Nach der Trennung ist vor der Trennung: „Es braucht nicht zwei, um sich zu streiten!“
Drei Anläufe brauchte Karoline Pischel aus der Uckermark, um sich von ihrem Ex-Mann und Vater der drei gemeinsamen Kinder zu trennen. In der Beziehung erlebte sie psychische und teilweise auch körperliche Gewalt. Erfolglos setzte sie sich in mehreren Gerichtsprozessen für das Umgangs- und Sorgerecht ihrer Kinder ein, welche die väterliche Gewalt oftmals miterlebten.
Das Familiengericht und Jugendamt nimmt sie ihr gegenüber als stark voreingenommen wahr. Ihre Kinder im Alter von heute 10, 13, und 18 Jahren leben seither vorwiegend bei dem Ex-Mann und erfahren mangelnde Fürsorge und Missgunst für die Person der Mutter. Seit drei Jahren sieht Karoline ihre Kinder nur an den Wochenenden und in den Ferien. Ihr Ex-Partner könnte ihr die Umgänge jederzeit verwehren.
TDF: Karoline, wie ist es zu der Trennung von Ihrem Ex-Partner gekommen?
Er war schon früh in unserer Beziehung sehr eifersüchtig und manipulativ und hat eine Art Besitzanspruch an mich gehabt. Erst sehr viel später wurde mir klar, dass diese Verhaltensweisen ungesund sind! Ich fühlte mich immer weniger wertgeschätzt und ernst genommen. Bekannte, egal ob Männer oder Frauen, haben immer eine Art Konkurrenz für ihn dargestellt. Er wollte verhindern, dass mein Interesse sich von ihm auf andere verlagert, denn dann hätte er nicht mehr meine komplette Aufmerksamkeit und Einfluss für sich gehabt. Mit der Geburt unseres ersten Sohnes habe ich eine Mutterrolle eingenommen und mich verändert. Dadurch hat er weniger Aufmerksamkeit durch mich erfahren.
TDF: Haben Sie in der Beziehung auch Gewalt erlebt?
Ja, neben dem Besitzanspruch, den er an mich hatte, wertete er mich immer mehr ab und versuchte sich mein kindheitsgeprägtes Verantwortungs- und Schuldbewusstsein zu nutzen zu machen. Er drohte mir mehrfach mich umzubringen. Einmal völlig unvermittelt nach der offiziellen Einschulungsfeier unseres jüngsten Sohnes. Nach der Feier wollten wir zu einem Erdbeerhof fahren. Meine Kinder und ich, meine Mutter, ihr Mann und mein Opa. Da drohte er mir schließlich: Wenn ich einen Unfall bauen würde - was wieder eine Abwertung ist, ich könnte nicht Auto fahren - dann bringt er mich um. Bisher waren immer „nur“ unsere Kinder ZeugInnen seiner Drohungen etc. gewesen, aber an diesem feierlichen Tag standen meine Mutter und ihr Mann unmittelbar neben mir und bekamen das mit. Durch diese hätte bestenfalls eine formulierte Grenzsetzung und Unterstützung erfolgen müssen. Ich fühle mich von ihnen im Stich gelassen. Sie wissen zwar nicht grundsätzlich von allen Gewaltmomenten, aber es hatte mitunter auch Situationen gegeben, wo ich verzweifelt meine Mutter angerufen hatte, weil dieser mir am Telefon vorab gedroht hatte: “Wenn ich nach Hause komme und du bist noch da, kannst du schon mal die Polizei anrufen!”. Es gab einige solcher Situationen.
TDF: Ihre Kinder haben die väterliche Gewalt gegen Sie also miterlebt?
Ja, leider zu oft! Wenn sie so etwas mitanhören, sind sie völlig überfordert, geschockt und bekommen Angst! Ich versuchte ihnen trotzdem Sicherheit zu vermitteln so gut ich eben konnte.
Er hat unseren älteren Sohn mehrfach direkt miteinbezogen, indem er ihn in seiner Impulsivität ansprach „Junge, verabschiede dich von deiner Mutter. Ich bringe die nachher um!“ In einer anderen Situation des Umgangswechsels hatte er in deren unmittelbarer Anwesenheit mir an den Kopf geworfen: “Hoffentlich erschlägt dich mal einer!”.
