Fünfter Todestag von Morsal Obeidi: TERRE DES FEMMES stellt Fachberatungsstelle LANA gegen Zwangsheirat und Gewalt im Namen der Ehre in Berlin vor

Am 15. Mai 2013 jährt sich zum fünften Mal der Mord an der damals 16-jährigen Morsal Obeidi in Hamburg. Die Deutsch-Afghanin begehrte gegen die rigiden Sexual- und Moralvorstellungen ihrer Familie auf. Auch die Beratungsstelle von TERRE DES FEMMES bekommt zunehmend Hilferufe von jungen Frauen, die von Gewalt im Namen der Ehre bedroht sind. Um den steigenden Hilfebedarf professionell betreuen zu können, richtete TERRE DES FEMMES die LANA Fachberatungsstelle gegen Zwangsheirat und Gewalt im Namen der Ehre in Berlin ein.

Allein 2012 gab es in der Beratungsstelle von TERRE DES FEMMES 108 Anfragen zu drohender oder vollzogener Zwangsheirat und 130 Anfragen zu Gewalt im Namen der Ehre. Es melden sich junge Frauen, die sich von ihrer eigenen Familie bedroht fühlen. Sie möchten sich den patriarchalischen Lebensvorstellungen ihrer Familie nicht beugen und ein selbstbestimmtes Leben führen.

Die LANA Fachberatungsstelle für Berlin unterstützt sie dabei: Psychologische und pädagogische Beraterinnen zeigen Wege aus der Gewaltsituation auf, suchen mit der Betroffenen nach Lösungsmöglichkeiten und gemeinsam wird eine Strategie für die akute Notlage entwickelt. „Wir unterstützen die Mädchen und Frauen dabei, ihre Vorstellungen eines selbstbestimmten Lebens unabhängig von den Wünschen der Familie umzusetzen. TERRE DES FEMMES hilft den Mädchen und Frauen, wenn sie sich für die Flucht entscheiden, organisiert die Unterbringung in Schutzeinrichtungen, hilft ihnen ihre Anonymität zu wahren, die Herausforderungen des Alltags zu bestehen und ein neues Leben aufzubauen“, so Christa Stolle, Bundesgeschäftsführerin von TERRE DES FEMMES. Das multiethnische Team berät auf Deutsch und Türkisch auf niedrigschwelligen Wegen persönlich, telefonisch und online. Blogeinträge von ehemaligen Klientinnen im Jugendportal zwangsheirat.de sollen Betroffenen Mut machen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.
    
Die LANA Fachberatungsstelle für Berlin wird gefördert von Aktion Mensch.

Lesen Sie mehr zum Hintergrund des Mordes an Morsal Obeidi. Fälle sogenannter Ehrenmorde sind leider keine Seltenheit. Das erste - einer breiteren Öffentlichkeit bekannte - Opfer war Hatun Sürücü, die im Februar 2005 von ihrem Bruder erschossen wurde. TERRE DES FEMMES begleitete den Prozess gegen die Geschwister und den Vater von Arzu Özmen, die im November 2011 ermordet wurde. In beiden Fällen duldeten die patriarchalisch strukturierten und traditionell denkenden Familien nicht das freie und selbstbestimmte Leben der Töchter/Schwestern.

Wie TERRE DES FEMMES in einer Stellungnahme zur Veröffentlichung einer BKA-Studie betont hat, besteht dabei ein enger Zusammenhang zwischen "Ehren“-Morden und Zwangsverheiratungen. Mädchen und junge Frauen müssen bis zur Hochzeit mit dem für sie ausgewählten Mann Jungfrau bleiben, sonst verletzen sie die Ehre der Familie. Um dies zu verhindern, werden sie möglichst früh verheiratet.
TERRE DES FEMMES fordert: Lehrkräfte sowie die MitarbeiterInnen von Behörden wie Jugendamt und Polizei müssen sensibilisiert und geschult werden, damit junge Frauen nicht das gleiche Schicksal ereilt wie Morsal, Hatun oder Arzu; sichere Schutzeinrichtungen, in denen bedrohte Mädchen und junge Frauen Zuflucht finden können, müssen bundesweit geschaffen werden; verkrustete, patriarchale Strukturen, denen sich zum Teil auch Männer unterworfen fühlen, müssen aufgebrochen werden!