• 15.05.2024

Pressemitteilung: „Mit einem §218 im StGB wird es keine echte Gleichberechtigung und keine Gleichstellung der Geschlechter geben“

Berlin, 15.05.2024. TERRE DES FEMMES fordert die Bundesregierung auf, endlich die Kriminalisierung von ungewollt Schwangeren zu beenden. Sina Tonk, Bereichsleiterin Referate bei TERRE DES FEMMES, sagt dazu: „Mit einem §218 im StGB wird es keine echte Gleichberechtigung und keine Gleichstellung der Geschlechter geben. In Polen, den USA und vielen anderen Ländern sehen wir, wie Frauen unter Abtreibungsverboten leiden. Es ist pure Heuchelei, von Lebensschutz zu sprechen und gleichzeitig das Leben von Frauen aufs Spiel zu setzen und unsichere Schwangerschaftsabbrüche in Kauf zu nehmen. Aus welchen Gründen auch immer: Jede Frau muss entscheiden dürfen, ob und wann sie ein Kind bekommen will – ohne dabei kriminalisiert und bevormundet zu werden. Wir leben im 21. Jahrhundert und nicht mehr in der Kaiserzeit – die frauenfeindliche Haltung hinter dem Paragrafen und seine Folgen für Frauen haben in einer modernen, freien und gleichberechtigten Gesellschaft keinen Platz.“

Ein Paragraf aus der Kaiserzeit und Jahrzehnte des Protests

Am 15. Mai wird der §218 153 Jahre alt. Er stammt aus dem Jahr 1871. Damals war das häufigste Verkehrsmittel die Kutsche und Deutschlands neues Staatsoberhaupt war Kaiser Wilhelm I. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts, und durchgehend seit den 1970er Jahren wird von FrauenrechtlerInnen, ÄrztInnen, JuristInnen und vielen anderen vehement die Abschaffung gefordert. 

Noch 1993 kippt der Bundesgerichtshof eine Liberalisierung und beharrt auf der Strafbarkeit: Nach einer Beratung dürfe der Abbruch in den ersten zwölf Wochen zwar "straflos" bleiben, müsse aber weiter als "rechtswidrig" gelten. Nur so werde ungewollt Schwangeren in der Beratung bewusst gemacht, dass sie im Prinzip die Rechtspflicht haben, das Kind auszutragen. Grundsätzlich dürfe es auch keine Kostenübernahme der Krankenkassen von rechtswidrigen Eingriffen geben. 1995 setzt der Gesetzgeber die Vorgaben aus Karlsruhe um. (Q: Tagesschau, 24.6.2022)

Die Forderung der ExpertInnenkommission

Im April 2024 hat schließlich sogar die von der Bundesregierung beauftragte Kommission für reproduktive Rechte eine Streichung aus dem StGB gefordert, mindestens für die ersten 12 Wochen. Die Beratungspflicht könne auch wegfallen, hieß es im Bericht der Kommission. All dies stieß sofort auf Gegenwehr von konservativen Kräften. Noch über 150 Jahre später scheuen sich PolitikerInnen, Frauen über ihren Schwangerschaftsabbruch frei entscheiden zu lassen.

UN-Konvention wird nicht umgesetzt

Deutschland wurde bereits zweimal aufgefordert, die UN-Frauenrechtskonvention CEDAW, die die deutsche Regierung 1985 ratifiziert hat, umzusetzen und Schwangerschaftsabbrüche zu entkriminalisieren. Die obligatorische Beratung und die dreitägige Wartefrist wurden vom Kontroll-Gremium kritisiert, sowie, dass Schwangerschaftsabbrüche nicht grundsätzlich durch eine reguläre Krankenkassenversicherung abgedeckt sind. Die Vorgaben haben den Rang eines Bundesgesetzes.

Nur wenig Zeit für die Gesetzesänderung

TERRE DES FEMMES fordert die Bundesregierung auf, endlich die Kriminalisierung von ungewollt Schwangeren zu beenden. Die Abschaffung von §219a und die neue Strafbarkeit von Gehsteigbelästigung vor Praxen und Beratungsstellen sind wichtige Schritte, aber: „Diese neuen, längst überfälligen Regelungen sind nicht ausreichend. Es braucht die endgültige Streichung von §218 StGB.“, so Sina Tonk. „Das Zeitfenster dafür könnte sich mit der nächsten Bundestagswahl schließen – Eile ist also geboten, wenn es der Regierung ernst ist mit der Stärkung von reproduktiven Frauenrechten.“

Weiterführende Links

TDF-Stellungnahme an die Kommission für reproduktive Selbstbestimmung

TDF ist Teil der Kampagne My Voice My Choice, die sich mit einer Petition an das EU-Parlament für faire, sichere und bezahlbare Schwangerschaftsabbrüche für alle Frauen in der EU einsetzt.

TDF-Forderungen zum Thema Schwangerschaftsabbruch

Unsere Arbeit zum Thema sexuelle und reproduktive Rechte

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