Nach unserer räumlichen Trennung war das wöchentliche Wechselmodell unserer Kinder weitestgehend von seiner Willkür und fehlende Kommunikationsfähigkeit geprägt:Er orientierte sich vorwiegend an seinem neuen Alltag und war nicht in der Lage unseren Kindern eine gewisse Verlässlichkeit zu sein. Er verhielt sich willkürlich, impulsiv und verantwortungslos.
Das machte die Umsetzung und den Trennungsprozess für meine Kinder und mich sehr schwierig. Seine Missgunst für mich macht dieser unmissverständlich deutlich. Das macht vor unseren Kindern auch keinen Halt! Sie erfahren insofern auch keinerlei psychologische Unterstützung, was aber bei Beginn des Sorgeverfahrens durch das Jugendamt empfohlen worden ist. Ich kann bzw. darf diese heute nicht eigenmächtig anstoßen.
Ich habe dem Jugendamt immer wieder mitgeteilt, dass die Kinder durch den Vater nicht gut versorgt werden. Habe mich dann im Laufe der Zeit aber auch immer mehr zurückgehalten, weil ich das Gefühl hatte die hören mir gar nicht wirklich zu, nehmen mich nicht ernst.
TDF: Haben Sie die Gewalt angezeigt?
Ich habe vieles, aber leider rückblickend betrachtet, zu spät angezeigt. Es ist wichtig, dass man ZeugInnen benennen kann, die Gewalt ganz konkret notiert und dokumentiert! In Zahlen einmal ausgedrückt: Sieben Mal drohte er mir im Laufe der Zeit mir etwas anzutun – davon mehrheitlich in unmittelbarer Anwesenheit unserer Kinder! Mit seinem Verhalten versuchte er mich gezielt zu destabilisieren und meine Handlungsfähigkeit zu schädigen. Eigentlich müsste man so eine missbräuchliche Situation gerichtsfest dokumentieren. Mir fiel es unheimlich schwer dafür auch noch Reserven aufzubringen. Gleichzeitig muss man ja auch mit der missbräuchlichen Situation klarkommen, den Alltag bestreiten, als Mutter funktionieren!
Ich habe seine Gewalt nicht rechtzeitig oder zeitnah angezeigt, weil ich große Sorge hatte, dass der Konflikt dadurch noch mehr geschürt wird. Heute denke ich, es wäre sicher besser gewesen es zu tun. Auch um dem Aggressor, dem Täter, ein Zeichen zu setzen- bis hierhin und nicht weiter! Meine erste Anzeige in 2016 wegen häuslicher Gewalt habe ich auf die schriftliche Einschüchterung meines Ex-Partners hin zurückgezogen. Das kann ich glücklicherweise auch nachweisen (und liegt der Interviewerin zur Einsicht vor). Er hatte mich erfolgreich in Angst versetzt, dass unsere Kinder in Pflegefamilien kommen würden, sollte ich meine Anzeige nicht kurzfristig wieder zurückziehen.
Und genau das ist auch sein perfides „Spiel“ welches er nutzte und bis heute nutzt um Behauptungen aufzustellen und Tatsachen zu verdrehen, um mich so vermehrt fragwürdig erscheinen zu lassen.
Andere Vorfälle waren schon verjährt, als ich sie anzeigte. Anzeigen heißt nicht direkt, dass dann auch automatisch die Gewalt aufhört, aber es muss dort zunächst einmal registriert werden. Das ist wichtig.
Bis zur Trennung war grundsätzlich ICH die Hauptbezugsperson für unsere Kinder – plötzlich interessiert er sich für unsere Kinder und deren Entwicklung, behauptet ich würde unserer Tochter negativ beeinflussen, unser zweiter Sohn würde mich hassen. Tatsächlich war ihm jedes Mittel recht gegen mich zu schießen. Ich bin nicht mehr sein Spielball, lass mir nicht mehr sein negatives, misstrauisches Weltbild aufdrücken. Mein Problem ist heute jedoch: Durch die staatliche Täter-Opfer-Umkehr und den vorrangigen Aufenthalt meiner Kinder bei ihm in unserem Haus fühle ich mich ob seiner missgünstigen Einstellung mir gegenüber trotzdem ohnmächtig.
