In der Prostitution gibt es kein Fair Play

#RoteKartefürFreier – TERRE DES FEMMES beteiligte sich an Kampagne zur Fußball-EM 2024
Die Fußball-Europameisterschaft der Männer in Deutschland ist vorbei, da folgte bereits das nächste Großereignis – die Olympischen Spiele in Frankreich. Bei Großveranstaltungen wie diesen steigt die Nachfrage nach Prostitution und Gewalt gegenüber Prostituierten. Der Bundesverband Nordisches Modell e.V. hat daher anlässlich der EM 2024 die Kampagne #RoteKartefürFreier! ins Leben gerufen, an der sich TERRE DES FEMMES (TDF) mit vielen anderen beteiligte. Die Mitmach-Aktion richtete sich speziell an Männer und ermutigte sie, Fan zu sein, ohne „Freier“ zu werden (1)
Warum war diese Kampagne wichtig?
Erfahrungen und Beobachtungen der EU und einzelner Landeskriminalämter zeigen, dass Großveranstaltungen zu einem Anstieg der Nachfrage nach Prostitution führen, insbesondere bei männlich dominierten Events (2, 3). Während der Fußball-EM der Männer 2024 in Deutschland stellte der Bundesverband Nordisches Modell nach internen Recherchen einen erheblichen Anstieg der Prostitution in den Austragungsorten fest (1). Auch laut dem Prostitutionsportal Erobella sei die Anzahl der Prostituierten in den zehn EM-Städten seit Mitte Mai 2024 um etwa 31 % gestiegen, wobei ein Großteil aus Osteuropa stamme (4).
Studien, wie die des Centre for Economic Performance (5), belegen zudem, dass physische Gewalt gegen Frauen während und nach Fußballspielen zunimmt, wovon folglich auch Prostituierte betroffen sind. Prostitution ist insgesamt von prekären Bedingungen geprägt, die tief in gesellschaftlichen Problemen wie Sexismus, Rassismus und Klassismus verwurzelt sind: Frauen in der Prostitution leiden häufig unter direktem oder ökonomischem Zwang (6), betroffen sind außerdem überwiegend Frauen aus Ländern des globalen Südens und Osteuropa – nur 18 % der angemeldeten Prostituierten besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit (7).
Deutschland, mittlerweile als „Bordell Europas“ bekannt, ist durch die Legalisierung der Prostitution und die mangelhafte Strafverfolgung von Menschenhandel auch ein Paradies für organisiertes Verbrechen (8). Eine erhöhte Nachfrage nach Prostitution während Großveranstaltungen kann auch den Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung verstärken. Im Vergleich zu 2021 stieg die Zahl der weiblichen Betroffenen von Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung laut Bundeslagebild Menschenhandel um 17 % an (453 Betroffene 2022). Das Lagebild verweist zudem darauf, dass im Bereich Menschenhandel und Ausbeutung von einem hohen Dunkelfeld ausgegangen werden muss und es sich um eine Kontrollkriminalität handelt. Das bedeutet, dass die Bekämpfung des Menschenhandels maßgeblich mit der Kontrollintensität der Polizei zusammenhängt, da Betroffene selten selbst Anzeige erstatten; sie werden „regelmäßig massiv unter Druck gesetzt, um (sie) in der Ausbeutung zu halten. Neben der Anwendung physischer Gewalt wird von Täterseite z.B. damit gedroht, die Familien über die Prostitutionstätigkeit zu informieren oder Gewalt gegen die Angehörigen auszuüben.“ (9)
Die Ziele der Kampagne
Die Kampagne #RoteKartefürFreier hat diese Probleme angesprochen und dafür sensibilisiert. Mit Postkarten konnten sich Menschen fotografieren und ihr Foto unter dem Hashtag #RoteKartefürFreier auf Social Media posten. Diese Aktion wurde von zivilgesellschaftlichen Vereinen wie AugsburgerInnen gegen Menschenhandel, Sisters e.V. und dem Netzwerk Ella sowie zahlreichen Personen unterstützt, auch von Bundestagsabgeordneten wie Leni Breymaier (SPD), Annette Widmann-Mauz (CDU) oder Dorothee Bär (CSU). Kampagne und Hashtag wurden in den Sozialen Medien vielfach geteilt. Die Forderungen der Kampagne, die auch TERRE DES FEMMES unterstützt, waren unter anderem:
- Schutz von Betroffenen ausbauen: Aufklärung und Unterstützung in den Herkunftsländern, umfassende Information, Vermittlung zu Hilfsangeboten und Ausstiegsprogramme müssen implementiert werden.
