Überblick

Alltag von Frauen in Afghanistan unter den Taliban: Systematische Unterdrückung und Gewalt

Seit der erneuten Machtübernahme der Taliban 2021 hat sich die Lage für Frauen in Afghanistan drastisch verschlechtert. Der Länderreport des BAMF (09/2024) dokumentiert eine systematische Entrechtung durch das Taliban-Regime: Frauen haben kaum Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung oder rechtlichem Schutz und sind massiver Gewalt ausgesetzt. Hinzu kommt ein vollständiger sozialer Ausschluss durch die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, strenge Kleidervorschriften und Arbeitsverbote. In allen Lebensbereichen werden die Menschenrechte von Frauen in Afghanistan missachtet.

Verdrängung aus der Öffentlichkeit: Zum Schweigen gebracht

Seit 2021 erließ die Taliban-Regierung fortlaufend Verbote und Vorschriften, die Frauen in ihren grundlegendsten Rechten wie dem Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung einschränken. Den traurigen Höhepunkt bildete das am 31. Juli 2024 verabschiedete sogenannte „Tugendgesetz“. Das „Tugendgesetz“ verpflichtet Frauen zu vollständiger Verschleierung des gesamten Körpers und Gesichts in der Öffentlichkeit, verbietet lautes Sprechen, Singen sowie den Kontakt zu nicht-verwandten Männern und nicht-muslimischen Personen. Damit werden Frauen faktisch zum Schweigen gebracht und aus dem öffentlichen Leben verbannt.

Eingeschränkte Bewegungsfreiheit

Frauen dürfen seit April 2022 das Haus nur mit einem sogenannten mahram (männlicher Verwandter) und verschleiert verlassen und nur in mahram-Begleitung fliegen. Wenn möglich sollen Frauen jedoch – wie durch die Taliban im Mai 2022 verordnet – das Haus gar nicht mehr verlassen. Das Nutzen öffentlicher Verkehrsmittel ist zudem mit hohen organisatorischen Hürden verbunden. Verschärft wird dies durch drohende strafrechtliche Konsequenzen für Fahrer öffentlicher Verkehrsmittel: Ihnen verbietet das Tugendgesetz, Frauen zu transportieren, die ohne mahram-Begleitung reisen oder den Kleidervorschriften nicht folgen. Zudem werden an Frauen keine Führerscheine mehr ausgestellt.

Gefährdete Gesundheitsversorgung

Frauen müssen selbst für medizinische Notfälle von einem mahram begleitet werden. Dies stellt die Frauen vor organisatorische und finanzielle Hürden, da dadurch z.B. höhere Anfahrtskosten entstehen, wenn Frauen zu einer medizinischen Einrichtung fahren müssen. Wie ein Bericht von Ärzte ohne Grenzen feststellt: Frauen in Afghanistan greifen für sich und ihre Kinder notgedrungen immer häufiger ohne ärztliche Verordnung auf Medikamente zurück und sind einer enormen gesundheitlichen Gefahr durch eine missbräuchliche Anwendung ausgesetzt. Erschwert wird die Situation durch einen Mangel an Gesundheitspersonal und die Tatsache, dass sich Frauen ausschließlich von weiblichem Fachpersonal medizinisch behandeln lassen dürfen.

Bereits vor der erneuten Machtübernahme der Taliban zählte Afghanistan zudem zu den Ländern mit der weltweit höchsten Mütter- und Kindersterblichkeitsrate. Aktuellen UN-Schätzungen zufolge wird aufgrund der bestehenden Bildungsverbote für Mädchen und Frauen mit einem weiteren Anstieg von mindestens 50 Prozent der Müttersterblichkeitsrate gerechnet.

Verbot von Bildung und Berufstätigkeit

Mädchen dürfen derzeit in Afghanistan nur bis zur 6. Klasse zur Schule gehen. Der Zugang zu weiterführender Bildung in Schulen und Universitäten ist seit 2022 für Mädchen und Frauen untersagt.

Neben der Einschränkung von schulischer und universitärer Bildung sind Frauen durch Berufsverbote vermehrt von Armut und finanzieller Abhängigkeit betroffen. So wurden Frauen aus Berufen in Politik, Verwaltung, NGOs und Medien vollständig verdrängt. Nur wenige Berufe wie Hebammenarbeit sind für sie noch erlaubt – doch selbst hier wurde der Zugang zur Ausbildung im Dezember 2024 beendet.

Die Organisation Ärzte ohne Grenzen warnte in diesem Zusammenhang, dass dadurch die Gesundheitsversorgung von Frauen in Afghanistan in Zukunft essenziell bedroht sei, da bereits jetzt gravierende Personalengpässe für weibliches Gesundheitspersonal bestünden.

Rechtsschutz für gewaltbetroffene Frauen abgeschafft

Mit der Machtübernahme der Taliban wurden das zuvor eingeführte Frauenministerium, das für Gewalt gegen Frauen zuständige Gericht und Frauenhäuser geschlossen. Damit entfällt auch der Schutz für Frauen, die von Gewalt betroffen sind.

Verschärft wird der Mangel an Schutzstrukturen dadurch, dass Frauen durch die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit häufig keine Möglichkeit haben, sich noch vorhandene Unterstützung zu suchen und somit der Gewalt schutzlos ausgesetzt sind.

Folter, Haft und menschenrechtsmissachtende Strafen auf Verstöße und Protest

Wer sich den strengen Gesetzen der Taliban widersetzt oder diese missachtet, dem drohen Strafen, die mit menschenrechtlichen Standards unvereinbar sind. International sorgten die vielfachen Berichte über willkürliche Inhaftierungen und schwerwiegende körperliche Strafen, wie öffentliche Auspeitschungen, für Aufruhr. Die Gefahr für Frauen, von derartigen Strafen und justizieller Willkür betroffen zu werden, ist hoch: Als Grund kann bereits genügen, dass sich eine Frau ohne mahram in der Öffentlichkeit bewegt oder den strengen Verschleierungsgeboten nicht vollständig folgt.

Stand 05/2025

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