TDF: Kam es während der Beziehung auch zu körperlicher Gewalt?
Entschieden weniger als psychische, aber die gab es mitunter auch. Er hat mich zum Beispiel nicht aus dem Zimmer gelassen, setzte sich auch mal auf mich drauf. Er ist knapp zwei Meter groß, ich nur 1,63 m. Einmal hat er mich gänzlich vor dem Hauseingang gepackt und ein paar Meter weit geschmissen. Ich landete draußen auf der Erde. Ich hatte Schürfwunden an den Händen und ein blaues Ohr davongetragen. Kurz danach habe ich die Polizei aufgesucht. Meine Schilderung der Gewalt wurde dort protokolliert und sind auch in der Anzeige von 2016 festgehalten.
Viel häufiger und drastischer war jedoch die psychische Gewalt! Diese zu dokumentieren und zu beweisen ist naturgemäß viel schwerer. Es kam einmal zu einer Situation mit einem Messer. Es war nicht so, wie man das sonst so hört: Er kam auf mich zu, hatte das Messer mit der Klinge zu sich selbst gedreht und hielt mir energisch und bedrohlich den Griff hin. Er am immer näher auf mich zu, so dass ich dann schon den Schrank in meinem Rücken spürte: „Los. Stich doch endlich zu!“ Unser jüngster Sohn war dabei sogar mit anwesend in der Küche und hatte unbeteiligt am Tisch gesessen!
Oft fragte ich mich damals schon, wie er es in Kauf nehmen konnte, dass unsere Kinder das miterleben müssen. Heute befürchte ich eher, dass das seine Absicht war.
Ich habe, so gut es mir möglich war, verantwortungsbewusst für unsere Kinder agiert, hatte leider auch große Skrupel mit meinen Kindern ins Frauenhaus zu gehen, ihnen ein anderes Umfeld in größerer Entfernung zuzumuten – obwohl aus heutiger Sicht für uns das Sichtbar-machen unserer Not sicher besser gewesen wäre.
TDF: Wie verlief die Trennung?
Ich habe nicht für möglich gehalten, wie viel Macht der Ex-Partner nach der Trennung auf mich und die Kinder ausübt, obwohl er gar nicht mehr anwesend ist! Es brauchte insgesamt drei Anläufe, bis ich mich endgültig von diesem trennte. Die erste Trennung war bereits 2009 – nach 13 Jahren Beziehung, unser Erstgeborener damals drei Jahre alt. Die zweite Trennung dann drei Jahre später. Als unserer drittes Kind später auf dem Weg war, wollte ich uns eine weitere Chance nicht verwehren. Zwei Jahre später trennte ich mich dann endgültig.
Ich hatte leider kaum Vergleichsmöglichkeiten anderer gesunden Beziehungen. Das war meine erste feste Beziehung und ist bis heute auch die einzige. Meine Kinder spürten natürlich meine nachlassende Lebendigkeit. Und ich spürte immer mehr: das passt so überhaupt nicht mehr zu meinen Wertvorstellungen als Mutter und Frau.
Er war kein guter Vater und auch kein guter Mann für mich. Oft machte er eigenmächtig größere finanzielle Anschaffungen, kündigte eine feste Anstellung als Teamleiter und wollte mich am liebsten für sich allein.
Er hatte sich immer rigoros geweigert auszuziehen, meinte er hätte viel mehr Anspruch als ich an das Haus, er hätte es ja schließlich saniert. Ich musste schließlich aus dem gemeinsamen Haus ausziehen, wünschte mir nach vorne blicken zu können, ein gutes Umfeld. Man braucht ja generell viel mehr Kraftanstrengung, wenn man eine Häuslichkeit verlässt. Es ist einerseits ein Neuanfang verbunden mit Hoffnung, aber man muss immer auch vieles regeln und wieder ankommen.
TDF: Wie wirkte sich die Trennung auf Ihre gemeinsame Elternschaft aus?
