• 13.05.2025

Cybergrooming: Digitale Gewalt gegen Kinder und Jugendliche

„Hey, du bist echt hübsch :-* – für junge Menschen ist es alltäglich geworden, im Internet solche Nachrichten zu bekommen. Ein Viertel der Kinder und Jugendlichen wurde laut einer repräsentativen Umfrage in NRW im Internet bereits von Erwachsenen mit sexuellen Absichten kontaktiert – und trotzdem kennt weniger als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen den Begriff Cybergrooming (3). Cybergrooming bezeichnet die Kontaktaufnahme einer erwachsenen Person zu Minderjährigen im Internet mit dem Ziel, einen sexuellen Kontakt aufzubauen, indem gezielt Vertrauen aufgebaut und manipuliert wird (1).

Cybergrooming ist sexuelle Gewalt und nach § 176 StGB eine Straftat. Hierbei ist allein die Kontaktaufnahme mit sexueller Absicht strafbar. Das bedeutet, es muss nicht zu einem (physischen) Übergriff kommen, um Täter anzeigen zu können (2).

Alarmierende Fallzahlen

Laut einer Umfrage der Landesanstalt für Medien NRW (2024) war jedes vierte Kind zwischen 8 und 17 Jahren bereits betroffen. Dabei wurden 16 % nach einer Verabredung gefragt, 12 % sollten im Gegenzug für Geschenke Bilder von sich schicken, 10 % wurden zum Senden freizügiger Bilder aufgefordert, 11 % haben Nacktbilder erhalten und 7 % wurden bei Verweigerung gedroht (3).

Mädchen und Jungen sind laut Umfrage der Landesanstalt für Medien NRW von 2022 gleichermaßen betroffen und Jugendliche ab der Pubertät sind häufiger betroffen als jüngere Kinder (4). Besondere Vulnerabilität entsteht durch ein niedriges Selbstwertgefühl, soziale Isolation und Einsamkeit, eine konfliktreiche Beziehung zu den Eltern und eine hohe Internet-Nutzung (5).

Die Strategie der Täter[1]

Cybergroomer gehen mit einer bewusst geplanten Strategie vor. Sie bauen gezielt Vertrauen auf, isolieren und manipulieren die Betroffenen emotional. Sie versuchen zum Beispiel das Risiko zu minimieren, dass Bezugspersonen der Betroffenen von dem Kontakt erfahren. Sie fragen bei der Kontaktaufnahme, ob die Eltern im Raum sind, und weisen die Betroffenen an, FreundInnen und Eltern nichts von ihrer angeblich ganz besonderen Beziehung zu erzählen. So schaffen Täter emotionale Abhängigkeit und können unbemerkt sexuelle Gewalt gegen Betroffene ausüben (1).

Die Täter gehen in der Regel in fünf Schritten vor (1), die allerdings von Fall zu Fall variieren:

Schritt 1: Kontaktaufnahme

Täter schreiben Betroffene auf populären Online-Gaming oder Social-Media-Plattformen an. Oft geben sie sich als gleichaltrig aus. Dabei nutzen sie Informationen, die online einsehbar sind und täuschen vor, gleiche Interessen wie die Betroffenen zu haben. Cybergroomer wirken anfänglich sehr interessiert, verständnisvoll und freundlich. Dabei wollen sie Betroffene möglichst schnell auf private Messenger-Dienste wie WhatsApp locken, da Nachrichten hier schwieriger nachzuverfolgen oder zu melden sind.

Schritt 2: Beziehungsaufbau

Mit dem Ziel Vertrauen aufzubauen und Betroffene emotional zu binden, betonen die Täter angebliche oder tatsächliche Gemeinsamkeiten, zum Beispiel indem sie mit Betroffenen über alltägliche Themen wie Schule sprechen, viele Komplimente machen und die Betroffenen emotional unterstützen.

Schritt 3: unter Druck setzen

Hier beginnt die sexuelle Gewalt. Täter sexualisieren die Interaktion und setzen Betroffene unter Druck sich über sexuelle Erfahrungen auszutauschen, fordern sie auf intime Bilder zu senden oder einen Videochat zu starten. So gelangen Täter an kinderpornographisches Material.

Schritt 4: Planung eines Treffens

Täter fordern Betroffene dazu auf sich persönlich zu treffen und planen im schlimmsten Fall eine Vergewaltigung oder sonstige Gewaltausübung gegen Betroffene. Aber nicht immer haben Cybergroomer das Ziel, sich mit den Betroffenen persönlich zu treffen, denn die sexuelle Gewalt kann auch rein digital ausgeübt werden und erfordert nicht zwingend physischen Kontakt. Das Ziel kann auch der Erhalt von kinderpornographischen Material sein.

Schritt 5: Drohung

Die zuvor erhaltenen Fotos und Videos werden genutzt, um die Betroffenen zu erpressen, wenn sie den Kontakt abbrechen wollen oder sich weigern den Anweisungen des Cybergroomers zu folgen. So werden Betroffene dazu gebracht, einem Treffen zuzustimmen oder weiterhin Bilder zu senden, selbst wenn sie das nicht wollen.