- Strafverfolgung verstärken: Das Sexkaufverbot muss eingeführt und eine verstärkte Strafverfolgung von Frauenhändlern forciert werden.
- Prävention und Öffentlichkeitsarbeit: Gesellschaftliche Aufklärungsarbeit muss ausgebaut und das Hotelgewerbe sensibilisiert werden.
Wie geht es weiter?
Großveranstaltungen bleiben eine Herausforderung im Kampf gegen den Frauenhandel. Lenaig Le Bail steht an der Spitze der Zentralstelle für die Bekämpfung des Menschenhandels (OCRTEH), eine Behörde des französischen Innenministeriums. Sie rechnete mit einem Anstieg der Nachfrage in Paris während der Olympischen Spiele (10). Dort ist Sexkauf seit 2016 verboten. Und: Beratungsstellen, die mit (Zwangs-)Prostituierten arbeiten, bestätigen, dass bei Großveranstaltungen wie Weihnachtsmärkten in Grenzregionen oder Messen sowohl die Nachfrage nach als auch die Gewalt gegenüber Prostituierten steige.

Die Kampagne #RoteKartefürFreier war ein erfolgreicher Start, nun will der Bundesverband Nordisches Modell die Kampagne weiterführen und ausbauen. Angesichts dessen, dass Deutschland sich um die Olympischen Spiele 2040 bewerben wird, ist das ein wichtiges Zeichen.
Quellen
- Bundesverband Nordisches Modell e.V. (2024): Anstieg der Prostitution aufgrund der Fußball-Europameisterschaft 2024: Aktuelle Entwicklungen. Pressemitteilung 24. Juni 2024.
- European Parliament (2006): Forced prostitution in the context of world sports events. European Parliament resolution on forced prostitution in the context of world sports events.
https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-6-2006-0086_EN.html - Tagesspiegel (2024): Sexarbeit: EM-Spielorte rechnen mit deutlich mehr Prostitution.
https://www.tagesspiegel.de/sexarbeit-em-spielorte-rechnen-mit-deutlich-mehr-prostitution-11835041.html - Wir verzichten hier auf den Link als Quellennachweis, da wir keine indirekte Werbung für Prostitutionsportale machen wollen. Sie finden die Erhebung jedoch mittels Googelns.
- Ivandić, Ria/ Kirchmaier, Tom/ Torres-Blas, Neus (2001): Football, Alcohol and domestic abuse
https://www.gesine-intervention.de/wp-content/uploads/Fussball_und_HG_engl..pdf - UNODC (2018): Global Report on Trafficking in Persons 2018. https://www.unodc.org/documents/data-and-analysis/glotip/2018/GLOTiP_2018_BOOK_web_small.pdf
- Deutscher Präventionstag (2024): Ende 2023 rund 30 600 Prostituierte bei Behörden angemeldet.
https://www.praeventionstag.de/nano.cms/news/details/9159 - Vogel, Hannah/ Meyer, Nathalie (2023): Debatte um Sexkaufverbot: „Deutschland ist das Bordell Europas.“
https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/sexkauf-verbot-deutschland-100.html - Bundeslagebild Menschenhandel und Ausbeutung 2022
- Sport1 (2024): Prostitutions-Sorgen vor Olympia.
https://www.sport1.de/news/olympia/2024/07/olympia-in-paris-sorgen-um-anstieg-der-prostitution