Mein Ex-Partner versucht mich als schlechte Mutter darzustellen und fühlen zu lassen. Teilweise gelang ihm das. Ich wollte unseren Kindern den Vater nicht vorenthalten, trotz seines rücksichtslosen Verhaltens, als sich die Trennung abzeichnete. Ich wollte aber auch, dass unsere Kinder dauerhaft bei mir sind, nach vorne schauen!
Hätte er echtes Interesse an unseren Kindern gehabt und könnte mit mir auf Augenhöhe kommunizieren, wäre das sicher für einige Zeit eine gute Lösung gewesen.
Er hatte sich nach meiner Anzeige seiner erneuten Gewalt gegen uns an das Jugendamt gewandt und behauptete außerdem bei Gericht, ich würde den Schulbesuch unserer Kinder gefährden. Das bezog sich auf das erste Coronajahr – einem absoluten Ausnahmejahr für alle Menschen!
Insofern hatte ich unsere Kinder weitestgehend allein beschult und auch vermehrt zu Hause behalten, denn das war später im Laufe der Lockerungen zunehmend auch möglich und den Familien freigestellt. Wie alle anderen auch hangelten wir uns 2020 von einer Woche zur nächsten, wobei der Ex-Mann hingegen in Vollzeit seiner neuen Erwerbstätigkeit nachging - obwohl ein gerichtlich festgelegtes Wechselmodell eine hälftig aufgeteilte Betreuung beider Elternteile vorsah.
Meine Grundschulkinder und ich erlebten das Schulpersonal in dieser Zeit auch leider sehr stark reglementierend und verängstigt. Diese waren in die Pflicht genommen die Hygienemaßnahmen durch- und umzusetzen. Kinder und Eltern hatten sich damit zu arrangieren, ganz einfach. Verschiedene grenzüberschreitende Vorfälle erlebten dann meine Kinder dort, die mich erschaudern ließen. Auf Verständigungsebene der Schule erwartete diese von meinen Kindern und mir schließlich unbedingten Gehorsam. Das fühlte sich immer weniger gut für uns an, sodass wir schließlich dem Distanzlernen den Präsenzunterricht vorgezogen.
TDF: Wie ist die Situation heute?
Der Ex-Mann hat per Beschluss die alleinige Aufenthaltsbestimmung unserer Kinder übertragen bekommen und hat somit die vorrangige Entscheidungsbefugnis.
Von meiner Seite her findet die Kommunikation mit ihm seit geraumer Zeit ausschließlich schriftlich statt, um unsere Kinder und mich vor seiner impulsiven Wut oder Beschimpfungen zu schützen. Insbesondere unmittelbar auf die damalige räumliche Trennung folgend haben wir gravierend viele Drohungen und Abwertungen durch ihn erlebt. Das zeigte sich bei ihnen sehr stark in hoher körperlicher Anspannung und ängstlichen Blicken! Er hält sie in Angst, um sie an sich zu binden. Er lässt sie glauben, dass er bald sterben muss. Ich kenne diese Aussagen von ihm mir gegenüber. Das ist psychischer Missbrauch, der sich der emotionalen Abhängigkeit bedient!
Er lebt ihnen seine Abwertung und Missgunst mir gegenüber vor. Unserem jüngsten Sohn sagte er zum Beispiel einmal, dass ich meiner Unterhaltsverpflichtung nicht nachkomme. Es ist eine perfide Taktik mich mit solchen Falschinformationen anzukreiden und damit den Blick meiner Kinder auf mich zu trüben. Ich bin befristet nicht erwerbsfähig, lebe von Erwerbsminderungsrente und Wohngeld und engagiere mich ein wenig in der Kirche.
Mein jüngerer Sohn sagte einmal zu mir, er wisse gar nicht was und wem er glauben könne, seinem Vater oder mir. Das ist doch schrecklich!
Und was macht das mit den Kindern, die vom Familiengericht angehört werden? Sie fühlen sich verantwortlich, werden in die Pflicht genommen Position zu beziehen. Gewissermaßen Richter und Henker zu sein. Das ist staatliche emotionale Gewalt an den Kindern, eine ergänzende Traumatisierung, deren Positionierung insofern vom Gericht dann als sogenannten Kindeswillen deklariert wird. Das darf so nicht übliche Praxis sein! Und ist im Übrigen auch gesetzlich verboten, weil es eine Objektivierung der Kinder ist.
