Generationenwechsel in der Städtegruppe Konstanz: Weiter stark für Frauenrechte!

Wir sprachen mit Erika Korn, die seit fast 25 Jahren als das Gesicht der Städtegruppe Konstanz gilt und in der Region einiges auf den Weg gebracht hat. Ihre Nachfolgerin, Susanne Trunk-Dietrich, engagiert sich schon mehrere Jahre lang mit der Städtegruppe in der Region Konstanz und gab uns Einblicke in die aktuelle Städtegruppenarbeit.
Interview mit zwei Frauen, die TERRE DES FEMMES prägen
TERRE DES FEMMES: Liebe Erika, du wurdest im Oktober 2021 zum 20-jährigen Jubiläum der Städtegruppe Konstanz interviewt. Nun übergibst du die Koordination der Gruppe an Susanne Trunk. Wie geht es dir mit dieser Entscheidung?
Erika Korn: Ich blicke mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf diese Entscheidung. Die Arbeit hat mir immer viel Freude bereitet, und ich war stets mit voller Überzeugung für TERRE DES FEMMES aktiv. Es ist ein großer Einschnitt für mich, aber nach fast 25 Jahren in dieser Rolle empfinde ich den Schritt dennoch als Befreiung. Als Gesicht von TERRE DES FEMMES Konstanz trug ich viel Verantwortung und war ständig unterwegs, vor allem in der Zusammenarbeit mit Kultureinrichtungen. In den letzten Jahren merkte ich zunehmend, dass mich neue Kommunikationswege und technische Entwicklungen überfordern. Umso dankbarer bin ich, dass Susanne Trunk, eine sehr engagierte Mitfrau, die Koordination übernimmt.
TERRE DES FEMMES: Und zum Glück bleibst du uns als Mitfrau trotzdem weiterhin erhalten! Wir hoffen natürlich, dass du auch künftig nach Möglichkeit mit dabei bist – vielleicht mit ein bisschen weniger Druck und dafür umso mehr Freude.
Erika Korn: Ja, ich habe ein starkes Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein und ich habe vieles auch allein organisiert. Deshalb möchte ich allen Mitfrauen mitgeben: Überlegt euch gut, ob ihr eine Aktion oder Veranstaltung im Notfall auch allein stemmen könnt. Wenn es zu groß wird, dann lieber die Finger davonlassen. Nichts ist schlimmer, als sich später gegenseitig Vorwürfe zu machen. Das schadet der Gruppe. Wir alle engagieren uns ehrenamtlich und geben unsere Freizeit, da sollte niemand ein schlechtes Gewissen haben, wenn es mal nicht passt. Lieber etwas kleiner planen. Das hat bei mir immer gut funktioniert.
TERRE DES FEMMES: Liebe Susanne, du koordinierst nun die Städtegruppe. Was treibt dich an und was möchtest du mit der Gruppe erreichen?
Susanne Trunk: Als ich vor 8 Jahren Mitfrau wurde, geschah es aus der Empörung über die globale Entwicklung im Zuge des Women’s March und der #metoo Bewegung heraus. Inzwischen habe ich einiges über Frauenrechte und kommunale Politik gelernt und miterlebt, dass die Themen, die Frauen betreffen oft am Ende Kette stehen, wenn es um die Verteilung der Ressourcen geht.
Ich möchte verstehen und aufzeigen, wie die Dinge zusammenhängen und warum wir Frauen für manche Rechte seit Jahrzehnten kämpfen und sich in manchen Bereichen nichts zu bewegen scheint. Letztendlich ist es auch Aufgabe meiner Städtegruppe, die Kernthemen von TDF bekannt zu machen und vor Ort einzubringen. Auf welche Art und Weise, das geschieht hängt von den Frauen in der Gruppe ab, denn nicht ich möchte etwas erreichen, sondern wir gemeinsam.
Was Feminismus betrifft, nehme ich einen starken Wandel wahr. Junge Frauen bringen frischen Wind und einen neuen Drive in die Sache. Ein generationenübergreifendes und achtsames Miteinander in der Gruppe ist für mich wichtig.
TERRE DES FEMMES: Erika, die Städtegruppe besteht bald 25 Jahre, auf welche Erfolge der Städtegruppe Konstanz blickst du zurück, wenn du an eure Aktivitäten denkst?
Erika Korn: Mir sind viele schöne Erinnerungen geblieben, dabei stechen fünf Ereignisse besonders hervor.
Highlights, die unvergessen sind – Engagement, das weiter wirkt:
- Wir haben drei große Wanderausstellungen zu FGM, Frauenhandel und Prostitution sowie Gewalt im Namen der Ehre nach Konstanz geholt. Der organisatorische Aufwand war groß, aber die Ausstellungen hatten eine starke Wirkung und machten diese Themen in der Öffentlichkeit sichtbarer.
- Wir waren die erste Städtegruppe, die die TERRE DES FEMMES-Fahnenaktion zum 25. November (internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen) ins Leben gerufen hat. Anfangs war viel Überzeugungsarbeit nötig, doch inzwischen ist die Beteiligung selbstverständlich geworden. Ein besonderes Highlight ist für mich jedes Jahr, wenn unsere blaue Fahne mit der Aufschrift „Frei leben ohne Gewalt“ gut sichtbar am Fahnenmast an der Rheinbrücke weht.
- Im März organisierten wir regelmäßig eine Frauenfilmwoche mit Filmen aus dem TDF-Filmfest Frauenwelten. Ich konnte den damaligen Kinobetreiber überzeugen, die Veranstaltung zu ermöglichen. Über mehrere Jahre hinweg fanden die Frauenfilmtage dort statt, leider wurde das Kino mittlerweile geschlossen.