Nicht alle Cybergroomer gehen nach diesem exakten Schema vor und die Zeitspanne der einzelnen Phasen kann sich unterscheiden und überschneiden. Während einige Täter über einen langen Zeitraum hinweg eine Vertrauensbeziehung zu den Betroffenen aufbauen, bevor es zur sexuellen Gewalt kommt, sexualisieren andere schon innerhalb weniger Nachrichten die Interaktion (1).

Cybergrooming hinterlässt Spuren

Sehr wenige Fälle von Cybergrooming werden zur Anzeige gebracht. Oft denken Betroffene, ihre Erfahrung sei nicht schwerwiegend genug, um sie anzuzeigen, da kein physischer Übergriff stattgefunden hat. Das zurückhaltende Anzeigeverhalten führt dazu, dass Täter ihren strafbaren Handlungen ungebremst nachgehen, da sie sich nicht vor Strafe fürchten und sich in der Anonymität des Internets sicher fühlen (1). Deshalb ist es wichtig, bei Cybergrooming Anzeige zu erstatten.

Jede vierte betroffene Person bleibt selbst nach dem Erfahren der wahren Identität des Täters in Kontakt. Denn Täter schaffen ganz gezielt emotionale Abhängigkeiten. Betroffene empfinden Wertschätzung durch den Täter, Freude über das Interesse, das der Täter an ihnen zeigt, oder sind neugierig (3). Das ist gefährlich, denn Cybergrooming kann schwer belasten. Mögliche Folgen sind eine mangelnde Fähigkeit Vertrauen zu Personen aufzubauen, ein vermindertes Selbstwertgefühl, Schuld- und Schamgefühle und Depressionen bis hin zu Suizidversuchen (1).

Was tun?

Aufklärung ist der beste Schutz gegen Cybergrooming. Diesen Wunsch haben Kinder und Jugendliche auch selbst: über 60 % wünschen sich mehr Aufklärung über Cybergrooming in der Schule (3). Kinder und Jugendliche können sich schützen, indem sie Fremden im Internet gegenüber skeptisch bleiben, persönliche Daten für sich behalten, keine Fotos und Videos von sich versenden und in öffentlichen Chats bleiben.

Betroffene sollten sich an Vertrauenspersonen und Beratungsstellen wenden, Screenshots erstellen, die Polizei einschalten und den Kontakt ignorieren, blockieren und melden (6). Die Strategien der Täter, Möglichkeiten des Selbstschutzes und Hilfsangebote für Betroffene müssen durch Aufklärungsprojekte an Jugendliche vermittelt werden, damit sie sich sicher im Internet bewegen können. Dazu bietet TERRE DES FEMMES das Webinar #Cybersafe: Schutz vor Cybergrooming & Loverboys für Schulklassen an.

Cybergrooming ist ein Verbrechen. Es zerstört Leben, verletzt Vertrauen und darf nicht weiter hingenommen werden. Die Verantwortung sich zu schützen darf nicht nur bei Kindern und Jugendlichen liegen. Politische Maßnahmen gegen digitale Gewalt sind unerlässlich, um einen sichereren digitalen Raum zu schaffen. Demnächst veröffentlicht TERRE DES FEMMES Forderungen zu digitaler Gewalt, diese finden Sie dann auch hier.

Hilfsangebote und Beratungsstellen

Kinder- und Jugendtelefon der Nummer gegen Kummer

Opfertelefon des Weißen Rings 

Hilfetelefon Sexueller Missbrauch 

Fachberatungsstelle Violetta

www.juuuport.de

https://www.nummergegenkummer.de/

 

Quellen

  1. Kattenberg, T. (2024). Cybergrooming – eine Bestandsaufnahme und zwei Schlussfolgerungen: Kriminologie - Das Online-Journal | Criminology - The Online Journal, 3(6), 108–136.
  2. BKA. Cybergrooming: www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Aufgabenbereiche/Zentralstellen/Kinderpornografie/Cybergrooming/Cybergrooming_node.html (aufgerufen am 18.02.2025)
  3. Landesanstalt für Medien NRW (Mai 2024). Kinder und Jugendliche als Opfer von Cybergrooming, Zentrale Ergebnisse der 4. Befragungswelle 2024: www.medienanstalt-nrw.de/fileadmin/user_upload/Forschung/LFM_Cybergrooming_Studie_2024.pdf (aufgerufen am 13.02.2025)
  4. Landesanstalt für Medien NRW (November 2022). Kinder und Jugendliche als Opfer von Cybergrooming, Zentrale Ergebnisse der 2. Befragungswelle 2022: www.medienanstalt-nrw.de/fileadmin/user_upload/NeueWebsite_0120/Themen/Cybergrooming/Cybergrooming_Welle2_2022.pdf (aufgerufen am 19.02.2025)
  5. Whittle, H, Hamilton-Giachritsis, C, Beech, A & Collings, G (2013). A review of young people's vulnerabilities to online grooming, Aggression and Violent Behavior, 18(1), 135-146.
  6. Juuuport (2021). Cybergrooming: Wie Du Dich schützen kannst: www.juuuport.de/infos/ratgeber/cybergrooming (aufgerufen am 19.02.2025)

[1] Der Begriff „Täter“ wird hier bewusst nicht gegendert, da Studien zeigen, dass der größte Teil der Täter männlich ist (1). Trotzdem ist nicht auszuschließen, dass auch nicht-männliche Personen Täter sein können.

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