Gerade ältere Kinder – wie in unserem Fall – sind stärker anfällig für ein Einwirken von außen, für den emotionalen Missbrauch eines Elternteils. Sie sind traumatisiert und möchten doch eigentlich nur solide Sicherheit erfahren, die nach der erlebten häuslichen Gewalt und dem darauf unmittelbar folgenden Verfahren bei Gericht nochmals einen unheimlichen Kraftakt für sie bedeutet und ihnen weitere Angst macht! Ich mache meinen beiden Jungs deshalb auch keinen Vorwurf, dass sie sich bei den Anhörungen hauptsächlich für den Vater positioniert hatten. Sie standen unter großem Druck und hatten Angst. Die Liebe einer Mutter wird dadurch nicht geschmälert.
TDF: Haben Sie das Gefühl, dass ihre Kinder sie anders sehen durch diese Kommunikation von ihrem Ex Partner?
Mitunter schon hin und wieder, ja. Das ist für mich spürbar an frauenfeindlichen Äußerungen unseres jüngeren Sohnes. Auch belächeln sie mich in manchen Situationen wie er es oftmals tat, als wir noch zusammenlebten. Trotzdem bin ich mir sicher, dass Sie meine Liebe und Aufrichtigkeit spüren.
TDF: Wie ist jetzt die Situation mit Umgang und Sorge geregelt, wie oft sind die Kinder wo und wer hat das Sorgerecht?
Seit 2022 hat er das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für unsere Kinder. Er bewohnt mit ihnen unser ehemals gemeinsam erworbenes Haus, wir beide sind nach wie vor hälftig die Eigentümer. Ich wohne zur Miete zwei Ortschaften weiter.
Das Familiengericht hat ihm außerdem auch die alleinige Teilsorge für ärztliche und schulische Belange übertragen. Dabei war ich immer die, die sich um die alltäglichen Angelegenheiten unserer Kinder gekümmert hat! Eben die gewöhnliche mütterliche Care-Arbeit. Für mein Empfinden sind unsere Kinder durch diese Regelung heute einer Vernachlässigung, seiner unzureichenden Förderung und Unterstützung ausgesetzt.
Hier braucht es die Courage und das Engagement des Schulpersonals und der Horterzieher, welche sich mit ihrer Wahrnehmung der Kinder an das dem Jugendamt wenden sollten. Das regelt an sich ja auch der staatliche Schutzauftrag der Bildungseinrichtungen.
Unsere Situation ist unheimlich belastend und demütigend. Wir leiden still und möchten doch auch nach vorne schauen.
TDF: Das heißt, Sie sind lediglich umgangsberechtigt?
Richtig, ich bin lediglich umgangsberechtigt, ein sogenannter erweiterter Umgang ist das. Eine Wochenend- und Ferien-Mama bin ich.
Aktuell bin ich im Alltag meiner Kinder weitestgehend außen vor und von dem Wohlgefallen, sprich dem Ermessen des Ex-Mannes abhängig. Welche Informationen er mir unsere Kinder betreffend mitteilt und inwiefern er mich Anteil nehmen lässt, entscheidet er. Konkret ist seine Mitteilung so minimal, dass ich eher zufällig von meinen Kindern nebenbei erzählt bekomme was sie erlebt haben oder was kommen wird. Natürlich ist das kein zufriedenstellender Zustand.
Das Jugendamt hat unsere Schule nach der gerichtlichen Entscheidung dahingehend beraten, dass sie an mich keine Informationen unsere Kinder betreffend weitergeben sollen.
Für meine Begriffe ist das fatal und willkürlich – vor allem wenn man die Missgunst und fehlende Kooperation des Ex-Partners zur Kenntnis nimmt.
Das Jugendamt berät die Schule dahingehend und mir ist gesagt worden ich müsse mich mit dem Ermessen des Vaters mich zu informieren und dem ungleichen Machtverhältnis am Alltag meiner Kinder teilhaben zu lassen, eben arrangieren. Inzwischen weiß ich aber, dass diese Auskunft so nicht wirklich ganz korrekt ist.