- Auf meine Initiative hin wurde 2014 vor dem Bodenseeforum in Konstanz eine Silberlinde als Frauenbaum gepflanzt – ein Ort, an dem alle beim Vorbeigehen ein sichtbares Zeichen gegen Gewalt an Frauen wahrnehmen können. Ein Schild trägt die Aufschrift: „Frei leben ohne Gewalt - Frauenbaum initiiert von Frauengruppen in Konstanz“. Die Silberlinde wurde bewusst gewählt: Sie gilt als Frauenbaum, da sie sich immer wieder aus eigener Kraft erneuert. Mehr zur Geschichte findet sich auf der Webseite des Bodenseeforums.
- Besonders bewegt haben mich zwei Abende mit Referentinnen, die selbst verfolgt worden waren. Eine davon war Mina Ahadi, die wir für eine Lesung aus ihrer Autobiografie gewinnen konnten. Ich musste sie unter einem Pseudonym im Hotel einbuchen und holte sie persönlich mit Polizeischutz vom Bahnhof ab. Der Veranstaltungssaal der VHS war bis auf den letzten Platz gefüllt, und die Lesung wurde ein großer Erfolg. Das größte Highlight war aber ohne Frage die Einladung der iranischen Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi im Jahr 2017. Im Rahmen des Jubiläums „600 Jahre Konstanzer Konzil“, das unter dem Motto Frieden stand, schlug ich sie als Referentin vor. Über persönliche Kontakte gelang es uns, sie im Exil in England zu erreichen und tatsächlich zeigte sie Interesse. Die Stadt Konstanz sprach daraufhin die offizielle Einladung aus und setzte sich für die Finanzierung der Veranstaltung ein. Der Abend fand schließlich im historischen Konzilgebäude statt, der Saal war voll besetzt und es gab strenge Sicherheitsvorkehrungen. Es war für mich eine große Verantwortung, aber auch eine der eindrucksvollsten Veranstaltungen, die wir je organisiert haben.
What's next?
TERRE DES FEMMES: Nach diesem eindrucksvollen Rückblick auf Erreichtes wollen wir schauen, wo es noch Handlungsbedarf gibt. Susanne, welche Probleme – rund um Frauenrechte – sind bei euch in der Region akut und müssen verändert werden?
Susanne Trunk: Zwei Beispiele kann ich nennen, die bei uns speziell im Grenzgebiet zur Schweiz akut sind: Der Euro ist schwach gegenüber dem Schweizer Franken, was die Prostitution fördert. Wir sind der Sex-Discounter der Nordschweiz. Zweitens ist in unserem Frauenhaus die Verweildauer auf sechs Monate begrenzt. Die örtliche Gesellschaft für sozialen Wohnungsbau möchte für Frauen aus dem Frauenhaus keine geförderte Wohnung bereitstellen, weil sie nur Menschen, die selbst aus dem Ort kommen, Wohnraum bieten möchte. Dass Frauen, die ein Frauenhaus brauchen eher nicht aus demselben Ort kommen, ist bei den Entscheidern immer noch nicht angekommen.
TERRE DES FEMMES: Wo könnt ihr da ansetzen? Was funktioniert gut für die Städtegruppenarbeit?
Susanne Trunk: Eine unserer vielfältigen Aufgaben sehe ich darin, lokale Politikerinnen, die durch gute Arbeit für Frauen auffallen, zu unterstützen und einzubeziehen. Sei es mit Vernetzung, Informationsaustausch, Öffentlichkeitsarbeit, Stellungnahmen oder Veranstaltungen. Es gibt viele Möglichkeiten, aber es kommt immer auch auf die Fähigkeiten und Ressourcen der eigenen Gruppe an.
Was gut funktioniert hat: Um auf unsere SG aufmerksam zu machen, hatte ich Workshops im Zuge des internationalen Frauentags und der interkulturellen Woche angeboten. Da alles von der Stadtverwaltung organisiert wurde, war das Problem der Werbung für die Veranstaltung gelöst und Teilnehmerinnen in großer Zahl vorhanden.
TERRE DES FEMMES: Wie setzt sich eure Gruppe zusammen und was sind eure Herzensthemen, unabhängig von der Dringlichkeit?
Susanne Trunk: Unsere Gruppe ist gerade im Wandel und es sind kürzlich erst neue Frauen dazu gekommen. Unsere Altersspanne ist 30-93 Jahre. Es sind Frauen, die neu im Feminismus sind und Frauen, die sehr viel Fachwissen und Erfahrung mitbringen. Wir ruckeln uns gerade ein und haben einen Themenspeicher erstellt, auf den wir zurückgreifen können, falls uns jemals die Ideen ausgehen sollten. Das obig beschriebene Frauenhausthema wird gerade bearbeitet. Auch versuchen wir, uns alle auf denselben Wissensstand zu bringen. Eine Mitfrau berichtete beim letzten Treffen über ihre Recherche zu Microfeminismus, was eine bereichernde Diskussion ausgelöst hat.
TERRE DES FEMMES: Und zum Abschluss: Wo können euch die KonstanzerInnen in diesem Jahr sicher noch treffen?
Susanne Trunk: Diese Termine stehen fest, andere Aktionen sind noch in Vorbereitung oder in der Diskussion.
Termine in Konstanz
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20.9.25 Eröffnungsfeier interkulturelle Woche
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25.9.25 Kinofilm und Gespräch „NAWI – Dear future me“ (Film über Zwangsverheiratung in Kenia) im Zebra Kino
Wir danken euch herzlich für dieses Gespräch. Mehr über Susanne Trunk gibt es hier zu lesen. Sie wurde auf der letzten Mitfrauenversammlung im Juni zur ehrenamtlichen Vorstandsfrau von TERRE DES FEMMES gewählt – herzlichen Glückwunsch!
Stand: Juli 2025