Vorzugsweise erwartet er allerdings von unseren Kindern, dass sie selbst mit mir Absprachen machen, die doch eigentlich eher auf elterlicher Ebene verbleiben sollten. Ich heiße das ganz und gar nicht gut und habe ich ihm das auch mehrfach mitgeteilt.
Unser jüngerer Sohn fühlt sich sehr verantwortlich für unseren Elternkonflikt und sieht die Schuld oft bei sich. Das versuche ich möglichst durch Gespräch mit ihm auszugleichen, damit die Kinder nicht noch mehr Belastung erfahren.
TDF: Können Sie diese Umstände mit den Kindern einordnen?
Meine Kinder und ich haben unheimlich lange Zeit Gewalt erlebt und ich habe uns schließlich schützen wollen, insbesondere mit meiner Anzeigenstellung in 2021. Ich wollte ihnen auch eine gesunde Grenzsetzung vorleben.
Bis zur Trennung zeigte er grundsätzlich wenig Interesse an unseren Kindern und deren Entwicklung. Eher stellten sie für ihn sogar eine weitere Konkurrenz dar. Mehrfach behauptete er, wenn wir uns gestritten hatten, dass sie in Wirklichkeit gar nicht seine Kinder wären. Das spricht doch Bände!
TDF: Wie empfinden Sie die Vorgehensweise der Behörden in Ihrem Fall?
Die Vorgehensweise der Behörden haben einen großen Anteil an der zusätzlichen Traumatisierung meiner Kinder und mir. Sie haben letztlich Täter- statt Kinderschutz bewirkt. In unserem Fall ist so unheimlich vieles schiefgelaufen. Rückblickend betrachtet kann ich das heute gut beurteilen. Ich bin beim Familiengericht als Mutter vorrangig zum Sündenbock erklärt worden, statt in meiner Not Gehör und echte Hilfe zu erfahren.
Das staatliche System an sich habe ich als sehr toxisch und zunehmend auch frauen- und kinderfeindlich erlebt. Wir sind leider ganz und gar nicht allein mit dieser Erfahrung.
Es fühlt sich an, als hätte der Ex-Mann durch diese einen generellen Freifahrtschein erhalten. Und das unabhängig von der tatsächlich erfolgten Care-Arbeit und seinem impulsiven und bedrohlichem Verhalten gegenüber mir und unseren Kindern.
Die Beurteilung der Psychologin bei Hausbesuchen zur Bewertung der elterlichen Bindung und Interaktion mit den Kindern erfolgte sehr einseitig und oberflächlich – davon bin ich fest überzeugt. Diese Erfahrung wünsche ich niemandem. Eine sehr unangenehme und unnatürliche Situation, diese, ja letztlich vor allem gestellte Situation mit den eigenen Kindern unter Beobachtung einer weitestgehend fremden Person. Das verlangt einem ein großes Vertrauen in die Fachkraft und deren Beurteilungsfähigkeit ab.
Auch wurde der Ex-Mann und unser jüngerer Sohn von der Psychologin zu der beschriebenen bedrohlichen Situation mit dem Messer angesprochen. Die gab es definitiv, aber beide haben es schlichtweg verneint. Grundsätzlich ja nachvollziehbar. Dann steht da aber Aussage gegen Aussage und das war es dann. Vor allem aber hat unser Sohn sich hier letztlich ja erneut entscheiden müssen ob er das Geschehen bestätigt oder eben doch besser seinen Vater schützt.
TDF: Haben die Anzeigen, die Sie gestellt haben, eine Rolle in den Verfahren gespielt?
Absolut überhaupt nicht. Das habe ich auch sehr viel später erst so richtig begriffen, dass die Gewaltthematik ja eigentlich völlig außen vor geblieben war! Wir hätten zudem psychosoziale Begleitung gebraucht, meine Kinder und auch ich. Wir funktionierten ja letztlich nur irgendwie. Stattdessen spielte es vorwiegend eine Rolle, dass unsere Kinder in „ihrem zu Hause“ und insofern beim Vater verbleiben sollen.
TDF: Was würden Sie sich wünschen?
Entschieden mehr Aufmerksamkeit und Sensibilisierung für das Thema generell, vor allem aber Präventionsarbeit für Kinder in Kindergärten und Schulen: Wo fängt Gewalt an? Ich darf nein sagen!
Dieser zunehmende Generalverdacht an Frauen: Es kann nicht sein, dass einer Mutter unterstellt wird aus strategischen Gründen falsche Behauptungen gegen den Vater aufzustellen. Das erlebe ich auch als zutiefst kränkend. Für mich als betroffene Frau und Mutter ist das sehr schmerzhaft. So erfahren die Täter Schutz und die Kinderseelen weiteres Leid. Spanien macht es mittlerweile ziemlich gut. Dort werden PolizistInnen sehr gut, auch psychologisch, geschult. Sie machen den gewalttätigen Männern deutlich: Bis hierhin und nicht weiter. Lass es besser.
Eine miterlebte Gewalt der Kinder muss daher zwingend beim Kindeswohl bei Umgangs- und Sorgeverfahren berücksichtigt werden. Der Blick muss aber auch auf die Schuld und Unzulänglichkeiten der Täter und die Verpflichtung zur Täterarbeit gehen.
Eine korrekte Abgrenzung der Begrifflichkeiten ist zudem wichtig, um gute Entscheidungen im Sinne des Kindeswohl treffen zu können. Eine eventuell bestehende Hochkonflikthaftigkeit zwischen den Eltern oder aber eine Dynamik mit Gewalttätigkeit eines Elternteils muss getrennt voneinander beurteilt werden.
Ich hätte mir insbesondere eine rechtliche Beratung hinsichtlich einer notwendigen Anwendung der Istanbuler Konvention gewünscht. Von dieser Konvention erfuhr ich leider erst im Nachgang unseres Verfahrens. Auch wünsche ich mir noch immer einen Fachanwalt für die Wiedergutmachung unseres Erlebens! Meine Kinder sollen die psychologische Begleitung von einer neutralen Person bekommen, die sich ihnen unvoreingenommen annimmt. Mir ist es nach wie vor ein persönliches Anliegen die staatliche Gewalt, die uns widerfahren ist und die wir teilweise noch immer erfahren zu benennen, um anderen Betroffenen ein Gehör zu geben und auch den Bedarf verschiedener Maßnahmen und die Sensibilisierung der Gesellschaft einzufordern. Es muss wieder heißen: Wer schlägt, der geht!
TDF: Was sind Ihre Tipps für andere Betroffene, an welche Stellen haben Sie sich gewendet?
Meine Erfahrung: Guter Gewaltschutz für Betroffene ist in Deutschland leider eher Glückssache. Die Überforderung des Hilfesystems hat mit der Dynamik des häuslichen Missbrauchs offensichtlich leider nur sehr wenig Bewusstsein für die psychische Gewalt in Familienkonstellationen, an Frauen und folglich deren wichtige Maßnahmen zur Stabilisierung der Betroffenen.
Bei staatlichen Instanzen ist daher stark davon abhängig wie überlastet und fortgebildet diese sind. Es gibt zudem ein breites Netzwerk an Beratungsstellen, regional und im Internet. Sei es die Gewaltberatung der AWO und des DRK, den Weißen Ring und das bundesweite Hilfetelefon, die BIG Beratung Berlin – das sind jene, die die Dynamik Betroffener kennen und deren Brisanz verstehen.
Es gibt auch viele gute Initiativen ehemals betroffener Mütter. Fem.A Feministische Alleinerziehende e.V. aus Österreich mit breitem Netzwerk auch in Deutschland sind weitere Möglichkeiten des Austausches und empowern Betroffener.
Auch die Reha, für diese ich mich 2023 durchgerungen hatte, hat mir sehr geholfen meine Ohnmacht der erfahrenen Gewalt zu verarbeiten und wieder in meine Kraft zu finden. Das war eine gute und wichtige Entscheidung für mich und meine Kinder.
Mein großer Dank geht an die Häusliche Gewaltberatung des DRK Pasewalk an jene Beraterin, die mich telefonisch in meiner schwierigsten Phase in 2022 verlässlich und empathisch begleitet und sich nach meinem Befinden erkundigt hat.
Ich danke Ihnen sehr für diese Möglichkeit mein Erleben auf diesem Weg schildern zu können. Leider ist es ganz und gar kein Einzelschicksal.